The Future of Bible Study Is Here.

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Endlich fand er noch Gelegenheit, den dem Sadduzäismus eigenen frivolen Zug mit heiligem Ernst zu züchtigen in dem Gespräch über die Auferstehung (Mark. 12, 18ff). So hat Jesus alle ungöttlichen Richtungen und Mächte in seinem Volk bekämpft und innerlich überwunden, ehe er ihrem gemeinsamen Ansturm zum Opfer fiel. Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf (Joh. 1, 11) — dies ist der Eindruck, den das Bisherige auf uns macht; aber es fehlt auch die Kehrseite davon nicht: welche ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden (Joh. 1, 12). Die Worte Jesu hatten zeitweise auf manche die Wirkung, dass sie ihn tagelang auf seinen Wanderungen begleiteten (zum Beispiel Matth. 15, 32), um recht viel von ihm zu hören. Andere trieb die Anhänglichkeit und Dankbarkeit, ihm längere Zeit zu folgen und ihm Dienste zu erweisen, so namentlich einige Frauen (Luk. 8, 1–3). Von vielen einzelnen, die Jesus bei irgend einem Zusammentreffen zu seinen Anhängern („Jüngern“ im weiteren Sinn) gewonnen, erfahren wir in den Evangelien wenig (Joh. 3, 1ff; Joh. 19, 38f; Matth. 26, 18; Matth. 21, 3). Dagegen erzählen sie uns viel von einem engeren Kreis von Jüngern, die Jesus in seine ständige Nachfolge berufen hat (vergleiche „Apostel“). Er folgte damit dem Beispiel des Johannes wie schon der alten Propheten.
Die Erzählung der Synoptiker, dass er einzelne von ihnen durch sein Wort „Folge mir nach!“ mitten aus ihrem Beruf und ihrer Familie herausgerufen hat (Mark. 1, 16–20), findet ihre wünschenswerte Ergänzung durch den Bericht des Johannes, wonach er dieselben schon vor früher her kannte (Joh. 1, 40ff). Die feste Ausscheidung der Zwölf erfolgt erst, nachdem die einzelnen schon einige Zeit in seiner Nachfolge gewesen waren — zu einer Zeit, wo zwar der Zudrang des Volks sehr groß war, aber auch die Feindschaft der Pharisäer schon einen hohen Grad erreicht hatte (Mark. 3, 13f).
Gewiss war dabei die Absicht Jesu nicht bloß, sich Mitarbeiter für die große Ernte zu gewinnen (Matth. 9, 37; Matth. 10, 1 s. o.), sondern zugleich, gegenüber von kommenden Schwankungen der Volksgunst einen festen Kern von Getreuen sich zu schaffen, den Grundstock eines neuen Israels (daher die Zwölfzahl). Beide Zwecke aber machten es nötig, dass sie immer um ihn waren (Mark. 3, 14).
Viele wichtige Reden sind speziell an den Jüngerkreis gerichtet; so wohl die Bergpredigt in ihrer ursprünglichen Gestalt (bei Matthäus ist sie erweitert, bei Lukas ist sie verkürzt), manche Gleichnisse, von anderen jedenfalls die Deutung (Mark. 4, 10ff). Besonders aber scheint er gegen das Ende seiner galiläischen Zeit, als die Volksmassen von ihm abgefallen waren, sich der Unterweisung der Jünger gewidmet zu haben (Matth. 16–18). Einmal hat er sie auch je 2 und 2 ausgesandt als seine Gehilfen, um das Evangelium zu predigen (Mark. 6, 7ff).
Von einer ähnlichen Aussendung von 70 Jüngern erzählt Luk. 10, 1; übrigens handelte es sich hierbei nicht um eine selbständige Predigt, sondern um eine Vorbereitung seines eigenen Kommens.
Schwierig ist die Frage zu beantworten, wann die Jünger zur Erkenntnis kamen, dass Jesus der Messias sei. Nach dem Markusevangelium gewinnt es den Anschein, als ob erst die Frage Jesu: „Wer sagen die Leute, dass ich sei?“ und die andere: „Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei?“ (Mark. 8, 27.Mark. 8, 29) in Petrus die Erkenntnis geweckt habe: „Du bist Christus.“ Dagegen erzählt Johannes, dass schon die ersten von Johannes dem Täufer zu Jesus übergetretenen Jünger in ihm den Messias erkannt haben (Joh. 1, 41. Joh. 1, 45. Joh. 1, 49). Nimmt man alles zusammen, so ist das Wahrscheinlichste, dass die Jünger allerdings schon anfangs hofften, in Jesus den Messias gefunden zu haben, dass sein auch gegen sie zurückhaltendes Verfahren und der ihren Erwartungen ganz entgegengesetzte Verlauf seines Auftretens sie wieder bedenklich und zweifelhaft machte, wie ja auch Johannes der Täufer an ihm irre zu werden in Gefahr kam.
Das Bekenntnis des Petrus, von dem auch Johannes erzählt (Joh. 6, 69), war dann der gerade angesichts des Abfalls anderer errungene Sieg der alten Hoffnung, Jesus sei doch der Messias. Zugleich muss das Messiasbild selbst in den Jüngern eine allmähliche Wandlung erfahren haben: sahen sie anfangs in Jesus den, der zur rechten Stunde von Gott zum Messias erhoben werden würde, so erkannten sie später, völlig freilich erst nach seiner Auferstehung, dass er in seiner Niedrigkeit schon der Messias gewesen sei. An jenen falschen, irdischen Messiashoffnungen seiner Jünger hatte Jesus mannigfach zu tragen; damit hing auch ihr ehrgeiziges Streiten, wer der Größte sei, zusammen (Mark. 9, 34; Mark. 10, 35ff). Aber trotz ihrer Schwächen, trotz ihres Verzagens in den Stunden der Anfechtung, waren sie doch die reife Frucht des Wirkens Christi, der rechte Felsgrund für die Aufrichtung seiner Kirche. —
6) Jesus in den Händen seiner Feinde und am Kreuz.
