The Future of Bible Study Is Here.
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Gerecht, Gerechtigkeit. Während das deutsche Wort „gerecht“ nur bedeutet, daß man das Recht anderer achtet und jedem sein Recht widerfahren läßt, sei’s vor Gericht, sei’s im täglichen Leben, hat das biblische mit gerecht übersetzte Wort einen viel weiteren Sinn. Es bedeutet einfach, daß (eine Sache oder) ein Mensch recht ist, so ist, wie er sein soll, unsträflich, rechtschaffen, wie denn auch Luther oft „fromm“ übersetzt (vgl. „fromm“). Das Wort wird im Hebr. sogar von leblosen Dingen in diesem Sinn gebraucht, 3 Mo. 19, 36, wo (ge-) rechte Waage, (ge-) rechte Pfunde, Scheffel und Kannen gefordert werden, d. h. also Maße, die so groß sind u. dgl. wie sie sein sollen. Ganz überwiegend aber wird das Wort von Menschen und von Gott gebraucht. 1) Von Menschen. a) Gerecht heißt derjenige, der in einem Rechtsstreit oder bei einer Anklage das Recht auf seiner Seite hat, also „der Unschuldige“. An vielen Stellen wird dem Richter eingeschärft, dem „Gerechten“ sein Recht zukommen und sich nicht durch Geschenke bestechen zu lassen, z. B. 2 Mo. 23, 8 f.; 5 Mo. 25, 1; Spr. 17, 15; 18, 5; Jes. 5, 23. Dieser Begriff spielt wenigstens mit herein, wenn Jesus, Ap. 3, 14; 7, 52 (vielleicht auch Jak. 5, 6), der Gerechte heißt, den die Juden verleugnet und verraten haben. Sache des Richters ist es, G. zu üben, dem „Gerechten“ zu seinem Recht zu helfen, wie es von David gerühmt (2 Sa. 8, 15) und von allen Königen Israels gefordert (Jer. 22, 3) und von dem großen Davidssohn verheißen wird (Jes. 9, 6; 11, 4; 32, 1, vgl. 1, 26). b) Gerecht = unsträflich, rechtschaffen vor Menschenaugen, 1 Mo. 20, 4; 2 Sa. 4, 11; 1 Kö. 2, 32; Am. 2, 6; 5, 12; daß zwischen solchen u. zwischen frechen Bösewichtern, die jene oft genug bedrücken, ein großer Unterschied sei, will die Bibel mit der Lehre, daß alle Menschen Sünder seien, keineswegs bestreiten. c) Aber selbst Gott gegenüber erkennt die Schrift dem einen Teil der Menschen eine gewisse „Gerechtigkeit“, d. h. eine gewisse Angemessenheit an seinen Willen zu im Unterschied von den „Gottlosen“, die nichts nach Gott fragen; freilich nimmt mit der sich vertiefenden Erkenntnis des Wesens und Willens Gottes auch die Erkenntnis zu, daß alle menschliche G. auf dem Grunde göttlicher Gnade ruht und doch ein unvollkommenes Stückwerk bleibt. — So nennt also die Schrift zunächst ganz einfach diejenigen Menschen „gerecht“, die sich mit ihrer Gesinnung und ihrem Leben auf den Boden der ihnen zugänglichen Offenbarung stellen. Gerade in diesem Fall übersetzt Luther meist „fromm“. Ein Noah (1 Mo. 6, 9), ein David (1 Kö. 3, 6), ein Hiob und Daniel (Hes. 14, 14) im A. T., ein Zacharias und eine Elisabeth (Lu. 1, 6), ein Joseph von Arimathia (Lu. 23, 50), ein Kornelius (Ap. 10, 22) im N. T. heißen so „gerecht“. Fürs Genauere aber müssen wir A. u. N. T. unterscheiden. Im A. T. treten namentlich in den Psalmen und Sprüchen sehr häufig die Gerechten und die Gottlosen einander gegenüber. Was die Gerechten von den Gottlosen unterscheidet, ist das aufrichtige Streben, es Gott und Menschen recht zu machen. Gesinnung und Wandel kommen dabei gleichmäßig in Betracht. So ist’s in den Schilderungen des Gerechten, Jes. 33, 15; Hes. 18, 5–9. Der Gerechte hat seine Freude am Herrn (Ps. 32, 11; 33, 1), und setzt sein Vertrauen auf ihn (Ps. 64, 10); es ist ihm eine Freude, zu tun was recht ist (Spr. 21, 15); das Gesetz Gottes ist in seinem Herzen (Ps. 37, 31); Lügen