The Future of Bible Study Is Here.
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Sünde, sündigen. I. Begriff der S. S. — wofür ist auch Missetat als gleichbedeutender oder ähnlicher Ausdruck — heißt jede Verletzung der dem Menschen geltenden göttlichen Willensbestimmungen durch den menschlichen Willen (1 Joh. 3, 4, die S. ist das Unrecht, wörtlich: „die Widergesetzlichkeit”). Denn eigentlich soll nach der ursprünglichen Ordnung Gottes der menschliche Wille mit seiner Richtung im ganzen und einzelnen solchen göttlichen Willensbestimmungen entsprechen, die dem Menschen teils als unmittelbarer Sinn und Trieb eingepflanzt (Rö. 2, 15), teils als bestimmtes Gesetz (Rö. 2, 12) geoffenbart sind. Sie beziehen sich auf alle Äußerungen des menschlichen Willens, auf Gedanken, Worte und Werke (Mt. 15, 19; vgl. die 10 Gebote). Rein unwillkürliche Erlebnisse des Menschen fallen nicht unter den Begriff der S. (vgl. z. B. Besessen). Dagegen gehört es nicht zum Wesen der S., daß der Mensch im Augenblick des Sündigens oder überhaupt genau gewußt habe, daß sein Tun sündhaft sei. Nur der Grad der Schuld ist je nach dem Maß des Wissens sehr verschieden. Wo kein Wissen um Gottes Willen da ist, da ist wohl S., aber keine Schuld (Rö. 5, 13: wo kein Gesetz ist, da wird die S. nicht zugerechnet, Joh. 15, 22. 24); oder doch nur soweit Schuld, als dies Nichtwissen selbst verschuldet ist (Lu. 12, 47 f.). Auch 1 Tim. 1, 13 wird die Unwissenheit bezw. ihre Schuldlosigkeit, beschränkt durch den Zusatz „im Unglauben“. Dagegen je klarer ein Mensch Gottes Willen und das Unrecht des Zuwiderhandelns kennt, desto schlimmer ist seine Schuld (vgl. Mt. 11, 21 s.; 12, 41 f.). Daher ist die schwerste S. die S. wider den h. Geist, weil bei ihr das höchste Mass von Erkenntnis vorausgesetzt ist, vgl. Geist, Lästern. In letzter Linie ist freilich kein Nichtwissen ganz unverschuldet (vgl. Rö. 1, 18 ff.), und darum auch keine S. ganz ohne Schuld. — II. Die Arten der S. Ihrer ist eine große Mannigfaltigkeit, weil alle Äußerungen des menschlichen Willens der S. anheimfallen können. Eine vollständige Aufzählung oder Einteilung derselben gibt die h. Schrift nirgends. Einzelne S.verzeichnisse s. z. B. 2 Mo. 20; 5 Mo. 27, 15 ff.; Hi. 31; Ps. 15; Hes. 18; Mt. 15, 19; Rö. 1, 29 ff.; Ga. 5, 19 ff.; 2 Tim. 3, 2 ff. Die nächstliegende Einteilung der S. bezieht sich auf die verschiedenen Gebiete, denen der Wille sich zuwendet. Es lassen sich da viererlei Arten von S. unterscheiden, wobei wir für das Nähere auf die einzelnen Artt. verweisen: 1) Versündigungen des Menschen an sich selbst, a) Verletzungen der eigentümlichen Würde des Menschen: Lüge (nebst Heuchelei) und Unkeuscheit. Durch beide schändet der Mensch sich selbst (vgl. Sir. 20, 28; Rö. 1, 24). Aber auch der Hochmut gehört hierher, denn indem der Hochmütige seinen Wert überschätzt, gibt er seine wahre Würde, die in der Demut besteht, preis. b) Nichtgebrauch seiner gottverliehenen Kräfte: Trägheit und Torheit. c) Aufzehrung derselben durch unordentlichen Gebrauch, übermässige Arbeit und übermäßigen Genuß, Leidenschaften, Ehrgeiz u. dgl. d) Zerstörung der eigenen Seelenruhe durch Sorgen, Unzufriedenheit, Verzweiflung usw. e) Selbstmord. 