Lange schon hatte der Hass seiner Feinde Mordpläne gegen ihn geschmiedet. Die Pharisäer hatten sich mit Herodianern — sonst nicht ihren Freunden — beredet, was darauf hindeutet, dass sie schon an politische Verdächtigungen dachten (Mark. 3, 6, vergleiche Mark. 8, 15; Mark. 12, 13). Ein andermal wollte Herodes die Pharisäer benutzen, Jesus, der ihm unheimlich war, zum Verlassen seines Gebiets zu bewegen (Luk. 13, 31ff). In Nazareth drohte ein Auflauf des durch seine Worte erregten Volks ihm den Tod zu bringen (Luk. 4, 28f). Ebenso erzählt Johannes von verschiedenen Todesdrohungen und Anschlägen wider Jesus in Jerusalem (Joh. 5, 16. Joh. 5, 18; Joh. 7, 1. Joh. 7, 25. Joh. 7, 30. Joh. 7, 32; Joh. 8, 59; Joh. 10, 31. Joh. 10, 39). Neben den einfach vom Volk ausgehenden Angriffen sind es hier die „Hohepriester und Pharisäer“, das heißt das Synedrium (Joh. 11, 47 Grundtext) die zweimal einen förmlichen Verhaftungsbefehl erlassen (Joh. 7, 32; Joh. 11, 57). Aber all diese früheren Pläne hatten nicht zum Ziel geführt, teils weil Jesus zu hoch stand in der Volksgunst, teils weil er selbst auswich, im Bewusstsein, dass seine Stunde noch nicht gekommen sei.
Dass aber diese Stunde kommen werde, hat Jesus klar vorausgesehen und deutlich vorausgesagt. Von anderen noch dunkel andeutenden Worten abgesehen, erzählen die Evangelien namentlich von einer dreimaligen Verkündigung seines Leidens und Sterbens im Angesicht seiner letzten Reise nach Jerusalem (Mark. 8, 31; Mark. 9, 31; Mark. 10, 33f). Nach einer Andeutung bei Luk. 9, 31 hat die Verklärung dem Herrn die letzte Gewissheit über dieses ihm bevorstehende Ende gebracht.
Der feierliche Einzug Jesu in Jerusalem, verbunden mit dem Aufsehen, das schon die Auferweckung des Lazarus gemacht hatte (Joh. 11, 47–53) und das die Tempelreinigung machte (falls sie wirklich hierher gehört — siehe oben 5a — Mark. 11, 18), dazu die immer schärferen Angriffe Jesu (Mark. 12, 12. Mark. 12, 38ff) trieben endlich das Synedrium zum Handeln. Denn nun war nur noch die Wahl, ihn als den rechten Messias anzuerkennen oder als falschen Messias zu verurteilen. Das Anerbieten des Judas (siehe diesen Artikel) beseitigte die Bedenken, die einer öffentlichen Verhaftung am Fest entgegenstanden (Mark. 14, 10. Mark. 14, 11).
Eine rätselhafte Ungewissheit schwebt über den Tag der Gefangennahme und der Kreuzigung Jesu. Dem Wochentag nach war es jedenfalls ein Donnerstag, an dem Jesus gefangen genommen wurde, denn am Samstag, am Sabbat, ruhte er im Grab (Mark. 15, 42; Mark. 16, 1; Joh. 19, 31; Joh. 20, 1), am Freitag hing er am Kreuz. Dagegen erzählen die Synoptiker, dass Jesus an diesem Donnerstagabend das Passahlamm noch gegessen habe (Mark. 14, 12), während nach Johannes am Freitag die Juden sich scheuen, das Haus des Pilatus zu betreten, um sich nicht für das bevorstehende Essen des Passah zu verunreinigen (Joh. 18, 28). Nach jenem wäre der Freitag, nach diesen der Samstag der 15. Nisan gewesen, an dessen Vorabend man das Passahlamm genoss. Die wahrscheinlichste Lösung ist die, dass Jesus, einer vielleicht auch sonst vorkommenden Sitte sich anschließend, schon am Vorabend des 14. Nisan das Passahlamm genoss. Dafür spricht die auch bei den Synoptikern sich findende Bezeichnung des Todestages Jesu mit „der Rüsttag“ (Mark. 15, 42, vergleiche Joh. 19, 14. Joh. 19, 31), ein Ausdruck, der sich wahrscheinlich nicht bloß auf den folgenden Sabbat, sondern auf den damit zusammenfallenden ersten Tag des Osterfestes bezieht.
— Jesus war über das Bevorstehende sich völlig klar. Das letzte Passahmahl mit seinen Jüngern verklärte er durch Einsetzung des Abendmahls zu einer Feier seines Opfertodes (siehe Abendmahl). Dass er nicht bloß dem Hass der Feinde und der Macht der Finsternis erliege (Luk. 22, 53), hatte Jesus schon öfter ausgesprochen; es musste so gehen, damit die Schrift erfüllt würde (Mark. 14, 49). Ja er hatte in einem denkwürdigen Wort es bezeugt, dass es zu seinem göttlichen Berufe gehöre, wie er sein ganzes Leben dem Dienst der Menschheit gewidmet hatte, so es auch in den Tod hinzugeben als Lösegeld für die Seinen (Mark. 10, 45, vergleiche Joh. 10, 17f). In Gethsemane erkämpfte sich Jesus in heißem Ringen zum letzten Mal die Gewissheit, dass es seines Vaters Wille von ihm verlange, diesen Kelch zu trinken (Mark. 14, 32ff). Er hatte wie die Tage vorher den Rückweg nach Bethanien angetreten, und Gethsemane war auf diesen Gängen öfter schon eine Station gewesen, wo er sich noch mit den Jüngern aufhielt (Joh. 18, 1. Joh. 18, 2, vergleiche Luk. 21, 37); daher konnte Judas sicher vermuten, ihn auch diesmal hier zu treffen, und die Stille des Orts bot die beste Gelegenheit zur Vermeidung alles Aussehens.