ist er feind (Spr. 13, 5); gegen den Nächsten barmherzig und mild (Ps. 37, 21); ja er erbarmet sich auch seines Viehs (Spr. 12, 10). Bestimmter als in diesen gelegentlichen Schilderungen heißt es 5 Mo. 6, 25: Es wird unsere G. sein vor dem Herrn unserem Gott, so wir tun und halten alle diese Gebote, wie er uns geboten hat. Daß es dabei mit einer äußerlichen Gesetzeserfüllung nicht getan sei, betonen alle Propheten immer aufs neue (vgl. z. B. Jes. 58, 2 u. sonst). Aber es ist nun nicht etwa die Meinung, daß diese „Gerechten“ ganz sündlos seien. Einerseits kann ein früherer Gottloser durch ernstliche Bekehrung in die Reihen der G. eintreten, Hes. 18, 21. 22, andererseits muß auch der G. für Schwachheitssünden die Gnade Gottes anrufen (vgl. Ps. 25, 7; Hi. 13, 26; 14, 4). Aber erst durch Bosheitssünden, dadurch, daß er lebt wie ein Gottloser, tritt er aus den Reihen der G. aus (Hes. 18, 24). — Was nun den Wert dieser G. betrifft, so sind allerdings im A. T. einzelne Stellen, nach denen es scheinen könnte, als ob sie für etwas Vollkommenes gelten wolle, und als ob sie den Anspruch an Gott erheben könne, daß er sie anerkennen und belohnen müsse. So z. B. Ps. 18, 21 ff.: der Herr tut wohl an mir nach meiner G.; er vergibt mir nach der Reinigkeit meiner Hände usw. (vgl. Ps. 7, 9; 35, 24 u. a.). Allein wenn auch für ein christlich vertieftes Sündenbewußtsein diese Ausdrücke zu stark sind, so sind sie doch auch nicht im Sinne anmaßender Selbstgerechtigkeit zu verstehen, sondern sie wollen nur bezeugen, daß der Psalmist sich teils seinen gottlosen Feinden gegenüber entschieden im Recht weiß, teils, daß er sich eines aufrichtigen Strebens bewußt ist, Gottes Willen zu tun. In diesem Sinne spricht sich eine überwiegende Mehrzahl von Stellen schon im A. T. mit unmißverständlicher Klarheit aus. Wenn z. B. Hiob anfangs auch diesen Standpunkt, daß er völlig gerecht sei, mit großer Entschiedenheit und mit scheinbarem Recht verteidigt (s. z. B. 27, 6; 29, 14; Kap. 31), so muß er sich nicht bloß von den Freunden verhalten lassen, daß ein Mensch nicht g. sein mag vor Gott (4, 17; 15, 14; 25, 4), sondern er muß zuletzt auch selbst bekennen, daß er unweislich geredet habe (42, 3). Pre. 7, 20 heißt es: es ist kein Mensch so g. auf Erden, daß er Gutes tue und nicht sündige. Jesaja bekennt: alle unsere G. ist wie ein unflätig Kleid (64, 5). Daniel betet: wir liegen vor dir mit unserem Gebet, nicht auf unsere G., sondern auf deine große Barmherzigkeit (9, 18). Selbst ein Abraham galt nicht deswegen vor Gott für g., weil er nie gefehlt hätte, sondern sein Glaube wurde ihm zur G. gerechnet (1 Mo. 15, 6). So bezeugt auch Habakuk: der Gerechte lebt durch den Glauben (2, 4). Aus diesen Stellen geht klar hervor, daß es Gnade von Gott ist, wenn er die unvollkommene G., die sein Volk ihm darbringt, als G. gelten läßt. Und wenn so oft Leben und alles Gute als Frucht der G. erhofft wird (namentlich in den Sprüchen), so wird das doch nicht eigentlich als Lohn gefordert, sondern als Gnadengabe erbeten (s. z. B. Ps. 26, 11, vgl. V. 1). Ja manche Prophetenstellen bezeichnen die G. selbst als ein Geschenk, das von Gott seinem Volk zukommt, Jes. 45, 24 f.: Im Herrn habe ich G.…; im Herrn wird g. aller Same Israels, vgl. V. 8. Jes. 58, 8: deine G. wird vor dir hergehen; 62, 1: ihre G. geht auf wie ein Glanz. Jer. 23, 6, der Name des verheißenen Davidssohns: „Jahveh ist unsere G.