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Erlösen, Erlösung, Erlöser. Bei diesen Ausdrücken, mit welchen Luther verschiedene hebräische beziehungsweise griechische Wörter übersetzt hat, müssen wir einen weiteren und einen engeren Sinn unterscheiden.
1) Im weiteren Sinn ist erlösen = erretten aus einer vorhandenen Not oder auch aus einer drohenden Gefahr herausreißen; zum Beispiel aus der Trübsal erlösen (2Sam. 4, 9), aus Verfolgungen und Gewalttätigkeiten (2Tim. 3, 11; 2Petr. 2, 7), aus der Gefangenschaft; so heißt namentlich oft die Befreiung Israels aus Ägypten eine Erlösung (2Mos. 6, 6; 5Mos. 7, 8; 2Sam. 7, 23; Psa. 77, 16 usw.), ebenso die Befreiung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft (Psa. 126, 1; Jes. 43, 1). Ferner erlösen vom (drohenden) Tod (Hiob 5, 20; Psa. 31, 6; 2Kor. 1, 10), oder ganz allgemein: erlösen von allem Übel (2Tim. 4, 18; Matth. 6, 13; 1Mos. 48, 16); auch ohne allen Beisatz: Psa. 26, 11; 44,27; Psa. 69, 19; Psa. 119, 134 usw. Der Erlöser ist in allen diesen Stellen Gott selbst (beziehungsweise sein Engel, 1Mos. 48, 16), vergleiche Jes. 41, 14; Jes. 63, 16; nur ausnahmsweise wird von Menschen, die im Dienste Gottes handeln, das Wort gebraucht, Apg. 7, 35 von Mose, Richt. 3, 31 und sonst von Richtern. Es ist bei Gott ein Ausfluss seiner Bundesgnade und Treue (5Mos. 7, 8; Jes. 63, 9), dass er die ihm Zugehörigen nicht in der Gewalt feindseliger Mächte lässt, sondern sie daraus befreit; ja durch solche Befreiung knüpft Gott das Bundesverhältnis zuerst an; so zum Beispiel beim Volk Israel durch die Erlösung aus Ägypten, daher die grundlegende Wichtigkeit dieser Tatsache (5Mos. 9, 26). Aber die erlösende Tätigkeit Gottes begründet auch ein Anrecht desselben auf die Erlösten (5Mos. 13, 6; 1Chr. 17, 21; Luk. 1, 74).
Auch die Weissagung der Propheten läuft vielfach auf die Erwartung einer neuen Erlösung Israels, ähnlich der aus Ägypten, hinaus, namentlich in Jes. 40–66. Und so wird denn auch in der Erfüllung das Werk Jesu Christi oft als eine göttliche Erlösung seines Volks gepriesen (Luk. 1, 68, vergleiche Luk. 2, 38; Luk. 24, 21). Aber der Inhalt dieser neutestamentlichen, ewigen Erlösung (Hebr. 9, 12) ist ein tieferer als im Alten Testament geweissagt war. Die Erlösung von äußerer Not tritt zurück gegen die Erlösung von der Macht der Sünde (Tit. 2, 14; 1Petr. 1, 18; Hebr. 9, 15, im Alten Testament vergleiche Psa. 130, 8) und der Furcht vor Tod und Gericht (Hebr. 2, 15; 1Thes. 1, 10), obwohl die Erlösung von allem äußeren Übel dabei für die Vollendung des Reiches Gottes vorbehalten wird (Luk. 21, 28; Röm. 8, 23; Eph. 4, 30). Aber in den meisten neutestamentlichen Stellen, die von der Erlösung durch Christus handeln, tritt neben die zwei bisher besprochenen Gedanken (Befreiung der Erlösten von gottfeindlichen Mächten und Erweckung eines Anrechts für Gott auf dieselben, vergleiche Kol. 1, 13) noch eine Andeutung über die Art und Weise, wie Christus uns erlöst hat.