Judas hatte eine zusammengeraffte Mannschaft, aus Knechten seiner Auftraggeber bestehend, zur Verfügung (Mark. 14, 43). Wenn nach Johannes auch eine römische Kohorte (Luther: „Schar“) mit einem Chiliarchen an der Spitze ausgerückt war (Joh. 18, 3. Joh. 18, 12), so geschah dies vielleicht, weil die von der Verhaftung in Kenntnis gesetzte römische Behörde einen doch etwa drohenden Aufstand im Keim ersticken wollte. Jesus, in dessen Leidenskelch der Verrat des Judas und die nachfolgende Verleugnung des Petrus die bittersten Tropfen waren, wurde zuerst (nach Johannes) zu dem nicht mehr im Amt stehenden Hohenpriester Hannas geführt; derselbe war immer noch eine einflussreiche Persönlichkeit. Das hier über Jesu Jünger und Lehre stattfindende Verhör war nur ein Privatverhör, bot aber schon ein Vorspiel der Rohheiten, die den ganzen Prozess Jesu begleiten (Joh. 18, 13f Joh. 18, 19–23).
Noch mitten in der Nacht wurde aber Jesus zu dem Hohenpriester Kaiphas geführt, der den Hohen Rat (das Synedrium) zusammenberufen hatte (Joh. 18, 24; Mark. 14, 53). Dies war die entscheidende gerichtliche Verhandlung. Wenn hier nicht sogleich die Messiasfrage in den Vordergrund gestellt wurde, so geschah dies sicher aus Rücksicht auf das Volk, dem man gerne schlagende Beweise vorhalten wollte, dass der angebliche Messias ein Gesetzesübertreter und Tempelverächter sei (Mark. 14, 55–59). Erst als ein Zeugenbeweis in dieser Richtung nicht gelingen wollte, ließ es Kaiphas darauf ankommen, ob Jesus sich feierlich zu seinem Messiastum bekenne.
Jesus tat es — das einzige Mal, dass er vor diesem Gerichtshof den Mund öffnete — und fügte noch feierlich die Erklärung hinzu, dass er einst in Herrlichkeit erscheinen werde, gemäß der Danielweissagung, um seinen Richtern jeden Grund zu nehmen, sich an seiner jetzigen Niedrigkeit zu stoßen. Allein dem alles abschneidenden Ausruf des Hohenpriesters: dieses Bekenntnis sei eine Gotteslästerung, wagte niemand zu widersprechen, und eilends wurde das Todesurteil gefällt, entgegen der wohl damals schon gültigen Regel, ein solches immer erst am Tag nach der Verhandlung auszusprechen. Wie hoch aber bei vielen Mitgliedern des Hohen Rats der Fanatismus gestiegen war, zeigt die Tatsache, dass sie eigenhändig an den nun folgenden Misshandlungen Jesu sich beteiligten (Mark. 14, 60–65).
Die römische Oberherrschaft verlangte aber für sich die Bestätigung jedes Todesurteils, und so wurde Jesus in der Frühe des Freitags vor den römischen Prokurator geführt. Dieser wollte aber das Todesurteil nicht ungeprüft bestätigen (Joh. 18, 29ff). Und weil die Ankläger hier mit der rein religiösen Beschuldigung der Gotteslästerung nicht durchzudringen hofften, so stellten sie die politische Gefährlichkeit des vorgeblichen Messias in den Vordergrund (Luk. 23, 1. Luk. 23, 2; Mark. 15, 2f; Joh. 18, 33). Aber Jesu Reden (Joh. 18, 34–38) und Schweigen (Mark. 15, 4f) machte auf Pilatus den entschiedenen Eindruck der Unschuld, jedenfalls der Ungefährlichkeit. Da Pilatus (siehe diesen Artikel) aber Ursache hatte, sich mit den jüdischen Behörden nicht unnötig zu entzweien, so suchte er auf Hinterwegen um eine offene Entscheidung herumzukommen.
Ein zufällig hingeworfenes Wort der Ankläger brachte ihn auf den Gedanken, den Galiläer Jesus dem gerade in Jerusalem anwesenden Herodes (Antipas) als seinem Landesherrn zu überschicken. Aber bald kam Jesus zurück, zum Spott in ein weißes Kleid gesteckt, wie einer, der sich um ein wichtiges Amt bewirbt (Luk. 23, 6–12). Als dies misslungen war, wollte Pilatus die Sitte, zu Passahfesten einen Gefangenen loszugeben, benutzen und hoffte, die Wahl zwischen Barrabas und Jesus könne nicht zweifelhaft sein. Aber hier griff nun das Volk in verhängnisvoller Weise in den Gang des Prozesses ein. Merkwürdig bleibt es, wie dieses noch eben erst von dem Hohen Rat selbst wegen seiner Anhänglichkeit an Jesus gefürchtete Volk plötzlich zu solchem Fanatismus gegen ihn aufgestachelt werden konnte — ein Beweis, was der vereinigte Einfluss der Priester und der Pharisäer auf das Volk vermochte, zugleich aber auch, wie richtig Jesus schon längst über dieses wetterwendische Volk geurteilt hatte (Mark. 15, 6–14; Joh. 18, 39. Joh. 18, 40). Bezeichnend für Pilatus ist es, dass er nach all diesem von der halben Maßregel der Geißelung noch Erfolg hoffte (Joh. 19, 1–6, vergleiche Mark. 15, 15–19; Luk. 23, 16); ebenso, dass, als er Jesus endlich doch losgehen wollte, das Wort entschied: „Lässt diesen los, so bist du des Kaisers Freund nicht“ (Joh. 19, 12). So ging Jesu Wort in Erfüllung: sie werden ihn überantworten den Heiden, die werden ihn verspotten und geißeln und anspeien und töten (Mark. 10, 33f).
Die Kreuzigung Jesu nahm um 9 Uhr morgens ihren Anfang (Mark. 15, 25 — danach ist die Angabe Joh. 19, 14 zu berichtigen). Zu den Qualen dieser Todesart (siehe Kreuz) gesellte sich der Spott, und schwerer als beides die Anfechtung des Gedankens, dass Gott ihn verlassen habe und die Macht der Finsternis triumphiere (das heißt nicht über seine Seele, sondern über sein Werk, Mark. 15, 20–36). Aber wie in dem ersten der „sieben Worte“ — die Reihenfolge lässt sich übrigens nur durch Vermutungen herstellen — schon seine vergebende Liebe sich zeigte (Luk. 23, 34), so seine seelenrettende Liebe im zweiten (Luk. 23, 43), seine fürsorgende Liebe im dritten (Joh. 19, 26f), bis endlich im sechsten Worte (Joh. 19, 30) die welterlösende Liebe über alle Qual und Anfechtung triumphiert und im siebten der Friede Gottes die hinscheidende Seele umfängt (Luk. 23, 46).