“ Hos. 10, 12: bis daß er komme und regne über euch G. Wenn in all diesen Stellen die Zuerkennung dieser G. als eine Weissagung für die messianische Zeit auftritt, so ist zwar einerseits vorausgesetzt, daß ein wirklicher sittlicher Aufschwung des Volks vorangehe, andererseits aber doch betont, daß die Hauptsache eine neue Gnadenoffenbarung Gottes ist. Und in der Stelle Jes. 53, 11 wird vollends ein Blick in das innerste Geheimnis dieser neuen Gnadenoffenbarung und G. eröffnet, wenn es heißt: er, mein Knecht, der Gerechte, wird viele g. machen, denn Er trägt ihre Sünden. — Als Jesus erschien, war von dieser tiefen prophetischen Erkenntnis nichts mehr im Volk Israel vorhanden: die Pharisäer hatten die Aufgabe der G. ganz veräußerlicht und zugleich ihre Lösung ganz der menschlichen Kraft zugemutet. Der Messias, das war pharisäische Anschauung, werde nicht kommen, bis sein Volk die G. einer vollkommenen Gesetzeserfüllung sich erworben. Daher mußte Jesus vor allem diese pharisäische Gerechtigkeitslehre bekämpfen, und zwar in doppelter Hinsicht. Er mußte der pharisäischen Veräußerlichung entgegentreten, Mt. 5, 20: Es sei denn eure G. besser, denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen. Die Bergpredigt (Mt. 5, 21 ff.; 6, 1–18), die Verhandlungen über Menschensatzungen und Gottesgebote (Mt. 15), endlich die Weherufe über die Schriftgelehrten und Pharisäer (Mt. 23) sind Zeugnisse dafür, wie Jesus Reinheit und Aufrichtigkeit der Gesinnung und vollkommene Selbstlosigkeit als Forderungen der wahren G. aufstellte. Aber Jesus hatte auch den Wahn zu bekämpfen, daß die G. Sache menschlicher Kraft sei. Daher pries er in der Bergpredigt diejenigen selig, die da hungert und dürstet nach der G., und verhieß ihnen, daß sie satt werden sollen im Himmelreich (Mt. 5, 6, vgl. 6, 33: Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner [Gottes] G.); daher gesellte er sich zu Zöllnern und Sündern und teilte Vergebung der Sünden unter ihnen aus (Mt. 9, 2. 11–13; Lu. 7, 48); daher zeigte er im Gleichnis vom verlorenen Sohn vollends klar und deutlich, daß für uns Menschen, wie wir sind, die Zugehörigkeit zu den „Gerechten“ ein unverdientes Geschenk der göttlichen Gnade ist und nicht ein Verdienst selbstbewußter menschlicher Leistung (Lu. 15, 11–32). Jesus hat allerdings über diesen zweiten Punkt weniger mit den Pharisäern gestritten, als über den ersten, weil sein Verständnis eben jenes Hungern und Dürsten nach G. voraussetzt, das den Pharisäern völlig abging. Aber man kann ihn darum doch unmöglich übersehen. Erst inmitten der Christengemeinde, die sich der neugeschenkten G. erfreute, hat Paulus es lehrhaft entwickelt, was für ein großer Unterschied sei zwischen dem neuen Weg, vor Gott g. zu werden, und dem alten Weg, auf dem der natürliche Mensch, er sei Jude oder Heide, dieses Ziel zu erreichen sucht. Gerecht sind wir alle, die wir an Christum glauben, wir gehören nicht mehr zu den Gottlosen, auf denen der Zorn Gottes ruht — das ist die Grundvoraussetzung der paulinischen Lehre (vgl. Rö. 1, 17. 18; 5, 6–9). Aber wir sind’s nicht durch eigenes Verdienst geworden; das ist schon daraus klar, weil überhaupt eine tiefer eindringende Betrachtung zeigt, daß weder Jude noch Heide, überhaupt kein Fleisch je durch Gesetzes Werke, d. h. durch aus eigener Kraft gewirkte Erfüllung des göttlichen Willens vor Gott g. worden ist (Rö. 1, 19 bis 3, 20). Damit wird nicht etwa, was wir im A. T. über den Unterschied von Gerechten und Gottlosen gefunden haben, für falsch erklärt, sondern es wird nur der den alttestamentlichen Frommen teilweise