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Gefangenschaft. Vom 8. vorchristlichen Jahrhundert ab riss bei den assyrischen Großkönigen die grausame Praxis ein, die Bevölkerung ganzer besiegter Landschaften nach Assyrien oder seinen Nachbarprovinzen zu deportieren.
So hat schon Tiglatpileser IV. dem israelitischen König Pekach eine Reihe von Städten (Ijon, Abel-Beth-Maacha, Janoah, Kedes, Hazor, Gilead und Galiläa, das ganze Land Naphtali — also das ganze Gebiet zwischen Merom-See und dem See von Tiberias, 2Kön. 15, 29) weggenommen und ihre Bewohner nach Assyrien geführt, bis dann Sargon nach der Eroberung Samarias, wie seine Annalen berichten, 27 290 Einwohner wegführte und sie (2Kön. 17, 6; 2Kön. 18, 11) in Mesopotamien und Medien ansiedelte.
Auch dem nun allein übriggebliebenen Königreich Juda erging es nicht besser.
Schon unter Sanherib (siehe Artikel Hiskia) mussten 200 150 jüdische Gefangene (Männer, Weiber und Kinder) ins Exil wandern, 701 v. Chr.. Ganz klein nehmen sich dagegen die Zahlen aus, die das Ende des jüdischen Staates charakterisieren: a) 10 000 unter Jojachin nach der einen Überlieferung (2Kön. 24, 14) und 3023 nach der anderen (Jer. 52, 28) 598 v. Chr. (nach babylonischer Zählung im 7. Jahre Nebukadnezars, nach jüdischer, die das Antrittsjahr mitrechnet, im 8. Jahre). b) 832 Seelen bei der Zerstörung Jerusalems (Jer. 52, 29) 587 v. Chr. c) noch einmal 745 Seelen im 23. Jahre Nebukadnezars, 582 v. Chr.
Nach diesen Angaben war Juda (mit Ausnahme Jerusalems) schon seit Sanherib ziemlich verödet, und unter Nebukadnezar sollte nur noch Jerusalem selbst mit seiner nächsten Umgebung nach.
Von einer weiteren Wegführung wohl nur kleinerer Art unter Jojakim (2Kön. 24, 1ff nur angedeutet, und vergleiche dazu Dan. 1, 1, wo entweder Nebukadnezar in Nabopolassar, seinen Vater, zu korrigieren, oder aber statt des 3. Jahres das 4. oder 5. zu setzen ist), bei der der junge Daniel (und nach 2Chr. 36, 6 sogar Jojakim selbst) nach Babel geführt wurde, sind uns keine Zahlen überliefert.
Das Exil oder die babylonische Gefangenschaft im engeren Sinn beginnt man also am besten vom Jahre 598 v. Chr. (unter Jojachin, vergleiche auch des Jeremias Brief an jene Exulanten, Jer. 29, 5–7) an zu rechnen. Die Deportierten wurden gut behandelt und zu einem großen Teil (vergleiche den Artikel Chebar) in Nippur und Umgebung angesiedelt. Da unter Cyrus (siehe den Artikel Kores) 42.360 Exulanten von der Erlaubnis heimzukehren, im Jahre 539 v. Chr. Gebrauch machten (später unter Esra-Nehemia folgten bekanntlich noch andere nach), so dauerte also das Exil rund 60 Jahre, wozu man die Angabe der 70 Jahre im Alten Testament (Jer. 25, 11; Jer. 11, 12; Jer. 29, 10; Dan. 9, 2) vergleiche, die möglicherweise schon von 606 ab (3. Jahr des Jojakim, siehe oben) zu verstehen, falls nicht eine prophetisch-apokalyptische Zahl, da es sich ja um eine Weissagung handelt, vorliegt.
Zu den eben genannten 42.360 unter Cyrus Zurückgekehrten kamen noch (vergleiche Esr. 2, 64f) 7.337 Sklaven und 200 (Variante 245, siehe Neh. 7, 67) Tempelsänger, zusammen also 49.897 (rund fünfzigtausend) Seelen, zu deren Überführung für den weiten Weg von Babylonien nach Jerusalem 736 Pferde, 245 Maultiere, 435 Kamele und 6.720 Esel zur Verfügung standen; die Kräftigeren mussten also zu Fuß neben der berittenen und bepackten Karawane einhermarschieren. Die Geschichte dieser auf solche Weise unter Cyrus zurückgekehrten Exulanten bis auf Esra-Nehemia, wo ein weiterer Nachschub von etwa zweitausend, meist Priester und niederes Tempelpersonal, folgte, sowie die Tätigkeit Nehemias und Esras selbst, bildet eines der dunkelsten Kapitel der jüdischen Geschichte; die rettungslos untereinander geratenen Berichte der biblischen Bücher Esra-Nehemia und ferner die Lücken zwischen den einzelnen Berichten (siehe schon die Artikel Ahasverus und Arthahsastha) sind die Hauptursache dieser Schwierigkeiten.