Zeugnisse seines Triumphes umgaben das Kreuz des Vollendeten: das Bekenntnis des römischen Hauptmanns (Mark. 15, 39) und die kühn sich hervorwagende Liebe eines Joseph von Arimathia und eines Nikodemus (Mark. 15, 42ff; Joh. 19, 38ff), dazu allerlei Zeichen in der Natur (Matth. 27, 51ff); die vorher so lärmende Menge ging mit geschlagenem Gewissen nach Hause (Luk. 23, 48). Der Leichnam Jesu fand in Josephs Garten sein Grab (Matth. 27, 60; Joh. 19, 41), und keine vom Argwohn der Juden aufgestellte Wache konnte es hindern, dass er am dritten Tag wahrhaftig auferstand vom Tod (Matth. 27, 62–66; Matth. 28, 1ff; Mark. 16, 1ff; Joh. 20, 1ff).
— 7) Auferstehung (siehe diesen Artikel). Mit ihm ist sein Werk auferstanden, und bis auf den heutigen Tag legt die christliche Kirche davon Zeugnis ab, dass sie ihr ganzes Dasein und Leben ihm verdankt, seinem Leben, seinem Sterben, seinem Auferstehen. Diese einzigartige Wirkung, die von Christus ausgegangen, führt uns darauf, das Einzigartige seiner Person selbst noch genauer ins Auge zu fassen.
II. Christi Person. Suchen wir aus dem Lebensbild, wie wir es uns vorführten, das Einzigartige zusammen, indem wir die Winke der Apostel, die den sichersten Leitfaden bilden, beachten. Sie bezeugen, dass Christus in seinem ganzen Leben das war, was er als Ziel für die Glieder des Gottesreiches hinstellte: „vollkommen, wie der Vater im Himmel vollkommen ist“. Einstimmig erklären sie ihn für sündlos - 2Kor. 5, 21; 1Petr. 2, 22; Hebr. 4, 15; 1Joh. 3, 5. Seinen Feinden gegenüber konnte er ausrufen: „Welcher unter euch kann mich einer Sünde zeihen?“ (Joh. 8, 46). Und - was noch schlagender ist - nirgends hören wir ein Wort der Reue oder Selbstanklage, auch wo er mit seinem himmlischen Vater redet, aus seinem Munde.
Dieses Bewusstsein Jesu, das von keiner Schuld etwas wusste, trägt den Beweis seiner Wahrheit in sich selbst, sofern es uns nur die Wahl lässt zwischen hochgradiger Selbstverblendung, beziehungsweise Heuchelei, und zwischen wirklicher Sündlosigkeit. Das einzige Wort Jesu, das man scheinbar dagegen anführen kann, Mark. 10, 18: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut, denn der einige Gott“ - hat doch keinesfalls den Sinn, dass Jesus sich damit für einen sündigen Menschen erklärt; Jesus tadelt nur den gedankenlosen Missbrauch des Wortes „gut“; denn der reiche Jüngling hatte ja keineswegs etwas Besonderes sagen wollen, als er Jesus „guter Meister“ anredete. Auch was man sonst an Jesu Handlungsweise schon bemängeln wollte, beruht auf Missverständnis und falschem Urteil. - Merkwürdig ist, wie wenig die Apostel auf die Vollkommenheit der Natur Christi Rücksicht nehmen oder von den hohen Gaben reden, die ihn zur Vollbringung seines Werkes befähigten.
Jesus besaß eine große Gabe, der alle anderen dienten, die Gabe, mit den Menschen umzugehen, auf sie einzuwirken - man kann kurz sagen, die Gabe der Seelsorge im umfassendsten Sinn; er war, wie er selbst sagte, „der gute Hirte“ (Joh. 10, 14). Dazu half ihm einerseits seine Menschenkenntnis, das Vermögen, die Menschen zu durchschauen (Joh. 2, 24f), andererseits die wunderbare Gewalt des Wortes. Auch die Wunderkraft, soweit sie wirklich eine Gabe war (siehe oben 5c), kann man eine seelsorgerliche Gabe bei Jesus nennen. Mit dieser seelsorgerlichen Gabe Jesu steht in inniger Harmonie sein ganzes Naturell - wenn wir es so nennen wollen -, das die größten Gegensätze in sich vereinigt: die zartfühlendste Milde (Mark. 5, 34; Luk. 7, 44ff) und die herbste Strenge (Matth. 15, 3ff; Matth. 16, 23 und so weiter); die sicherste Ruhe (Mark. 4, 38ff) und den stürmischsten Eifer (Mark. 11, 15ff). All das ist freilich bei ihm nie bloß Naturell, sondern die volle Hingabe einer durchaus wahren Natur an die Anforderung der jedesmaligen Lage und Umgebung. Und das macht erst seine sittliche Vollkommenheit aus: die ungeteilte freudige Hingabe an seinen von Gott ihm verliehenen Beruf, das Reich Gottes zu gründen; vergleiche Joh. 4, 34: „meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat und vollende sein Werk“. Den Forderungen, welche das Reich Gottes an die Menschen stellt, kam er selbst zuerst nach: er führte ein Leben der Selbstverleugnung, verzichtete auf die gerechtesten Ansprüche (Matth. 8, 20), machte sich los von den festesten Banden des natürlichen Lebens (Mark. 3, 33), wo es sein Beruf verlangte. Unermüdet tätig bis ans Ende (Luk. 13, 32), hat er das Werk vollendet, das ihm sein Vater gegeben (Joh. 17, 4). Auch in die schwersten Schickungen seines Vaters hat er sich gefunden, ohne Klage (Mark. 14, 36). Nie hat er seine eigene Ehre gesucht, sondern immer die Ehre seines Vaters (Joh. 8, 50). Menschenfurcht hat er nie gekannt, aber geliebt hat er alle Menschen, auch seine Feinde (Luk. 23, 34). Auch wo all sein Bemühen vergeblich schien, hat er doch Geduld geübt (Luk. 13, 6ff). Und nie hat sein Glaube an den Beistand Gottes zu all seinem Tun gewankt (Joh. 11, 42). So war er, wie es Paulus zusammenfasst, „gehorsam bis zum Tode“ (Phil. 2, 8), und wie der Hebräerbrief sagt: „der Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Hebr. 12, 2).
