The Future of Bible Study Is Here.
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Pharisäer, „Abgesonderte“, wurden seit dem zweiten Jahrhundert v. Chr diejenigen Glieder der israelitischen Gemeinde genannt, die mit besonderem Eifer die Erfüllung des Gesetzes betrieben. Sie haben sich diesen Namen schwerlich selbst gegeben, sondern von den übrigen Gruppen des Volks erhalten; sie haben ihn jedoch nicht als Schimpf betrachtet, sondern als ihren Ehrentitel akzeptiert, wie das Beispiel des Paulus zeigt, der sich dessen rühmt: er sei ein Pharisäer und eines Ph.s Sohn, Ap. 23, 6; Phi. 3, 5. Abgesondert heißen sie aber nicht in dem Sinn, als ob sie aus der großen Gemeinde Israels ausgetreten wären, um eine eigene Gemeinschaft zu bilden. Sie beabsichtigten nicht im mindesten eine Trennung von der Gemeinde; sie wollten im Gegenteil nichts anderes sein als die echten, der Schrift völlig gehorsamen Söhne Israels, und waren mit großer Energie bestrebt, das ganze Volk in allen seinen Gliedern in derselben Weise dem Gesetz untertan zu machen, wie sie selbst ihm dienten. Wenn Ap. 15, 5 von der „Sekte“ der Ph. geredet wird, so steht das Wort hier im Sinne von Partei. Worin ihre Absonderung von den übrigen Gliedern des Volks bestand, hat Jesus im Gleichnis vom Ph. und Zöllner anschaulich gezeigt, Lu. 18, 9 f. Sie sonderten sich von den übrigen Leuten dadurch, daß sie in ihrer Gesetzeserfüllung über das hinausgingen, was die Mehrzahl der Leute beobachtete. Sie machten sich fromme Leistungen, welche die anderen nicht für geboten achteten, zur heiligen Pflicht, und Dinge, welche die übrigen für erlaubt hielten, vermieden sie als Sünde, wobei sie in ihrem skrupulösen Heiligungsstreben den andern Leuten auswichen als den unreinen und womöglich nur mit ihresgleichen Umgang pflegten. So schlossen sie sich aneinander an als eine nicht durch äußere Organisation und Statuten, sondern durch die Gemeinsamkeit der Bestrebungen und Ziele geeinigte Genossenschaft. Als sich aus dem Exil in Palästina wieder eine Gemeinde sammelte, war diese von der Überzeugung durchdrungen, daß die Existenz und das Glück Israels in Zeit und Ewigkeit von der Beobachtung des Gesetzes abhänge. Daß das Gesetz erfüllt werde, das war ihr das erste, wichtigste Anliegen, um das sich das ganze Leben in Jerusalem bewegte und dem alle andern Interessen untergeordnet wurden. Aber wann ist das Gesetz erfüllt? Was enthält es als göttliche Forderung an Israel? Das war die Frage, die in den Schulen (vgl. d. Art.) verhandelt wurde, deren Beantwortung die Schriftgelehrten (vgl. d. Art.) nachforschten, und was diese als Sinn und Konsequenz des Gesetzes aufstellten, das führten die Ph. in der Praxis durch: sie machten das Volksleben der Satzung der Gelehrten untertan. Darum werden Schriftgelehrte u. Ph. häufig zusammengenannt. Sie arbeiteten auf ein Ziel hin in einem Geist, jene als die Theoretiker, diese als die Praktiker. Die Gesetzeslehre, welche die Rabbinen aus der Schrift herausbildeten und zu ihr als die mündliche Überlieferung der Alten hinzufügten, eigneten sich die Ph. an und strebten ihrer Erfüllung nach. Die Gesetzeslehre spann sich aber zu einem System von Satzungen aus, das keine Grenzen hatte, welches das Handeln des Menschen auf Schritt und Tritt vom Morgen bis zum Abend bestimmte und eben dadurch für die große Menge des Volks unerreichbar wurde. Darum sonderten sich die Pharisäer von dem „Volke, welches das Gesetz nicht weiß,“ Joh. 7, 49; sie prägten sich das ganze Gewebe der Satzungen von Jugend auf ein und hielten sich dieselben beständig vor Augen als ihre einzige Lebensaufgabe und setzten alles, auch das Leben, daran, um sich keines Wortes und keiner Tat schuldig zu machen, die das Gesetz übertreten hätte, wie es nun durch die Überlieferung der Väter erläutert war. Wie die gesetzlichen Forderungen, so hielten sie auch die Verheißungen der Schrift mit ausharrendem Eifer fest. Sie waren die, die täglich um das Kommen des Christus