2) Versündigungen an der von Gott geschaffenen Natur: Tierquälerei (Spr.12, 10). Im übrigen ist allerdings die leblose Natur mit den von Gott ihr eingepflanzten Ordnungen dem Menschen zu freiem Gebrauch übergeben. Wenn das A. T. dennoch manchmal von Versündigungen an derselben redet (z. B. am Boden des Landes Kanaan durch Nichteinhaltung der Sabbatjahre, 3 Mo. 26, 35), so ist das bildlich zu verstehen. Auch von Versündigung an der Engelwelt redet die Schrift nur in der — ihrer Deutung nach unsichern — Stelle Judä 8. 3) Versündigungen an den Nebenmenschen: a) an denen, gegen welche wir besondere Pflichten haben (s. 4. Gebot); b) an den Nebenmenschen überhaupt. aa) Verletzung der dem Nächsten von Gott verliehenen Güter: des Lebens, der Gesundheit, der Ehe, des Eigentums, des guten Namens und alles dessen, was zum Glück des Nächsten dient (s. 5.—10. Gebot); bb) Mangel an Liebesgesinnung u. Liebeserweisung gegen den Nächsten (Lu. 10, 27 ff.); cc) Versündigungen an des Nächsten Seelenheil: Verführung zum Bösen und Ärgernis (Mt. 18, 6 ff.; Ga. 5, 12). 4) Versündigungen an Gott: a) Mangel an Dankbarkeit und Liebe gegen Gott (Rö. 1, 21); b) Ungehorsam gegen seine Gebote; c) Verachtung seiner Gnade u Gnadenmittel (Mt. 22, 5); d) Mißachtung der göttl. Macht- und Ehrenstellung in Unglauben, fortschreitend bis zur Gottesleugnung; in Aberglauben, fortschreitend bis zum Götzendienst; in Mißbrauch seines Namens, fortschreitend bis zur Gotteslästerung. Bei diesem weitverzweigten Sündenverzeichnis ist aber wohl zu beachten, daß die einzelnen Versündigungen sich nie auf das angegebene Gebiet beschränken, sondern mehr oder weniger alle Gebiete zugleich berühren. So betont die Bibel namentlich, daß alle Versündigungen am Nächsten und an sich selbst auch Versündigungen an Gott sind (vgl. Ps. 51, 6); ebenso aber kann man auch sagen: jede S. ist eine Bersündigung am eigenen Selbst des Menschen, das dadurch Schaden leidet (Mt. 16, 26), und — durch gegebenes Ärgernis — auch eine Versündigung am Nächsten. Ferner ist wichtig, daß viele S. unter sich nah verwandt sind und eine die andere nach sich zieht; nicht bloß äußerlich, sofern die Schande oder der Schaden der ersten S. durch eine zweite gedeckt werden soll — so folgt gar oft die Lüge auf eine andere böse Tat, s. 1 Mo. 3, 13; 4, 9, so suchte David durch Mord seinen Ehebruch zu decken, 2 Sa. 11 —, sondern auch innerlich sind manche S. miteinander verwandt und gesellen sich gern zueinander: Wollust und Härte (s. Amnon, 2 Sa. 13, 15); Geiz und Treulosigkeit (s. Judas); Heuchelei und Hochmut (s. d. Pharisäer) usw. — Dies führt uns aber weiter zu der Tatsache, daß alle S. trotz ihrer großen Verschiedenheit innerlich etwas Gemeinsames an sich haben, weshalb die Schrift so oft von „der S.“ als einer einheitlichen Erscheinung redet (z. B. Rö. 5, 12). Darum haben wir ins Auge zu fassen III. den gemeinsamen Grund aller Sünden. Man könnte nach manchen Stellen der h.Schrift versucht sein, den gemeinsamen letzten Grund aller S. in der Lust nach verbotenem Genuß zu suchen. So erscheint ja beim S.fall der Genuß der verbotenen Frucht als Zweck der Übertretung des Gebots; so zählt Johannes Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Wesen als das auf, was der Liebe zu Gott widerstrebe (1 Joh. 2, 16). Und auch der Ausdruck „Fleisch“, den Paulus in so enge Beziehung zur S. setzt, könnte dazu verleiten, in den sinnlichen Trieben und Begierden den Ursprung der S. zu suchen. Man müßte dann alle anderen S., die nicht unmittelbar von der Begierde nach einem verbotenen Genuß ausgehen, als Folgen der ursprünglichen S. betrachten; z. B. Haß und Feindschaft als Widerstand gegen diejenigen, die uns an irgend einem Genuß hindern; alle Abneigung gegen Gott aber als Trotz darüber, daß er uns manchen Genuß verboten hat. Allein wie schon diese Ableitung aller S. von der Genußsucht etwas Gezwungenes hat, so ist ja auch tatsächlich der Lohn der S. keineswegs erhöhter Lebensgenuss u. wahre Freude, sondern im Gegenteil Jammer und Herzeleid, Ekel und überdruss (Lu. 15, 17; Rö. 6, 21); und trotzdem, auch wenn er das erfahren hat, läßt der Mensch nicht von der S. Ihr innerster Grund muß etwas anderes sein als die Genußsucht. Darauf weisen auch manche Stellen der h. Schrift hin. Gerade das „Fleischlichgesinntsein“ schließt nach Paulus von Haus aus eine Feindschaft wider Gott (Rö. 8, 7), einen Gegensatz gegen den heiligen Gottesgeist (Ga. 5, 17), in sich. Man hat daher in Anknüpfung an diese und andere Stellen das Wesen der S. in dem Widerstreben gegen Gottes Herrscherstellung über den Menschen, in einem falschen Freiheitsdrang (vgl. Ps. 2, 3; Jer. 2, 20), gesucht. Diese Anschauung geht wohl tiefer als die erste; es ist auch in der S.fallsgeschichte deutlich, wie die Schlange den Menschen vor allem gegen das göttl. Gebot als gegen ein drückendes Joch einzunehmen sucht (1 Mo. 3, 1); aber die Tiefe der S. selbst ist auch damit noch nicht enthüllt. Denn der Mensch begibt sich ja mit der S. nur in neue Knechtschaft und Abhängigkeit (Joh. 8, 34; Rö. 6, 16). Das innerste Wesen der S. besteht vielmehr in einer Unlust zum Guten als der gottgeordneten Bestimmung des Menschen selbst; eine Unlust, die sich zur Abneigung, ja zum Haß wider das Gute steigert. Und gegen Gottes Gebot sträubt sich der Sünder, nicht weil Gott sein Herr sein will, sondern weil Gott der Gute ist und das Gute vom Menschen fordert (3 Mo. 19, 2; Mt. 19, 17; Joh. 3, 19 f.; Rö. 1, 32; Ga. 5, 17). Warum freilich der Mensch das Böse mehr liebt als das Gute, das bleibt ein unerklärliches Rätsel. Denn das Böse ist an sich weder leichter, noch macht es den Menschen glücklicher als das Gute. Was das erste anlangt, so ist des Erlaubten in der Welt viel mehr als des Verbotenen (vgl. 1 Mo. 2, 16. 17); Veranlassungen zum Guten sind nicht weniger in der Welt als Versuchungen zum Bösen (vgl. Mt. 25, 42 ff.). Und was das andere betrifft, daß die S. nicht glücklich macht, so zeigt es die Schrift an unzähligen Beispielen, von den ersten Menschen bis auf Judas Iskariot (vgl. auch den verlorenen Sohn). Aber allerdings gehört es ganz zum Wesen der S., daß sie über ihr wahres Gesicht u. über ihre wirklichen Folgen einen täuschenden Schleier breitet. Das ist der Betrug der Sünde (s. Betrug). Die Lüge ist die Hauptwaffe der Verführung (Joh. 8, 44). Immer wieder beredet sie den Menschen, daß er auf ihren Wegen das Glück finde, das Gottes Gebot ihm vorenthalten wolle (1 Mo. 3, 5; vgl. die Geschichte vom verlorenen Sohn, Lu. 15). Aber