Und doch reicht diese sündlose Vollkommenheit Jesu noch nicht aus, sein Werk, die Gründung des Reiches Gottes, zu erklären. Bei einem gewöhnlichen Menschen, würde man ihn auch ganz sündlos denken, wäre schon die Inangriffnahme dieses Werkes, die Übernahme dieses Berufs undenkbar. Und die Sicherheit, mit der Jesus sich darin bewegt, müsste uns geradezu als maßlose Selbstüberschätzung erscheinen, wenn er eben nur ein sittlich vollkommener Mensch gewesen wäre. Wir müssen, den eigenen Worten Jesu und der einstimmigen Lehre der Apostel gemäß, weitergreifen und das einzigartige Verhältnis Jesu zu Gott als den allein genügenden Erklärungsgrund dafür ins Auge fassen.
Jesus hat dieses einzigartige Verhältnis bezeichnet mit dem Sohnesnamen, den er sich Gott als seinem himmlischen Vater gegenüber beilegte. Der Gebrauch dieses Namens knüpft zwar an den alttestamentlichen Messiasnamen „Sohn Gottes“ (Matth. 16, 16; Matth. 26, 63) an und erinnert auch an die Bestimmung aller Himmelreichsgenossen, „Gottessöhne“ zu werden (Matth. 5, 9. Matth. 5, 45). Aber bei Jesus liegt doch noch mehr darin, wenn er Matth. 11, 27 bezeugt: „Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn, denn nur der Vater, und niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn“. Der Ausdruck schließt ein gegenseitiges Verhältnis innigster Liebe und herzlichsten Wohlgefallens in sich; Zeichen davon treten uns überall entgegen, wo wir einen Blick in den Verkehr Jesu mit seinem himmlischen Vater hineintun dürfen, von jenem Wort im Tempel an (Luk. 2, 49) bis zum Gebet in Gethsemane, Mark. 14, 36. Vergleiche ferner Matth. 11, 25ff; Joh. 17 und viele Stellen im Johannes-Evangelium, wo Jesus selbst von diesem Verkehr zwischen sich und dem Vater redet (Joh. 5, 20; Joh. 8, 29. Joh. 8, 54; Joh. 10, 17; Joh. 15, 9. Joh. 15, 10). Daraus folgt weiter ein Eingeweihtsein Jesu in den göttlichen Ratschluss, das die Grundlage alles seines Handelns bildet und ihm den Charakter jener Sicherheit und doch zugleich völliger Gebundenheit verleiht; jenes „es muss also geschehen“, das auch unausgesprochen sein ganzes Wirken begleitet. Kraft dieses Eingeweihtseins kann er auftreten und sagen: „die Zeit ist erfüllt“ (Mark. 1, 15; vergleiche das bei Johannes häufige: „meine Stunde“, Joh. 2, 4; Joh. 12, 23; Joh. 17, 1); er kann den Vater und die Geheimnisse des Gottesreiches offenbaren (Matth. 11, 27; Matth. 13, 11). Diesen Eindruck, dass wir durch den Sohn gleichsam dem Vater selbst ins Herz hineinsehen, hat namentlich Johannes aufs tiefste empfunden und in seinem Evangelium zum Ausdruck gebracht. „Wir sahen,“ schreibt er zusammenfassend, „seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“ (Joh. 1, 14). „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh. 14, 9).
Daher kann das ganze Lebenswerk Christi bezeichnet werden als ein Offenbaren des Namens Gottes, oder als ein Verklären desselben (Joh. 17, 1. Joh. 17, 6; vergleiche Joh. 13, 32). Aber nicht bloß offenbaren, nein, auch ausführen darf er den Ratschluss Gottes zum Heil der sündigen Menschheit: „alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater“ (Matth. 11, 27). Der Sohn ist vom Vater gesandt, um als sein Vertreter auf Erden zu handeln (Mark. 12, 6). Darauf ruht die unbedingte Gültigkeit all seiner Worte (Matth. 24, 35), die keineswegs nur Lehrworte, sondern vielfach Machtworte sind. Wichtig ist namentlich, dass Jesus die Sünde gerade so beurteilt und die Sünder gerade so behandelt wie Gott selbst. Sein heiliger unerbittlicher Ernst gegen die Sünde wie seine erbarmende und verzeihende Milde gegen den Sünder ist das völlig entsprechende Abbild der Gesinnung Gottes. In letzterer Beziehung ist das Gleichnis vom verlorenen Sohn äußerst bezeichnend, verglichen mit dem dazu anlassgebenden Vorwurf: „Dieser nimmt die Sünder an“ (Luk. 15, 2). Seine Vergebung ist völlig gleichwertig mit der göttlichen und gilt im Himmel wie auf Erden (Mark. 2, 10). Alles Wirken Christi ist ein Abbild des göttlichen Wirkens (Joh. 5, 17. Joh. 5, 19); und Gott hat den Abschluss all seines Wirkens auf Erden ganz dem Sohn übertragen (Vers Joh. 5, 21. Joh. 5, 22). Und wie die von Christus gewonnenen Jünger Eigentum des Vaters sind, so sind sie auch Eigentum des Sohnes; Joh. 17, 10, vergleiche Joh. 10, 28. Joh. 10, 29. Joh. 10, 30.