Und das führt uns auf 2) den engeren Sinn des Worts erlösen = einen aus seiner Lage befreien durch Zahlung eines Lösegelds. Genauer würde allerdings in den meisten hiehergehörigen Stellen nur „lösen“ und „Lösung“ übersetzt. So zum Beispiel, wo von der Loskaufung Gefangener die Rede ist (Jes. 52, 3). Das Alte Testament kennt mancherlei Fälle der „Lösung“ (siehe den Artikel Lösung) solcher Personen, die nicht sowohl durch äußere Gewalt, als durch ein rechtliches Urteil oder Verhältnis, dem sie verfallen sind, sich gebunden wissen. So konnte zum Beispiel wer sich durch ein Gelübde verpflichtet hatte, etwas von seinem Eigentum oder sich selbst dem Heiligtum zu weihen, durch Zahlung einer gewissen Geldsumme sich von dieser Verpflichtung lösen (3Mos. 27). Ferner, wenn jemand sich als Sklave verkauft hatte, so konnte er durch sich selbst oder durch seine Angehörigen mit Geld wieder gelöst werden (3Mos. 25, 47–55). Ja sogar von einer Strafe, der einer verfallen war, konnte er sich in manchen eng begrenzten Fällen durch Geld lösen (2Mos. 21, 30; dagegen 4Mos. 35, 31f). Wenn aber nun schon dem irdischen Richter gegenüber es in den meisten Fällen ein vergebliches Bemühen gewesen wäre, sich von einer gerechten Strafe durch Lösegeld zu lösen, so gilt es noch mehr Gott, dem unbestechlichen Richter gegenüber, dass man sich von seinen Strafen nicht „lösen“ oder durch einen anderen loskaufen lassen kann (dies der Sinn von Psa. 49, 8f, womit zu vergleichen Matth. 16, 26). Allerdings hat Gott schon im Alten Testament eine Gnadenanstalt zur Erlangung der Vergebung der Sünden eingerichtet, das Opfer. Aber nirgends im Alten Testament wird der Ausdruck gebraucht, dass durch das Opfer die Sünden „gelöst“ werden im bisher besprochenen rechtlichen Sinn. Dies ist wohl nicht zufällig, sondern deshalb vermieden, damit niemand meine, die Sünde durch das Opfer Gott abkaufen zu können. Hier tritt vielmehr der Ausdruck ein: das Opfer dient zur „Deckung“, „Versöhnung“ (siehe den Artikel Versöhnung).
Dagegen braucht Christus eine solche Missdeutung nicht zu fürchten, wenn er in seinem wichtigen Worte (Matth. 20, 28): „des Menschen Sohn ist gekommen, dass er gebe sein Leben zu einer Erlösung (genauer: einem Lösegeld, Mark. 10, 45; Bezahlung) für viele“, eine „Lösung“ der Sünden durch das Opfer seines Lebens in Aussicht stellte. Es ist also in dieser Stelle nicht sowohl Christus als Vertreter Gottes, der uns von der Macht der Sünde erlöst, als vielmehr Christus, der Vertreter der Menschheit, der uns von der Schuld der Sünde Gott gegenüber „löst“. Ähnliche Gedanken sind enthalten in den apostolischen Aussprüchen 1Tim. 2, 6: „Christus hat sich selbst gegeben für alle zur Erlösung“; Hebr. 9, 15: wir empfangen das Erbe „durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren“; 1Petr. 1, 18: „Wisset, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöset seid von eurem eitlen Wandel, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes“; Gal. 4, 5: „auf dass er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste“ (Grundtext: erkaufte). In anderen Stellen, namentlich bei Paulus, wo man auch an diese Deutung denken könnte, ist doch die andere Auffassung wahrscheinlicher, dass die Erlösung als eine Gottestat, die durch Christus geschehen ist, beschrieben wird; so Röm. 3, 24: sie werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christus Jesus geschehen ist; 1Kor. 1, 30: Jesus Christus ist uns gemacht von Gott zur Erlösung; Eph. 1, 7: an welchem wir haben die Erlösung durch sein Blut (vergleiche Kol. 1, 14). Weiteres siehe Jesus Christus.
Th. Hermann.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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