beteten. Sie legten dabei besonderes Gewicht auf die Auferstehung. Die Frage, die sie beschäftigte, war die; wer hat am Reiche Christi teil, nur die, welche sein Kommen erleben, oder alle, auch die früher Verstorbenen? Sie antworteten nach Andeutungen der Schrift: der Christus wird Herr sein über die Lebenden und die Toten, auch diese werden leben, während die Sadduzäer (vgl. d. Art.) die Auferstehung leugneten. Dieser Punkt war ihnen darum wichtig, weil nur in der Auferstehung die Gewißheit lag, daß auch sie am Himmelreiche Anteil hätten, auch wenn sie seinen Anbruch und das Kommen Christi nicht mehr erleben würden. Der Jude Josephus hat außerdem als Unterscheidung der Ph. von den übrigen Gruppen des Volks ihre Lehre über das Verhältnis des göttlichen Wirkens zum menschlichen Handeln hervorgehoben. Während die Sadduzäer Gerechtigkeit und Glück der Menschen von ihrem eigenen Handeln abhängig machen, hätten die Ph. gelehrt, daß Gott das Geschick der Menschen bestimme, doch so, daß sie in ihrer eigenen Freiheit, je nachdem sie Gutes oder Böses tun, dazu mitwirken. Er hat den Parteien Israels einen unrichtigen philosophischen Anstrich gegeben, bezeichnet aber den Punkt, an dem die verschiedenen Gruppen des Volks sich schieden, im wesentlichen treffend: der Scheidepunkt lag in dem Maß dessen, was sie Gott zutrauten und von ihm erwarteten. Dem Ph. war das Glück der Einzelnen und des Volkes, vor allem auch die messianische Zeit, Gottes Werk und Gabe. Gott ist es, der in seiner richterlichen Entscheidung Leben und Tod verhängt; Er erlöst sein Volk; Er sendet ihm seinen Gesalbten. Das sind Gottes, nicht der Menschen Taten. Sie verwarfen die Herrschaft der Heiden und erklärten es für unerlaubt, dem römischen Kaiser zu steuern; aber sie führten nicht Kriege, sondern beteten und predigten und hofften auf Gottes Eingreifen, der zu seiner Zeit Israel seine Hilfe senden werde. Als dann die Männer kamen, die nicht nur hofften u. predigten, sondern zum Schwert griffen und kämpften, die „Zeloten“, so war das eine neue Wendung der Dinge, die über den Pharisäismus hinausging; aber sie war durch ihn vorbereitet. Jene Streiter waren die geistigen Söhne der Ph., die ihre Worte ungeduldig eifernd in die Tat umsetzten, und insofern sind es die Ph. gewesen, welche Jerusalem den Untergang bereiteten. Zunächst jedoch betonten die Ph., daß Israel sich auf seinen Gott verlasse und von ihm sein Heil erwarte. Auf der andern Seite fiel bei ihnen gleichzeitig ein großes Gewicht auf das menschliche Wirken. Gott sendet Glück und Unglück als vergeltenden Lohn der menschlichen Tat. Gottes frei gebende Gnade war ihnen verdeckt; zuerst muß der Mensch wirken, dann erst wirkt Gott; zuerst muß Israel das Gesetz erfüllen, dann erst kommt das Reich. Sie standen vor Gott als die, welche ihm in eigener Kraft das, was gut und gerecht ist, leisten und dann erst aus seiner Hand seine guten Gaben empfangen, d. h. sie standen, um mit Paulus zu reden, unter dem Gesetz. Der Erfolg der Ph. war insofern groß, als die geistige Macht über die Gemeinde völlig ihnen anheimfiel. Die regierenden Familien, die späteren Makkabäerfürsten, die Herodier, die vornehmen Priestergeschlechter waren ihnen zwar feindlich, mußten aber gleichwohl beständig auf sie Rücksicht nehmen und waren machtlos, wenn die Ph. ihnen entgegentraten; denn ihnen folgte das Volk, vgl. Joh. 12, 42. Mit dem Untergang Jerusalems verschwanden die übrigen Parteien; der Pharisäismus aber blieb und war nunmehr allein herrschend. Er hat die spätere Gestalt des Judentums hervorgebracht und ihm seine unüberwindliche Festigkeit gegeben, zugleich aber auch seine innere Erstorbenheit bewirkt. Das Urteil der Schrift über ihn ist doppelseitig. seinem zwiesachen Charakter entsprechend. Er hat ein göttliches Ziel erstrebt, aber auf fleischliche Weise. Was er mit allen Kräften suchte, das ist das Gesetz Gottes, und das ist das Große an ihm. Darum waren die edelsten Männer Israels, ein Nikodemus, ein