daß der Mensch dieser Stimme der Versuchung mehr Glauben schenkt als dem Worte Gottes und der Stimme des Gewissens, und immer wieder sich täuschen läßt — das weist doch darauf hin, daß eine Abneigung gegen das Gute an sich und eine Hinneigung zum Bösen an sich von Anfang an in jeder S. verborgen steckt. Es lassen sich aber von hier aus zwei Stufen der Sünde unterscheiden: auf der ersten ist der Mensch von dem Wahn eines durch die S. zu erreichenden Glücks noch ganz eingenommen: die S. erscheint als Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Wesen (diese drei unterscheiden sich so, daß die Genüsse der Fleischeslust dem rein sinnlichen Wohlgefühl, die der Augenlust der Freude am Schönen und am Besitz als solchen, die der Hoffart endlich der Freude am eingebildeten Wert der eigenen Person angehören). Weil aber durch solchen Wahn alle unmittelbaren Regungen und Triebe im Menschen in Beschlag genommen werden und zugleich aller Sinn für höhere, geistliche Freude im Menschen ertötet wird, so drückt dies die h. Schrift aus mit dem Wort: die S. wohnt im Fleisch, oder der Mensch wird fleischlich (s. Fleisch 4, und Lust 2). Auf der zweiten Stufe aber durchschaut der Mensch diesen Wahn als einen eiteln und wird sich selbst klar, daß er sündigt, weil er das Gute haßt; daß er zum Bösen sich neigt, obwohl er weiss, daß es ihn unglücklich macht. Diese Stufe der S. äußert sich je nach der Gemütsart eines Menschen entweder als Heuchelei oder als offener Trotz; jenes bei furchtsamen Naturen, dieses bei furchtlosen. In beiden Formen wird diese Stufe der S. oft beim Volk Israel von den Propheten gefunden: als schamlose Heuchelei (z. B. Jer. 3, 3–5) und als schamloser Trotz (z. B. Jes. 3, 9). Ein göttliches Gericht ist es aber, daß auch auf dieser Stufe, wo der Sünder den Wahn der Lüste, mit denen die S. ihn geködert hat, durchschaut, er doch von den dadurch geweckten Leidenschaften nicht loskommt (Rö. 1, 24–32): er bleibt fleischlich. — IV. Die Geschichte der Sünde. a) Ihr Ursprung. Die S. ist nach der Schrift nichts Ursprüngliches im Leben der Menschheit, sondern durch einen Menschen in die Welt hereingekommen (Rö. 5, 12), und zwar unter dem Einfluß einer Verführung von Außen her (2 Kor. 11, 3). Es ist dies auch, wenn doch Gott die Welt gut geschaffen hat und von Gott nur Gutes kommt (1 Mo. 1, 31; Jak. 1, 17), gar nicht anders denkbar. 1 Mo 3 gibt über den Hergang bei der ersten S. einen mit den übrigen Erzählungen über die Anfänge der Menschheit in engem Zusammenhang stehenden Bericht. Wenn nun auch bei diesen Erzählungen viele ungelöste Fragen bleiben, — einfach weil es unmöglich ist, von dem äußeren und inneren Zustand der ersten Menschen sich eine anschauliche Vorstellung zu machen, — so ist doch die innere Wahrheit der Geschichte vom „Sündenfall“ so groß, so dem Wesen des Menschen und der S., wie wir beide heute kennen, entsprechend, daß man sagen muß: in dieser Art muß die erste S. sich ereignet haben, selbst wenn man an die Möglichkeit einer getreuen Überlieferung aus den ersten Anfängen der Menschheit nicht glauben, die Erzählung vielmehr als ein unter Leitung des h. Geistes entstandenes Gleichnis betrachten würde. Darauf weisen manche Ausdrücke in der Erzählung