Nachdem die gewöhnliche traditionelle Auffassung im Artikel Esra wiedergegeben wurde, soll hier, besonders auch unter Heranziehung der neuerdings in Assuan gefundenen Papyri, der Versuch gemacht werden, einmal von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus, nämlich der von Matthias Pflanzl vermuteten ursprünglichen Gleichheit von Esra und Nehemia, in jenes Wirrsal eine vielleicht bessere Ordnung zu bringen. Eine Erinnerung daran, dass Esra, den die jüdische Legende die biblischen Bücher sammeln und sogar die verlorenen Bücher wieder neu aus dem Gedächtnis schreiben lässt, und Nehemia, der oft der tirschatha’ (aus persisch din-data „Gesetzgeber“, elamitisiert zu tin-tata und weiter tir-schata nach bezeugten Lautübergängen, Luther falsch „Landpfleger“) heißt, wirklich von Haus aus ein und dieselbe Person waren, liegt vielleicht noch in der Notiz 2Makk. 2, 13, wonach Nehemia eine Bibliothek angelegt und Königs- und Prophetenbücher, sowie die Psalmen zusammengestellt hätte. Auch der Umstand, dass im Buche Sirach bei der Aufzählung und Charakterisierung der berühmten Männer der israelitisch-jüdischen Geschichte im letzten, vom Exil handelnden Abschnitt bloß Serubabel, Jesua und Nehemia (hier allerdings nur in seiner Rolle als Wiederaufführer der Mauern) genannt werden, Esra aber ganz übergangen ist, ließe sich leichter bei der Annahme der Identität beider begreifen. Vor allem aber der Gang der Geschichte selbst ist dieser nur auf den ersten Augenblick revolutionär scheinenden Annahme günstig.
Unter Cyrus bekamen die Juden die Erlaubnis, mit Serubabel zurückzukehren und den Tempel wieder aufzubauen. Das Werk wurde aber durch die Samariter gehindert, unter Cyrus selbst und nach des Josephus Angabe unter seinem Nachfolger Cambyses, und stockte infolge dessen bis zum 2. Jahre des Darius (Esr. 4 mit Ausnahme der irrig hierher geratenen Verse Esr. 4, 6–23) Dann aber förderte Darius auf eine Eingabe des Landpflegers Thathnai und des Sethar-Bosnai (siehe diesen) hin den Bau, der nun im 6. Jahre des Königs eingeweiht werden konnte (Esr. 5 und Esr. 6 und vergleiche die Propheten Haggai und Sacharja), 516 v. Chr.
Abb. 123. Israelitische Gefangene nach den assyrischen Denkmälern in Khorsabad.
Es ist nun eine sehr bestechende Annahme verschiedener Gelehrter, besonders des Holländers van Hoonacker, dass der Esr. 7–10 folgende Abschnitt von Esras Ankunft in Jerusalem, der (vergleiche Esr. 9, 9 „die Perserkönige haben erhöht das Haus unseres Gottes und aufgerichtet seine Verstörung und uns gegeben eine Mauer in Juda und Jerusalem“) deutlich die Wiederaufrichtung der Mauern durch Nehemia voraussetzt, erst nach Nehemias Mauerbau und Statthalterschaft (445–434 = 20. bis 32. Jahr des Artaxerxes I.) also nach Neh. 1–7, seine richtige Stelle hat; er gehört dann irgendwie mit dem weiteren Esrabericht Neh. 8–10 (feierliche Verpflichtung auf das Gesetz) zusammen, während Neh. 12, 27ff (Einweihung der Mauer) und der Schluss des Buches (Neh. 13) sich wiederum direkt an das Neh. 1–7 Erzählte anschließt.
Natürlich setzt das dann voraus, dass mit dem 7. Jahr des Artaxerxes (Esr. 7, 7) Artaxerxes II. gemeint sein muss, also 398 v. Chr. statt 458 v. Chr., falls nicht schließlich das Fehler in der Zahl steckt, so dass also vielleicht das 37. statt das 7. Jahr (428 statt 458 v. Chr.) ursprünglich im Text gestanden hätte.
Von der so hergestellten Folge Nehemia, Esra (statt Esra, Nehemia) ist aber nun der Schritt zu der direkten Gleichsetzung beider nicht mehr so groß und kühn, zumal wenn man bedenkt, dass nach Neh. 13, 6f. ja Nehemia aus einem uns unbekannten Grund im Jahre 434 nach Babel oder Susa abberufen wurde und erst unbestimmte Zeit nachher es beim König durchsetzte, dass er wieder nach Jerusalem ziehen durfte. Dann würde Esras Ankunft mit der Wiederkunft Nehemias zusammenfallen und wir hätten uns die Situation etwa in folgender Weise zu denken.
6.–30. Jahr des Darius, 1. bis 21. Jahr des Xerxes (Ahasverus, vergleiche das Esr. 4, 6 angedeutete, aber ausgefallene Schreiben, was also vielleicht schon für damals den Versuch eines Mauerbaus voraussetzt) und 1. bis 19. Jahr des Artaxerxes I. (hier hinein etwa das Schreiben Esr. 4, 8–16 und die Antwort Esr. 4, 17–23, falls der Name des Königs nicht auf einem Fehler beruht): keine Nachrichten.