selbst noch nicht ganz klar bewußte Entstehungsgrund ihrer G. aufgedeckt: es war Gnadengerechtigkeit, nicht Werkgerechtigkeit (Rö. 4, 1–8). Gnadengerechtigkeit ist es also vollends, welche die Christen besitzen: Rö. 3, 24, sie werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade. Aber diese Gnadengerechtigkeit besteht nun nach neutestamentl. Lehre nicht darin, daß Gott die unvollkommene menschliche G. nachsichtigerweise für voll ansieht (wie es teilweise im A. T. scheinen konnte), sondern Gott „bietet die G., die vor ihm gilt, dar in dem, daß er Sünde vergibt“ (Rö. 3, 25) auf Grund der durch Christum geschehenen Erlösung. Sündenvergebung ist der Mittelpunkt der neutestamentlichen Gnadengerechtigkeit. Was den Christen, von der geschenkten G. abgesehen, vom Gottlosen unterscheidet, sind nicht seine, ja doch unvollkommenen guten Werke, sondern nur der Glaube an Jesum Christum, der ohne weitere Ansprüche die Gnade als Gnade ergreift (Rö. 4, 5). Daher ist die Gnadengerechtigkeit der Christen zugleich Glaubensgerechtigkeit u. schließt alle Beteiligung der Werke an unserem Gerechtigkeitsstand aus (Rö. 3, 28, vgl. 1, 17. Weiteres s. Glauben). Diese Gerechtigkeitslehre, die das Gewissen ebenso weckt wie tröstet, hat freilich schon zu Paulus Zeiten den Vorwurf auf sich geladen, daß sie die Sünde befördere. Aber Paulus hat auch schon diesen Vorwurf widerlegt und gezeigt, daß auf dem Grund dieser geschenkten Glaubensgerechtigkeit eine Lebensgerechtigkeit im Christen erwachse, „daß der Glaube durch die Liebe tätig sei“ (Ga. 5, 6, vgl. Eph. 4, 24; Phi. 1, 11). Denn der Glaubige ergibt sich so ganz Christo, daß er ein Knecht der G. wird (Rö. 6) und, vom Geist Christi erfaßt, die G., die das Gesetz fordert, erfüllt (Rö. 8, 4). Tun wir’s aber im Geist Christi, so ist keine Gefahr, daß wir in jene pharisäische Äußerlichkeit und Oberflächlichkeit zurückfallen, die Christus bekämpfen mußte: aus der Glaubensgerechtigkeit erwächst eine Geistesgerechtigkeit (Rö. 14, 17). Doch können alle Fortschritte in der Lebensgerechtigkeit nichts hinzufügen zu der Freudigkeit, die der Christ auf Grund der Gnadengerechtigkeit für Gegenwart und Zukunft besitzt (Rö. 5, 1. 2). In keiner andern Schrift des N. T.s ist das Wesen der christl. G. so scharf und tief erfaßt, wie bei Paulus; aber darin stimmen doch alle Verfasser zusammen: 1) daß die Christen Gerechte sind und sich wesentlich unterscheiden von der gottlosen Welt (vgl. z. B. 1 Pe. 4, 18; Jak. 5, 16); 2) daß ihre G. ein Gnadengeschenk Gottes ist. Dies wird auch im Jakobusbrief nicht bestritten, der allerdings 2, 14 ff. insofern auf den Standpunkt der alttestamentl. Weissagung zurückkehrt, als er lehrt, Gottes Rechtfertigungsgnade nehme des Menschen gute Werke, obgleich sie ja nicht vollkommen sind (3, 2), als zureichend an. Daß die sündenvergebende Gnade Gottes den Menschen soweit bringen kann, auch seine eigene G. um Christi willen für Schaden zu achten (Phi. 3, 7), nur um nicht irgendwie von eigenem Werk die Hoffnung der Seligkeit abhängig zu wissen, diese Wahrheit war dem Jakobus nach seiner Lebensführung noch nicht aufgegangen. Und darum erblickt er auch in dem Ausdruck: „der Mensch werde g. allein durch den Glauben,“ eine Gefahr für die sittliche Tatkraft des Christen —, es mochten ihm Beispiele vor Augen liegen, die diese Befürchtung zu rechtfertigen schienen (2, 15. 