selbst, besonders die Namen der beiden Bäume hin. Die Erzählung knüpft an an das göttliche Verbot, von den Früchten des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen (1 Mo. 2, 17). In diesem Verbot liegt, so wie es neben der Erlaubnis: „du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten“ steht — nicht nur die Wahrheit, daß es einen Unterschied von erlaubten und verbotenen Genüssen u. Gütern gibt, sondern da die Erkenntnis des Guten und Bösen etwas ist, das dem erwachsenen, mündigen Menschen jedenfalls zusteht, so ist damit angedeutet, daß es Güter gibt, deren Besitz nicht für alle Fälle, aber doch für manche Stufen und Lagen des menschl. Lebens verboten ist (vgl. 1 Kor. 6, 12). Um so näher lag freilich die Gefahr der übertretung. Aber es darf nicht übersehen werden, daß wichtige Beweggründe die ersten Menschen zum Halten des Gebots verpflichteten: 1) die Dankbarkeit gegen Gott, der ihnen ja im selben Augenblick so vieles erlaubt hatte, 2) die Furcht vor Gott, der mit schwerer Strafe die Übertretung bedrohte; 3) das Vertrauen auf Gott, der — nach seiner bisherigen Güte zu schließen — gewiß auch jetzt, bei diesem Verbot, nur ihr eigenes Beste im Auge hatte. Daher gehen auch die Reden der Schlange darauf aus, gerade diese drei schützenden Wächter des göttlichen Gebots aus dem Herzen der Menschen zu entfernen: die Dankbarkeit, indem Gott durch die sein Verbot verdrehende Frage hingestellt wird als ein Wesen, das nur verbieten kann (V. 1). Als dann die Antwort der Eva zeigt, daß nur die Furcht vor der Strafe sie noch bindet — denn von Dankbarkeit zeigt ihr Wort schon nichts mehr (V. 2 u. 3), — geht die Schlange zur bestimmten Leugnung der Wahrhaftigkeit der göttl. Drohung weiter, benimmt der Eva dadurch auch die Furcht vor Gott (V. 4) und untergräbt zugleich das Vertrauen auf Gott, indem sie das Verbot als Folge eines göttl. Neides, der den Menschen ihr Glück nicht gönnen will, hinstellt (V. 5.). Das Mittel der Verführung ist also Verdrehung der Worte Gottes und Lüge, der letzte Keim der S. aber ist, daß die Menschen diesen Lügen mehr glauben, als dem Worte Gottes und sich dadurch aus ihrer Kindesstellung zu Gott herauslocken lassen. Nun erst erwachte auch die böse Lust, mit der sie sich selbst weiter betrogen, als ob das Essen vom verbotenen Baum ein besonderer Genuß und die Folge davon ein großer Fortschritt für sie sei. Und aus der bösen Lust erwuchs die böse Tat (V. 6), der freilich die Ernüchterung auf dem Fuße folgte (V. 7). Der Hergang ist ganz dem Spruch entsprechend, mit dem Jakobus (1, 14 f.) die Entstehung jeder S. in der nachparadiesischen Zeit beschreibt. Nur wurden die ersten Menschen nicht von ihrer eigenen Lust versucht, sondern diese wurde bei ihnen erst durch Einflüsterungen von Außen geweckt. Woher diese Einflüsterungen kamen, darüber ist in der alttestamentl. Erzählung noch kein Aufschluß enthalten. Die Worte sind, ihrem listigen Inhalt entsprechend, dem listigen Tier, der Schlange (V. 1), in den Mund gelegt. In Wirklichkeit ist es die S. selbst, die so redet. Und die tieferen Aufschlüsse späterer Offenbarung, namentlich im N. T. haben gelehrt, daß die S. auch außerhalb der Menschenwelt und schon vor dem menschl. S.fall Gestalt gewonnen hat im