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Versöhnen, Versöhnung. Dieses Wort hat Luther überall „versühnen“ geschrieben; in den neueren Bibeln (auch der revidierten) ist „versöhnen“ daraus geworden.
Nun sind allerdings beide Worte ursprünglich gleichbedeutend; aber allmählich hat sich doch eine verschiedene Bedeutung von „sühnen“ und „versöhnen“ festgestellt; und auch im Grundtext, namentlich des Neuen Testaments sind es sehr verschiedene Worte, die nun beide mit „versöhnen“ übersetzt sind. Daher unterscheiden wir auch zwischen Sühne und Versöhnung.
1) Der Begriff der Sühne gehört der alttestamentlichen Opferanstalt an: Gott erlaubte, eine Sünde, die eigentlich seinen Zorn hätte hervorrufen sollen, zu sühnen, oder wie das Wort eigentlich lautet, zu „bedecken“. Das von ihm dazu eingesetzte Mittel war das Blut des Opfertieres (3Mos. 17, 11). Das Blut, der Träger des von Gott geschenkten Lebens, hatte die Geltung eines heiligen, der irdischen Unreinheit entrückten Gegenstands, weshalb dasselbe auch aller unheiligen Benützung entzogen war und namentlich nicht genossen werden durfte (V. 3Mos. 17, 12ff.), vergleiche Blut.
Der tiefere Gedanke dieses alttestamentlichen Sühnmittels lässt sich etwa so bezeichnen: Es ist darin ausgesprochen, dass der Mensch von sich aus nichts besitzt, um seine Sünde zu sühnen und zu bedecken; dass aber Gott seinem Volk selbst ein Mittel schenkt, um sich vor seinem Zorn zu decken; endlich dass dieses Mittel etwas Heiliges sein muss, das der sündige Mensch gleichsam vor sich hinhalten darf, um seine Unwürdigkeit zu verbergen. Es liegt also darin als Bedingung der Sühnung vonseiten des Menschen ein Bekenntnis der eigenen Unwürdigkeit und Unfähigkeit; vonseiten Gottes aber ist die Gewissheit der Vergebung an eine von ihm selbst gestiftete Heilsanstalt und an das Amt des darin waltenden Priesters geknüpft. (Weiteres siehe Sündopfer und Versöhnungstag).
Ähnliche Gedanken sind ohne die sinnbildliche Hülle der Opferanstalt von den Propheten ausgesprochen worden: Der Gedanke, dass der Mensch für sich nichts hat, seine Schuld zu sühnen, wird namentlich auch gegen eine falsche Schätzung der Sündopfer gewendet, als ob sie doch wieder eine Leistung wären, um Gottes Gnade zu erkaufen (Micha 6, 6f.). Deutlich wird erklärt, dass nur die demütige und bußfertige Gesinnung des Opfernden Gott wohlgefalle (Psa. 51, 19). Dass aber die Gewissheit der Vergebung auch in alle Zukunft an eine göttliche Stiftung sich knüpfen muss, ist auch in den Weissagungen von der kommenden Vollendungszeit enthalten.
Teils wird ohne genauere Andeutung an die Stiftung eines Neuen Bundes die Vergebung der Sünden geknüpft (Jer. 31, 31ff.); teils wird von einem Born wider Sünde und Unreinigkeit geredet, den Gott in jener Zeit seinem Volk eröffnen werde (Sach. 13, 1).