Der Eindruck von dieser einzigartigen Einheit Christi mit seinem himmlischen Vater war in den Jüngern noch bedeutend verstärkt worden durch die Auferstehung und Himmelfahrt Christi und durch die Ausgießung des Heiligen Geistes. Da hatte sich’s ja tatsächlich gezeigt, dass Jesus als Sohn Gottes auch vom Tode nicht gehalten werden konnte, sondern durch den Tod zur Rechten seines Vaters erhöht worden war (Apg. 2, 24. Apg. 2, 33). Von dort aus hatte er zu weiterer Förderung des Reiches Gottes auf Erden, wieder in innigster Einheit mit dem Vater, den Heiligen Geist gesandt (Apg. 2, 33, vergleiche Joh. 14, 26; Joh. 16, 7). Von dort aus wird er, wieder als der Vertreter Gottes, erscheinen zur Vollendung des Reiches Gottes im Gericht (Matth. 25, 31; Joh. 5, 22). Dieser erhöhte Christus ist es, von dem Paulus bezeugt, dass aus seinem Angesicht ihm die Klarheit Gottes entgegengeleuchtet habe (2Kor. 4, 6), und den er deshalb das Ebenbild Gottes nennt (am angegebenen Ort Vers 2Kor. 4, 4, vergleiche Kol. 1, 15). Gott wird von Paulus am liebsten „der Vater unseres Herrn Jesus Christus“ genannt, das heißt also der, dessen Wesen uns durch den Sohn geoffenbart worden ist, Röm. 15, 6; 2Kor. 1, 3 und so weiter. In „Christus“ oder „durch Christus“ fließen uns alle Wohltaten Gottes zu (vergleiche zum Beispiel 1Kor. 1, 4; 1Kor. 1, 30). Wir haben - mit einem Wort - Gott nur in Christus (vergleiche Röm. 8, 39: niemand „kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist“), daher Johannes schreiben kann: „Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater“ (1Joh. 2, 23).
Jesus Christus ist - so können wir alles Bisherige zusammenfassen - der Sohn Gottes, das heißt, er steht in einem einzigartigen innigen Verhältnis zu Gott, kraft dessen er uns den Vater offenbart und den Vater uns gegenüber vertritt; er war dies, solange er auf Erden lebte; er ist es noch mehr, seit er zur Rechten Gottes erhöht ist. Seinem Wesen nach steht er zwar unter Gott, wie der Sohn unter dem Vater (Joh. 14, 28: „der Vater ist größer denn ich“; 1Kor. 11, 3: Gott ist Christi Haupt, vergleiche 1Kor. 3, 23; 1Kor. 15, 28: „es wird sich auch der Sohn selbst dem Vater unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat“). Aber er ist auch wieder Gott gleich, wie der Sohn dem Vater gleich ist (Joh. 5, 26: „Wie der Vater das Leben hat in ihm selbst, also hat er dem Sohn gegeben, das Leben zu haben in ihm selbst“; Hebr. 1, 3: Christus der Abglanz seiner Herrlichkeit, das Ebenbild [der Abdruck] seines Wesens; vergleiche oben 2Kor. 4, 4; Kol. 1, 15). Die Stellen, wo Christus geradezu Gott genannt wird, sind selten und teilweise bestrittener Auslegung. Nicht dazu gehörig ist 1Tim. 3, 16 (Luther: „Gott ist geoffenbart im Fleisch“; richtige Lesart: „welcher in Gottes Gestalt ist im Fleisch“). Bestritten ist Röm. 9, 5, ob zu übersetzen ist mit Luther: „aus welchen Christus herkommt nach dem Fleisch, der da ist Gott über alles, gelobet in Ewigkeit“, oder (zum Beispiel mit Weizsäcker): „aus welchen der Christus stammt nach dem Fleisch - der da ist über allem, sei hochgelobet in Ewigkeit“. Noch mehr bestritten ist Hebr. 3, 4: „der aber alles bereitet, der (nämlich Christus) ist Gott“, oder: „das ist Gott“ (der Vater). Unsicher ist auch Joh. 1, 18 die Lesart: „der eingeborene Gott“ statt Sohn. Sicher dagegen hat Thomas den Auferstandenen angerufen: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh. 20, 28), und dieses Bekenntnis bildet den bedeutsamen Schluss des ganzen 4. Evangeliums in seiner ursprünglichen Gestalt. Sehr wahrscheinlich geht ebenso in dem Schluss des ersten Johannesbriefes (Joh. 5, 20) das Zeugnis: „dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben“ auf Christus und nicht auf den Vater. Jesus selbst hat nach Joh. 10, 33f sich gegen den Vorwurf, dass er sich zu einem Gott mache, mit dem Hinweis auf Psa. 82, 6 verteidigt, wo sogar diejenigen, zu denen Gottes Wort geschah, Götter genannt werden. Aber so selten der Name „Gott“ Jesus beigelegt wird, so sicher ist, dass Jesus gleich dem Vater im Gebet angerufen wurde (vergleiche außer Joh. 20, 28: 1Kor. 1, 2; 2Kor. 12, 8; Apg. 7, 59; Offb. 22, 20), wie denn auch Jesus auf Erden die Ehre der Anbetung nie von sich gewiesen hat (Matth. 8, 2 und öfter, vergleiche dagegen Offb. 19, 10). Und die Empfindung eines Widerspruchs zwischen jener Unterordnung des Sohnes unter den Vater und dieser Gleichstellung mit ihm tritt nirgends im Neuen Testament hervor.