20. Jahr des Artaxerxes I.: Nehemias Abreise, Mauerbau und 12-jährige Statthalterschaft. Gleichzeitig Eljaschib Hoherpriester (Neh. 3, 1 und vergleiche Neh. 13, 4. Neh. 13, 7) in Jerusalem und der dem Nehemia feindliche persische Statthalter Sin-uballit (Saneballat) in Samaria. Nehemias Abberufung im 32. Jahre des Artaxerxes I., 433 vor Christus.
33.–41. Jahr des Artaxerxes: keine Nachrichten, falls nicht hier herein infolge eines Zahlenfehlers die Ankunft Esras (Esr. 7–10) = Rückkehr Nehemias zu setzen ist.
Darius II. (423–404). Nach den Assuan-Papyri (14. bis 17. Jahr = 410–407 v. Chr.), aus der jüdischen Militärkolonie in Elephantine, war Johanan (vergleiche Esr. 10, 6!) Hoherpriester und Bagoi persischer Statthalter in Jerusalem, Delaja, Sohn des Sin-uballit, in Samaria.
Artaxerxes II., 404–358 v. Chr., keine Nachrichten, falls nicht in sein 7. Jahr Esr. 7–10 (nebst der Fortsetzung Neh. 8–10) gehört. In diesem Falle hätten wir uns, die Gleichheit von Nehemia (hebräischer Name) und Esra (babylonischer Kurzname aus einem mit Zir beginnenden Namen, vergleiche Serubabel = Zir-Babili „Sproß Babels“, und mandäisch ‛Enba aus Nebo, analoge Doppelnamen auch in den Assuan-paphri) angenommen, die Sache so zurechtzulegen:
Nehemia-Esra etwa 470 geboren, als 25-jähriger Mann Statthalter in Jerusalem, und als 72-jähriger Greis nach langen Erfahrungen und eifrigem Studium und Sammeln der Reste der heiligen Bücher im Jahre 398 v. Chr. (7. Jahr des Artaxerxes II.) nach Jerusalem zurückgekehrt — eine Vorstellung, die durchaus noch im Bereich der Möglichkeit läge.
Zweierlei Berichte über seine Tätigkeit sind in den biblischen Büchern Esra und Nehemia neben und einander geschoben, die sogenannten Nehemiamemoiren Neh. 1–7 und Neh. 12, 27ff (bis Kap. Neh. 13 Schluss), wo die Verwaltungstätigkeit seiner jungen Jahre ausführlich geschildert wird, wo er aber doch schon proleptisch (neben pechah Statthalter, Landpfleger) der tirschatha (Gesetzgeber, siehe oben) genannt wird, während Kap. Neh. 13 mit Esr. 9. (Beseitigung der fremden Weiber) parallel läuft, und die sogenannten Esramemoiren Esr. 7–10 und Neh. 8–10, wo die gesetzgeberische Tätigkeit seiner späteren Jahre im Vordergrund steht; dazwischen stehen mehrere Listen Neh. 7 (= Esr. 2) und Neh. 11 und Neh. 12, 1–26, und dazu kommt noch das ganz versprengte Stück Esr. 4, 7–23, das noch nicht sicher datierbar ist.
Dazu sind noch diejenigen Stellen in Betracht zu ziehen, wo Nehemia und Esra scheinbar nebeneinander genannt sind: Neh. 8, 9 (hier Nehemia deutlich bloße Glosse, die in der Parallelstelle, dem apokryphen dritten Esrabuch 9, 49 fehlt) und Neh. 12, 26 als Notiz des Chronisten am Schluss einer Liste, wo ebenfalls das verbindende „und“ (genau wie 1Chr. 5, 26, wo erwiesenermaßen Phul = Tiglatpileser, siehe dort) nur irrtümlich ein gleichsetzendes „das ist“ vertritt, also eine Glosse einführt — also weit eher für als gegen die Gleichheit sprechend, während umgekehrt Neh. 10, 2 bei der feierlichen Verpflichtung auf das von Esra verlesene Gesetz an der Spitze der Unterschriften, da wo man Esras Namen erwartet, der Nehemias steht und der Esras überhaupt fehlt.
Schließlich ist noch eines weiteren Versuches, der Schwierigkeiten Herr zu werden, zu gedenken, nämlich alle die in obigem behandelten Ereignisse (Tempelbau, Mauerbau, Gesetzgebung) in die Zeit zwischen Cyrus und Darius I. einzupressen, wobei natürlich die meisten Königsnamen geändert werden müssten („gute geschichtliche Erinnerungen, aber mit falschen Namen verbunden“).
Diese radikalen, besonders von Hugo Winckler in Berlin vertretenen Korrekturen haben leider auch den Beifall des Urhebers der Gleichheit von Nehemia und Esra, Matthias Pftanzl, gefunden, der aber sein geplantes, ausführlich darüber handelndes Buch noch nicht veröffentlicht hat; er muss dann natürlich auch den in den Assuanpapyri erwähnten Sin-uballit für eine andere Person als den Sanballat des Nehemia (Neh.) erklären, was doch die Skepsis auf die Spitze getrieben heißt.
F. Hommel.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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