Eingehend aber redet die tiefste Weissagung des Alten Testaments (Jes. 53) davon, dass Gott zur Sühnung der Sündenschuld seinen Knecht senden wird, der unter allgemeiner Verkennung in schwere Leiden sich schickt und selbst sein Leben hingibt, um durch dieses Schuldopfer seinen schuldigen Brüdern die Sühnung ihrer Schuld zu bringen. Hier stellt der Unschuldige sich selbst vor die Schuldigen hin, und sein Blut ist das heilige Sühnmittel, entsprechend dem Blut des Sündopfers. Weil aber sein ganzer Beruf und namentlich die damit verbundene Verkennung ihn eben das erdulden lässt, was eigentlich die Schuldigen zu tragen hätten, so entsteht damit der Gedanke an ein stellvertretendes Leiden als ein tiefes Geheimnis des göttlichen Heilsrates (V. Jes. 53, 4–6). Die versöhnende Kraft aber dieses scheinbar ungerechten Leidens liegt nicht nur in der demütigen und geduldigen Ertragung desselben (V. Jes. 53, 7), sondern vor allem darin, dass er in der tiefsten Verkennung doch noch für die Übeltäter gebeten hat (V. Jes. 53, 12).
Wie diese Gedanken alle vom Neuen Testament aufgenommen und auf das Werk Christi angewandt wurden, ist in der Hauptsache bereits im Artikel Jesus Christus (S. 342 f.) gezeigt worden. Der dem alttestamentlichen „Sühnen“ oder „Bedecken“ entsprechende Ausdruck ist allerdings im Neuen Testament selten auf Christus angewandt (Hebr. 2, 17; 1Joh. 2, 2; 1Joh. 4, 10; mittelbar auch Röm. 3, 25 in dem Ausdruck: „Gnadenstuhl“, siehe den Artikel). In den anderen neutestamentlichen Stellen, wo wir das deutsche Wort Versöhnung von Christi Werk finden, liegt ein anderes griechisches Wort, und auch ein anderer Gedanke zugrunde.
— 2) Versöhnen heißt hier einfach, wie wir das Wort im täglichen Leben gebrauchen: eine Feindschaft schlichten, Friede machen zwischen solchen, die entzweit waren (vergleiche Matth. 5, 24; 1Kor. 7, 11 sich versöhnen).
So wird es als Christi Werk bezeichnet, dass er zwischen Gott und den Menschen Friede gestiftet, eine Versöhnung zustande gebracht hat. Der Grund der vorherigen Entzweiung war freilich einseitig eine Feindschaft der Menschen gegen Gott, nicht eine Feindschaft Gottes gegen uns Menschen (Röm. 5, 10, vergleiche Röm. 8, 7). Deshalb heißt es auch wieder: Gott versöhnte in Christus die Welt mit ihm selbst, 2Kor. 5, 19. Fragt man, wie diese Versöhnung geschlossen wurde, so wird immer auf den Tod Jesu verwiesen (Röm. 5, 10; Eph. 2, 16; Kol. 1, 20ff.) Und zwar wird noch abgesehen von dem Eindruck, den diese Dahingabe des Sohnes in den Tod, dieses Opfer Christi auf die einzelnen Menschen macht, der Akt selbst als eine Versöhnungstat Gottes gepriesen, weil damit der unumstößliche Beweis geliefert ist, wie ernst es Gott ist mit seinem Gnadenwillen gegen die sündige Menschheit. (Röm. 5, 8; 2Kor. 5, 19.)
Diese große Versöhnungstat Gottes wird dann erst im Einzelnen in Wirksamkeit gesetzt durch die Aufrichtung des Amtes, das die Versöhnung predigt, das den Sündern von dieser freien Liebestat Gottes erzählt und aufgrund davon auffordert: Lasst euch versöhnen mit Gott (2Kor. 5, 18–20). Noch eine besondere Seite der Versöhnungstat von Golgatha hebt Eph. 2, 13ff. hervor, dass dadurch auch die entzweiten Glieder der Menschheit untereinander vereinigt wurden zu Einem Ganzen. Und Kol. 1, 20ff. ist die Versöhnung ausgedehnt auf das All: alle irgend vorhandene Feindschaft im Himmel und auf Erden ist dadurch gelöst, die allgemeine Weltharmonie ist auf Golgatha begründet worden.
Th. Hermann.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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