16); auch Paulus kannte solche Beispiele (Rö. 6, 1). Wir als evangelische Christen werden uns zwar immer an Paulus halten in der Frage, wie wir vor Gott g. werden, aber Jakobus wird uns eine beständige Warnung sein, die Glaubensgerechtigkeit nicht als Trägheitspolster zu mißbrauchen. In einigen Stellen des N. T.s wird G. nicht in dem Sinn allgemeiner Rechtbeschaffenheit gebraucht, sondern als einzelne Tugend neben andern; so Eph. 5, 9; 6, 14; 1 Tim. 6, 11; 2 Tim. 2, 22; da bezeichnet es das rechtliche Verhalten gegen den Nebenmenschen, das niemand unrecht tun will. — 2) Von Gott. Auch bei Gott bezeichnet „gerecht“, daß sein ganzes Wesen und all sein Tun ist wie es sein soll, wie man’s mit Recht von ihm erwartet. Das ist freilich menschlich geredet, weil ja niemand über Gott ist, der ihm vorschreiben könnte, wie er sein soll, oder dem er Rechenschaft darüber geben müßte. Aber Gott selbst läßt sich dazu herab, sein Tun und Lassen einer solchen Prüfung vor Menschenaugen zu unterwerfen, um zu beweisen, daß niemand sich mit Recht über ihn beklagen könne (Hi. 8, 3; Jer. 2, 5; Ps. 51, 6). „Gerecht und fromm ist er“ heißt es 5 Mo. 32, 4, und Ze. 3, 5 wird dies erklärt mit den Worten: der Herr ist g. und tut kein Arges, vgl. Ps. 145, 17: der Herr ist g. in allen seinen Wegen. In dieser vollkommenen G. ist Gott Vorbild seiner Kinder (1 Joh. 2, 29; 3, 7); während freilich die Welt ihn in derselben gar nicht kennen lernt (Joh. 17, 25). Doch ist es, wie schon die bisherigen Stellen zeigen, nicht sowohl das innere Wesen Gottes, das noch am wenigsten einer menschlichen Prüfung sich unterwerfen kann, als vielmehr sein Walten auf Erden, dem „Gerechtigkeit“ zugeschrieben wird. G. ist die Eigenschaft, die sein königliches Wirken ziert; daher heißt es Ps. 89, 15 und 97, 2: G. und Gericht ist seines Stuhles (= Thrones) Festung (= unerschütterliche Grundlage); daher wird für den irdischen König Ps. 72, 1 erfleht: Gott, gib deine G. des Königs Sohne, daß er dein Volk richte mit Gerechtigkeit. Aber dieses Richten schließt schon beim irdischen König, noch mehr bei Gott nach biblischen Begriffen viel mehr in sich, als wir gewöhnlich bei diesem Wort denken, nämlich nicht bloß die Bestrafung der Gesetzesübertreter, sondern in erster Linie die treue Fürsorge des Königs für das Wohl seines Reiches, in zweiter Linie gehört es allerdings auch zu seiner Regentenpslicht, wenn Gott teils unwürdige Glieder seines Reiches ausrottet, teils äußere Feinde desselben bekämpft. Falsch ist es also, die G. so von der Gnade zu unterscheiden, als ob jene nur zur Haushaltung des Gesetzes, diese nur zur Haushaltung des Evangeliums gehörte; als ob während der „Gnadenzeit“ Gottes G. sich zurückziehen müßte, um erst am Endgericht wieder hervorzutreten. Gerechtigkeit und Gnade sind vielmehr nur so zu unterscheiden, daß dieselbe Tat Gottes der göttlichen G. zugeschrieben wird, wenn man darauf aufmerksam machen will, daß man es mit Rücksicht auf Gottes Regentenehre gar nicht anders von ihm erwarten konnte; dagegen seiner Gnade wird dieselbe Tat zugeschrieben, wenn man betonen will, daß man sie mit Rücksicht auf die menschliche Unvollkommenheit und Sünde in keiner Weise erwarten oder beanspruchen konnte. Daher werden wirklich in der Bibel ganz dieselben Dinge bald der G., bald der Gnade Gottes zugeschrieben, wenn auch im N. T. Gnade häufiger als G. erwähnt wird. Gehen wir’s nun im einzelnen durch, wie Gott als König seines Reiches G. übt. Im A. T. stehen noch die äußerlichen Beweise seiner Fürsorge voran; insbesondere wird oft Gottes G. von solchen gepriesen, die er von gottlosen Bedrängern errettet hat (z. B. Ps. 7, 17; 22, 32; 36, 11; 40, 10. 