Was endlich den Ursprung Jesu in seiner Beziehung zu Gott betrifft, so bleiben viele Stellen des Neuen Testaments dabei stehen, sein Erscheinen auf Erden als die größte Wundertat der göttlichen Liebe zu preisen (Luk. 1, 68ff; Mark. 12, 6; Joh. 3, 16; 1Kor. 1, 30; Gal. 4, 4; Kol. 1, 19). Wenn aber einige Stellen ihn trotz seines Vorrangs mit den Geschöpfen in eine Linie zu rücken scheinen (Kol. 1, 15: „der Erstgeborene aller Kreatur“: Hebr. 3, 2: „der ihn gemacht hat“), so lehren andere Stellen um so deutlicher, dass Jesus Christus, ehe er auf Erden gelebt habe, in göttlicher Gestalt im Himmel beim Vater gewesen sei und in seinem Herabkommen auf die Erde den ersten Beweis seiner selbstlosen Liebe zu uns geliefert habe (Phil. 2, 5–8; 2Kor. 8, 9); ja dass derjenige, durch welchen Gott in der Fülle der Zeiten sein Reich auf Erden gegründet, schon am Anfang es gewesen sei, durch welchen alle Dinge geschaffen worden sind (1Kor. 8, 6; Kol. 1, 16; Hebr. 1, 2). Vergleiche Artikel Jesus Christus und Objekt. Johannes insbesondere hat - anknüpfend an ein gewiß aus treuer Erinnerung stammendes Rätselwort Christi selbst: „Ehe denn Abraham wurde, bin ich“ (Joh. 8, 58) - es zur Grundlage seines ganzen Evangeliums gemacht, dass Christus aus dem Himmel und aus der Ewigkeit in diese Welt gekommen, und nachher wieder dorthin zurückgekehrt sei (Joh. 16, 27f und oft). Und im Eingang seines Evangeliums (Joh. 1, 1–18) nennt er ihn, anklingend nicht nur an alttestamentliche Stellen von der vorweltlichen Weisheit Gottes (Spr. 8 und sonst), sondern auch an den Sprachgebrauch des alexandrinischen Philosophen Philo, das Wort, den Logos, den uranfänglichen Vermittler aller göttlichen Offenbarung, alles Lichts und Lebens für die Menschen, der selbst göttlicher Natur war, aber in Jesus Christus Fleisch geworden ist. Übrigens braucht das Neue Testament nirgends den Ausdruck „Zeugung“ für das Hervorgehen des Sohnes aus dem Vater (die alttestamentliche Stelle Psa. 2, 7 ist Apg. 13, 33; Hebr. 1, 5 auf die Auferstehung Jesu angewendet).
Wir haben bisher nur eine Seite von Christi Person und Werk betrachtet. Er ist aber nicht bloß der Vertreter Gottes gegenüber von uns Menschen, sondern auch unser Vertreter gegenüber von Gott. Und wie jenes auf seiner göttlichen Natur ruhte, so dieses auf seiner menschlichen Natur. Diese wird denn im N. T. auch mit großem Nachdruck betont (Apg. 17, 31; Röm. 5, 15; 1Kor. 15, 47; 1Tim. 2, 5), nicht bloß, weil der ganze Verlauf seines irdischen Lebens die Wahrheit derselben unwidersprechlich bezeugte, sondern weil seine Bedeutung für uns wesentlich darauf ruht. Johannes macht es geradezu zu einem Kennzeichen des Widerchristentums, wenn jemand leugnet, dass Jesus Christus „in das Fleisch gekommen“ sei (1Joh. 4, 2. Joh. 4, 3). Aber die Vereinigung der beiden Seiten seines Wesens, der göttlichen und der menschlichen, ist im N. T. als für uns unerklärliches Rätsel nirgends genauer besprochen.
Was die Bedeutung der wahren Menschheit Jesu anbelangt, so muss vor allem darauf hingewiesen werden, wie Jesus trotz des weiten Abstands seiner Sündlosigkeit von unserer Sündhaftigkeit doch sich nicht schämte, uns Brüder zu heißen (Hebr. 2, 11). Und diese Herablassung zeigte sich nicht bloß, wo er zu Zöllnern und Sündern sich gesellte und sich den Vorwurf gefallen ließ: dieser nimmt die Sünder an (Luk. 15, 2); sondern ebenso, wo er, seine im Kreise um ihn sitzenden Jünger anblickend, erklärte: Siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder (Mark. 3, 34). Er hat ja gewiss das Verabscheuenswerte der Sünde eben vermöge seiner Reinheit tiefer gefühlt als irgend jemand (vergleiche sein Wort über die Ärgernissünden Mark. 9, 42); aber nirgends hat sie ihn zum Menschenhass oder zur Menschenverachtung geführt. Auch da, als die Sünde sich gegen ihn selbst kehrte und Leiden ohne Maß über ihn verhängte, hat er doch nur in tiefem Schmerz den Schaden, den die Menschheit damit sich selbst zufügte, und das Unrecht, die Undankbarkeit, der Gottes Liebe begegnete, beklagt (vergleiche Matth. 23, 37; Matth. 26, 24; Luk. 23, 28ff; Matth. 21, 33ff; Matth. 22, 2ff). Abgelassen hat er darum nicht von der Menschheit, sondern hat in seiner Liebe zu ihr Treue gehalten bis in den Tod (Joh. 13, 1).
Eben darum hat er uns auch vor Gott vertreten dürfen, ist unser Hohepriester geworden. Dieser Ausdruck kommt zwar nur im Hebräerbrief vor (Hebr. 3, 1 und oft), die Sache selbst aber fehlt nirgends im N. T.; nur wird sonst häufiger das Opfer betont, mit dem er bei dem Vater für uns eintrat, oder wird sein Eintreten auch mit dem Zahlen eines Lösegelds verglichen. Abzuwehren ist aber der Missverstand, als ob Christus durch sein Opfer erst seinem Vater die Bereitwilligkeit zu vergeben hätte abringen müssen. Dem tritt das N. T. dadurch entgegen, dass es die Veranstaltung dieses Opfers häufig auf Gott selbst zurückführt, der seinen Sohn dazu sandte (zum Beispiel Röm. 3, 25; Röm. 5, 8; 2Kor. 5, 21).
Fragen wir nun, was dieses Opfer oder Lösegeld gewesen, so werden wir in erster Linie immer auf den Tod Jesu gewiesen. So in seinen eigenen Worten: ich gebe mein Leben zu einer Erlösung („einem Lösegeld“) für viele (Matth. 20, 28); und bei der Abendmahlseinsetzung: das ist mein Leib, der für euch gegeben wird, das ist mein Blut des Neuen Testaments, das für viele vergossen wird; vergleiche Joh. 6, 51: das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt. So wurde ja auch bei den Opfern des Alten Bundes das Tier, das Gott dargebracht wurde, getötet und sein Blut als das Wichtigste am ganzen Opfer angesehen.