Paulus Ph.; darum bereute es Paulus nicht, daß er Ph. gewesen war, sondern bekannte sich auch am Ende seines Apostellaufs als einen Ph., Ap. 23, 6; daß sie das Gesetz Gottes über alles andere stellten und die Verheißung Gottes als gewisse Wahrheit ergriffen, das schätzt er an ihnen hoch. So gibt auch Jesus ihnen ihr Bild in dem Sohn, der das Haus des Vaters nicht verließ, sondern ihm allezeit diente, oder in dem andern Sohn, der das Gebot des Vaters nicht abweist, sondern allezeit antwortet: ja Herr! Der Pharisäismus ist die größte menschliche Leistung, welche die Geschichte Israels auszuweisen hat. Wenn z. B. das von den Pharisäern geleitete Volk, als Caligula sein Bild im Tempel aufstellen wollte, zu Tausenden Haus und Acker verließ, willig zu sterben, wenn nur der Tempel Gottes nicht entweiht werde: so ist das eine große Erscheinung. Aber die Pharisäer brauchten das Gesetz so, wie es der fleischliche und unter die Sünde verkaufte Mensch handhabt, der im Gesetz nicht die Erlösung von seiner Sündigkeit hat, sondern die Offenbarung derselben, so daß an ihm die Sünde erst recht sündig wird, Rö. 7, 13. Dies hat ihnen Jesus mit seinem durchdringenden Gericht aufgedeckt. Er hat ihnen gezeigt, wie sie bei all ihrem Gottesdienst doch nur sich selbst und die eigene Ehre suchten und nicht Gott dienten; er hat ihnen vorgehalten, wie sie in fleischlichen Sinne bestimmen, was Gottes Gesetz fordere, so daß sie dasselbe in seinem tiefsten, wesentlichsten Inhalt von sich stoßen und durch ihre Satzung aufheben; er hat ihnen nachgewiesen, wie sie neben ihrer Frömmigkeit in Habsucht u. lüsterner Gier der Sünde dienen, so daß ihr Gehorsam im bloßen Wort besteht, gleichwie Paulus dem pharisäischen Juden zeigt, daß er sich zwar seiner Kenntnis des Gesetzes rühme, aber das Vollbringen desselben fehle ihm, Rö. 2, 17 ff.; 7, 7 ff. Es ist durchaus verkehrt, wenn man diese Urteile Jesu so versteht, als wären die Ph. eine Schar raffinierter Schurken gewesen. Ihre Heuchelei ist die, die der Mensch stets Gott gegenüber übt, bis er durch Gottes Geist auf sich selbst verzichten u. seiner Gnade glauben lernt. Unzähliges an unserem Kirchen- und Christentum fällt unter ganz dasselbe Urteil, das Jesus über den Pharisäismus sprach. Der innere Schaden des Pharisäismus trat in seinem Verhalten Jesu gegenüber voll ans Licht. Während die Sadduzäer ihm fern bleiben oder ihn nur mit spöttischer, aufgeblasener Überlegenheit behandeln, Mt. 22, 23 f., traten ihm die Ph. innerlich nah; denn die Reichsverheißung zog sie an und Jesu Wirken ergriff sie. Aber sie traten vor ihn als die Weisen und Gerechten, welche wissen, was Gottesdienst und Gesetzeserfüllung ist und wie der Christus in der Welt erscheinen und wirken muß. So verhalten sie sich zu ihm als seine Richter, die alle seine Worte u. Handlungen überwachen und beurteilen und von ihm fordern, daß er durch Zeichen vor ihnen sich legitimiere. Aber Jesu Heiligkeit, wie sie aus der erbarmenden Gnade des Vaters fließt, stand zu ihren fleischlichen Gerechtigkeits- u. Frömmigkeitsbegriffen und zu ihren messianischen Gedanken in einem tiefen Gegensatz. Es galt, die eigenen Gedanken und Tendenzen preiszugeben u. Jesu zu glauben. Dazu waren sie nicht imstande; in ihrem Lauf nach dem Gesetz, als wäre es aus ihrem Können und Wirken zu erfüllen, war ihnen die Willigkeit und Fähigkeit zum Glauben erstorben. Sie behaupteten sich selbst gegen Jesus und ärgerten sich an ihm. So kam er dem Pharisäismus zum Gericht, Mt. 15, 13, doch nicht so, daß nicht auch dieser ihm und seinem Reich dienstbar geworden wäre: er hat sich sein auserwähltes Werkzeug, das er zu den Heiden sandte, Paulus, aus dem Kreise der Ph. geholt, und der Durchgang durch den Pharisäismus gehört wesentlich mit zu jener innern Führung und Ausrüstung des Apostels, deren Frucht der Römerbrief geworden ist.
Ad. Schlatter.
About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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