Teufel (s. d. Art.) und daß also von ihm auch die Versuchung der ersten Menschen zur S. ausging (vgl. Off. 12, 9, wo mit Beziehung auf 1 Mo. 3, 1 der Teufel die alte Schlange heißt). Es ist sicher anzunehmen, daß die ganze Geschichte der S. in der Menschheit wesentlich dadurch bestimmt ist, daß sie von Ansang an durch Versührung von Außen hereinkam, obgleich dieh. Schrift keine Andeutungen darüber macht, wie es gegangen wäre, wenn die Menschen rein aus eigenem Antrieb gesündigt hätten. b) Ausbreitung und Wachstum der S. Die Bibel stellt den Satz auf, daß die S. zu allen Menschen hindurchgedrungen ist (1 Mo. 8, 21; Hi. 14, 4; Ps. 14, 3; Rö. 3, 8 ff.; 5, 12). Und indem die Erfahrung aller Völker und Zeiten, das Selbstzeugnis der Frömmsten und Gerechtesten, die Probe bei der sorgfältigsten Erziehung diesen Satz immer wieder bestätigt, so wird eben damit auch die innere Wahrheit der Erzählung 1 Mo. 3 nach der Seite hin festgestellt, daß schon die ersten Menschen den Anfang mit Sündigen gemacht haben müßen. Was aber die Art der Ausbreitung der S. betrifft, so schlägtzwar die Bibel den Einfluß des bösen Beispiels und der Berführung sehr hoch an (s. Verführen, Ärgern). Aber wenn dies allein die S. von einem zum andern übertragen würde, so müßte die Gegenwirkung der göttlichen Erlösung doch stark genug sein, um alle Spuren der S. in dem Verführten schon in diesem Leben völlig aufzuheben. Das ist aber, wie wir nachher sehen werden, nach dem Zeugnis der Schrift nicht der Fall. Und so muß auch die Macht der S. über die Menschheit einen tieferen Grund haben. Die Schrift lehrt, daß es ein göttl. Verhängnis ist, demgemäß die S. ein Erbteil aller Adamskinder geworden ist (Rö. 11, 32; Ga. 3, 22); ein Verhängnis, das freilich nur zur Vorbereitung der allgemeinen Erlösung dienen mußte. über die Art, wie dieser göttl. Ratschluß sich ausführt, sagt die Bibel wenig. Doch wie beim einzelnen Menschen die S. im Fleische wohnt, d.h. ihm wie zur anderen Natur geworden ist (s. oben 3), so deuten einzelne Stellen an, daß diese Verkehrung der inneren Grundrichtung des Menschen erblich geworden ist, d. h. sich von Geburt an mit dem natürlichen Leben zugleich entwickelt (Ps. 51, 7; 1 Mo. 8, 21; Mt. 15, 19; Jak. 1, 14; Eph. 2, 3). Allerdings gibt es in dieser Entwicklung sehr verschiedene Stufen, so daß mit dem Wort: „sie sind allzumal Sünder“ (Rö. 3, 23) die sittlichen Wertunterschiede unter den Menschen nicht geleugnet sind. Es kommt darauf an, ob einer mit der S., die in ihm aufwacht, kämpft wie Paulus, obgleich vergeblich (Rö. 7, 15 ff.), oder ob er der S. willig dient, wie so viele Menschen (Rö. 6, 19). Vgl. Gerechtigkeit 1 c. Ebenso geht das Zurückweichen den S. gegenüber von den Einflüssen der Erlösung stufenmässig vor sich und kommen daher auch sehr verschiedene Grade der Sündenreste vor (Joh. 13, 10; 15, 2; Rö. 6, 12; Eph. 4, 22; Phi. 3, 12 f.; 1 Joh. 1, 8; Jak. 3, 2). Wenn Johannes an einigen Stellen des ersten Briefs sagt, daß der Wiedergeborene nicht sündige (3, 9; 5, 18), so ist dies mit den andern Stellen so auszugleichen, daß hier gesagt wird, wie es mit dem Wiedergeborenen sein könnte und sollte, wenn man ganz allein die Kraft des h. Geistes in Betracht zieht. Daß Johannes die tatsächlichen