Welche Art von Opfern wir zur Vergleichung beiziehen müssen, um das Opfer Christi recht zu deuten, kann auch nicht zweifelhaft sein: es sind die Sündopfer (vergleiche Röm. 3, 25, denn nur das Blut eines Sündopfers wurde an den Gnadenstuhl gesprengt, Hebr. 7, 27; Hebr. 9, 12–14. Hebr. 9, 28; Joh. 1, 7); auch Eph. 5, 2 ist trotz des Beisatzes „Gott zum süßen Geruch“, der allerdings bei Brand- und Dankopfern seine gewöhnliche Stelle hat, die Beziehung auf ein Sündopfer nicht ausgeschlossen (3Mos. 4, 31). Wenn daneben Hebr. 9, 19ff, vergleiche Matth. 26, 28. das Bundesschlußopfer, 1Kor. 5, 7 und sonst das Passahopfer zur Vergleichung beigezogen werden, so hat, obgleich beide im A. T. keine Sündopfer waren, doch die Verwendung des Bluts bei beiden ohne Zweifel sühnende Bedeutung. Ebenso ist der Sinn der Stellen, die von einem Lösegeld reden, nicht zweifelhaft: Christus hat uns gelöst von der Schuld der Sünde, die auf uns lastete (1Petr. 1, 18, vergleiche Erlösung 2).
Jedes Opfer ist ein verkörpertes Gebet (vergleiche Hebr. 5, 7); das Sündopfer ein Gebet um Vergebung. In diesem Sinn heißt es Hebr. 12, 24, dass Jesu Blut besser rede, denn Abels Blut, nämlich es ruft Gott um Vergebung an. Christus nun hat nicht für eigene Schuld Vergebung erfleht, er hat nicht für sich geopfert, sondern für andere; sein Opfer war, wie das zweite Opfer des Hohepriesters am großen Versöhnungstag, eine verkörperte Fürbitte (Hebr. 7, 27). Aber die Bitte stützt sich im Opfer immer auf eine Gott wohlgefällige, heilige Gabe. Dies war im Alten Testament das Opfertier, besonders sein von Gott als Sinnbild der Reinheit eingesetztes Blut (Hebr. 9, 22). Bei Christus aber ist es nun nicht eine bloß sinnbildliche Bedeutung, welche seinem Blut die reinigende, Gott wohlgefällige Kraft verleiht, sondern das Vergießen seines Bluts war wirklich eine Gott wohlgefällige Tat. Sein Wille, zu leiden und zu sterben, war eine Tat des Gehorsams, war die Spitze seines vollkommenen Gehorsams gegen des Vaters Willen (Hebr. 10, 7–10). Daraus geht nun freilich hervor, dass das Opfer Jesu eigentlich sein ganzes Leben umfasst (vergleiche Phil. 2, 8), aber das Leiden und Sterben war doch die höchste Probe seines selbstlosen Gehorsams (vergleiche Gethsemane!).
Aber noch etwas anderes als die Gehorsamsprobe machte die Fürbitte Jesu für uns besonders kräftig. Sie war ja begleitet von der tiefsten Erkenntnis der menschlichen Sünde und Schuld; er hat in keiner Weise dieselben verkleinert oder beschönigt; gerade als die Feindschaft der Menschen am bittersten auf ihn eindrang, fühlte er auch am deutlichsten, dass dieser Hass eigentlich gegen seinen Vater gerichtet sei (Joh. 15, 22–25). Ja er empfand es, dass diese ganze Sündenlast sich wie eine dunkle Wolke zwischen ihn und seinen Vater einschieben wollte, durch die seine Fürbitte kaum hindurchdringen konnte (dies der tiefste Sinn seines Wortes: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen). Dieser tiefe Sündenschmerz, den eigentlich wir empfinden sollten, aber so vollkommen nicht empfinden, ist es, was Paulus mit den Worten ausdrückt: Christus sei ein Fluch für uns geworden, Gal. 3, 13; oder Gott habe Christus zur Sünde gemacht, 2Kor. 5, 21; denn wenn man von dem Fluch des Gesetzes das persönliche Schuldgefühl, das ja der Heilige unmöglich haben konnte, abzieht, so bleibt eben die tiefe Empfindung der Fluchwürdigkeit der Sünde übrig. — Auf seinen vollkommenen Gehorsam also und auf seinen tiefen Sündenschmerz gestützt, hat Jesus für uns Vergebung unserer Schuld erfleht. Und Gott, der in diesem Opfer Jesu die Bedingung erfüllt sah, unter der er Vergebung erteilen konnte, hat diese Bitte gewährt. Er hat Christi Tod gleichsam als Lösegeld angenommen für unsere Schuld (vergleiche Art. Erlösung). Er hat Jesus gleichsam wie den Gnadenstuhl im Tempel hingestellt, damit dorthin unsere gnadesuchenden Blicke sich wenden (Röm. 3, 25). Es ist dadurch die Versöhnung (siehe den Artikel) hergestellt zwischen Gott und den Menschen.
Die Übertragung des Verdienstes Christi auf uns ist aber deswegen möglich, weil Christus durch die Kraft seiner bis in den Tod getreuen Liebe zugleich unser Herr geworden ist; sind wir doch verbunden, dem nur ganz zu leben, der für uns gestorben ist (Röm. 14, 7–9). Und Gott hat ihn ausdrücklich in dieser Stellung bestätigt durch seine Erhöhung zu seiner Rechten (Phil. 2, 9–11), hat ihn eingesetzt zum Erben von allem (Hebr. 1, 2), zum Haupt der Kirche (Kol. 1, 18). In dieser Stellung nun kann Jesus auch die Bürgschaft übernehmen, dass er die Seinigen in seinen vollkommenen Gehorsam und in seinen tiefen Sündenschmerz einführen werde, indem er sie gleichsam teilnehmen lässt an seinem Sterben und an seinem gottgeweihten Leben (Röm. 6, 3–11). Dies vollzieht sich durch die Gaben seines Geistes, die Christus austeilt, durch welche sein Leib, die Gemeinde, erbaut wird (Eph. 4, 7–12). So endet denn die Betrachtung des Werks Christi nach dieser Seite in demselben Punkte, bei welchem die andere Betrachtung begonnen hat, bei der Begründung und Vollendung des Reiches Gottes, welches das Geheimnis des göttlichen Ratschlusses von Ewigkeit her gewesen ist. (Abb. 172 und 173 zeigen alte Abbildungen Christi, wie sie sich in den Katakomben Roms finden.)
Th. Hermann.
Abb. 172. Abbildung Christi aus dem 4. Jahrhundert.
(Aus den Katakomben in Rom.)
Abb. 173. Christus als guter Hirte. Altchristliche Darstellung aus den Katakomben in Rom.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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