11, vgl. 14 ff. u. oft), denen er zu ihrem Recht verholfen hat (Ps. 35, 24. 28; 103, 6). Ebenso soll ganz Israel von der G. seines Regimentes erzählen (Ri. 5, 11; 1 Sa. 12, 7; Luther: alle Wohltat des Herrn; Mi. 6, 5, Grundtext: daran ihr erkennen solltet die Gerechtigkeiten Gottes; Luther: „wie der Herr euch alles Gute getan hat“, vgl. Ps. 89, 17); dieser G. unterliegen Israels Feinde; Mi. 7, 9, er wird mich ans Licht bringen, daß ich meine Lust an seiner G. (Luther: Gnade) sehe, nämlich wie er meine Feindin zu Schanden macht; Jes. 41, 10: ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner G. (vgl. den folgenden Vers); 51, 5: meine G. ist nahe, und meine Arme werden die Völker richten. Und auch die Feinde in Israels Mitte werden durch die göttl. G. hingerafft: Jes. 5, 15 f., daß die Augen der Hoffärtigen gedemütigt werden und Gott geheiligt werde in G., 10, 22, vgl. auch 28, 17; 1, 27. Umfassender aber und innerlicher wird das Werk der G. beschrieben Hos. 2, 21: ich will mich mit dir vertrauen in G. und Gericht. Jes. 42, 6: ich habe dir gerufen mit G. — wonach die ganze Erwählung Israels und ihre Neubestätigung in der messianischen Zeit ein Ausfluß seiner „Gerechtigkeit“, seiner göttlichen Regententugend ist. So sind denn auch seine Gesetze, die er Israel gab, „Rechte der G.“, ein Wort seiner G. (Ps. 119, 62. 123). Ja diese G. steigt gleichsam vom Himmel herab als eine alles ordnende und segnende Macht, Ps. 85, 12, vgl. V. 11; Jes. 45, 8: Träufelt ihr Himmel von oben und die Wolken regnen G.! Von hier aus ist es nun auch zu verstehen, wenn es im N. T. heißt, daß im Evangelium sich die „Gerechtigkeit Gottes“ offenbart (Rö. 1, 17; 3, 21. 22. Luther: die G., die vor Gott gilt, was nur dem Sinn nach richtig ist). Im Evangelium hat die „königliche Fürsorge“ Gottes für sein Volk sein richterliches, freisprechendes, rechtfertigendes Walten den Höhepunkt erreicht, indem er in Christo Jesu Sündenvergebung anbietet, und damit den Gläubigen aufnimmt als vollberechtigtes Glied seines Reiches, als einen der „Gerechten“ („auf daß er g. sei und g. mache den, der da ist des Glaubens an Jesum“, Rö. 3, 24–26). Hier wird also das, was wir oben bei Besprechung der menschlichen G. als die geschenkte Gnadengerechtigkeit kennen lernten, auch auf seiten Gottes nicht seiner Gnade, sondern seiner G. zugeschrieben. Und dasselbe sagt Johannes mit klaren Worten in seinem ersten Brief (1, 9): So wir unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, daß er uns die Sünden vergibt. Es gibt nun aber neben den bisher besprochenen noch eine Anzahl Stellen, in welchen Gottes G. nicht auf sein königl. Walten zum Wohl seines Reiches bezogen ist, sondern auf sein Weltrichteramt und da die gerechte Vergeltung bedeutet, die er als Weltrichter ausübt. So, wenn Pharao 2 Mo. 9, 27 sagt: ich habe diesmal mich versündigt, der Herr ist g.! oder 2 Chr. 12, 6; Esra 9, 15; Ne. 9, 33; Klagel. 1, 18; Da. 9, 14, — lauter Stellen, in welchen solche, die von Gottes Gerichten getroffen wurden, anerkennen, daß dieselben eine gerechte Vergeltung ihrer Sünden gewesen seien. Vgl. ferner Rö. 1, 32; 2, 5 f.; 2 Tim. 4, 8; 1 Pe. 2, 23; Off. 16, 5. 7 — Stellen, in welchen vom Endgericht die Rede ist, und die gerechte Vergeltung nicht bloß auf die Strafen, sondern auch auf die Belohnungen, die Gott austeilt, bezogen ist.
Th. Hermann.
About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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