S. auch bei den Wiedergeborenen nicht verkennt, haben wir vorher gesehen. — V. Beurteilung und Behandlung der S. seitens Gottes. Der heilige Gott haßt und verabscheut die S. (Ps. 5, 5). Es ist von Hiob in seiner anfänglichen Verblendung geredet, wenn er meint, der große Gott sollte sich aus den S. der schwachen Menschen nicht viel machen (Hi. 7, 20 f.). Allerdings wägt er in seiner Gerechtigkeit die Schuld genau ab, die der einzelne hat, und scheidet davon ab teils was in Unwissenheit geschehen ist (Ap. 17, 30), teils was auf die Rechnung von Verführern u. dgl. kommt (Joh. 19, 11). Aber um so weniger gelten falsche Entschuldigungen vor ihm (Rö. 2, 1); niemand ist vor seinem Auge unschuldig (Rö. 3, 19). Gottes Urteil über die S. bezieht sich aber nicht bloß auf den einzelnen, sondern vermöge des von ihm geordneten Zusammenhangs auch auf ganze Städte, Völker usw., die sich gemeinsamer S. schuldig gemacht haben (1 Mo. 18, 20; 2 Mo. 32, 7; vgl. fast alle Strafreden der Propheten, aber auch Lu. 13, 34; Rö. 11, 25). Wie sich eine solche Gesamtschuld aus den Begehungs- und Unterlassungssünden der einzelnen zusammensetzt und doch als eine gemeinsame in Rechnung kommt; wie sie umgekehrt auf dem ganzen Volk usw. liegt und doch keinen ungerecht drückt, das vermag nur Gottes allwissendes und allgerechtes Urteil auszumachen (Hes. 18, 2ff.). So sehr nun aber Gott die S. haßt, so sehr liebt er den Sünder und sucht ihn zu retten (Joh. 3, 16; Hes. 18, 23; 1 Tim. 2, 4). Gott sucht den Sünder und die S. zu scheiden. Zu diesem Zweck ist es seine Absicht, daß die S. sich in ihrer wahren Gestalt, in ihrer ganzen Abscheulichkeit enthülle, wenn sie dabei auch sich noch steigert (Rö. 5, 20; 7, 13). Ferner dienen dazu die Gerichte Gottes in diesem Leben. Es sind keine Vergeltungsgerichte im strengen Sinn; sondern sie haben den Zweck, den heiligen Ernst Gottes wider die S. zu beweisen (Lu. 13, 2 ff.). Daneben aber trägt Gott die S. mit viel Geduld und Langmut (2 Mo. 34, 6; Rö. 3, 25) und bereitet damit auf die Offenbarung seiner die S. vergebenden und überwindenden Gerechtigkeit in Jesus Christus vor (Rö. 3, 21 ff.; 5, 12 ff.). Für diejenigen, die sich dieser Offenbarung verschließen, liegt eben darin ein Gericht (Joh. 3, 18 f.): sie haben sich endgültig für die S. entschieden und verfallen vollends ganz ihrer Gewalt, dem Gericht der Verstockung (Joh. 12, 37 ff., s. Verstockung). Übrigens kann eine solche endgültige Entscheidung für die S. und damit das Gericht der Verstockung auch schon gegenüber den vorbereitenden Offenbarungen der Gerechtigkeit Gottes eintreten (vgl. Pharao, 2 Mo. 7, 13 ff.; Jes. 6, 10). Und endlich kann durch Wiederabfall derjenigen, welche schon die Gnade Gottes sich innerlich angeeignet hatten, daßelbe Ergebnis herauskommen, weshalb 1 Joh. 5, 16 dies als eine S. zum Tode (nämlich zum ewigen Tod) bezeichnet wird (vgl. Hbr. 6, 4 ff.; 10, 26). Diese innerlich sich vollziehenden Gerichte über die S. werden offenbar am jüngsten Gericht (s. d. Art. u. Richten). Th. Hermann.
Abb. 339. Das erste Menschenpaar unter dem Baum der Erkenntnis.
Babylonischer Siegelzylinder.
About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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