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Reich Gottes, Himmelreich. 1) Im Alten Testament. Dieser Begriff ist nur die Kehrseite zu dem schon behandelten Königtum Gottes (s. Art. König 4). Denn wo Gott als König herrscht, ist sein Reich. Aber, wie schon in jenem Artikel angedeutet wurde, denkt das A. T. bei dem Königtum und Reich Gottes nicht an die Allmacht, mit der Gott die ganze Schöpfung beherrscht, sondern sein Reich ist nur da, wo er auch als König anerkannt und verehrt und sein Wille befolgt wird. Es ist nun die Grundwahrheit des ganzen A. T., daß er sich Israel erwählt hat zu seinem Reich (2 Mo. 19, 6), oder, wie es gewöhnlich heißt, zu seinem „Volk“ (s. Volk). Und das R. Gottes fällt daher zusammen mit dem R. seines Gesalbten, des israelitischen Königs. Nur weissagend wird von einer Ausdehnung des R. Gottes über die ganze Erde geredet (vgl. König 4). Überwiegend übrigens schaut die Weissagung diese Ausbreitung als eine Ausdehnung der Herrschaft Israels über Heidenvölker, sei’s durch gewaltsame Unterwerfung (Jes. 60, 12; Am. 9, 12; Ob. 19–21; Da. 2, 44; 7, 14. 27), sei’s durch freiwilligen Anschluß unter dem Eindruck der Macht Jahvehs und der Herrlichkeit Israels (Jes. 60, 3 ff.; Jer. 16, 19 ff.; Mi. 4, 1 f.). Nur ausnahmsweise dringt die großartige Weissagung Jes. 19, 23 ff. zu der Erkenntnis vor, daß im R. Gottes die Heidenvölker neben Israel gleichberechtigt stehen. Seiner Idee nach ist das R. Gottes ein R., in dem der Wille Gottes anerkannt ist und immer mehr zur Anerkennung kommt (Jer. 31, 33; Sach. 14, 20 f.), und welchem der Schutz und Segen Gottes in vollem Maß zu teil wird (Jes. 4, 2–6 u. a.). Vgl. Messias 3 b. — 2) Im Neuen Testament. Die Erwartungen und Hoffnungen der Juden zur Zeit Jesu schlossen sich überwiegend an die schon erwähnten Weissagungen Daniels an, wonach die Reihe der Weltreiche schließen sollte mit dem ewigen, von Gott selbst aufgerichteten Königreich, in welchem dem „heiligen Volk des Höchsten“ (d. h. Israel) unter der Führung des Messias („einer wie eines Menschen Sohn“) die Weltherrschaft für ewige Zeiten verliehen wird (s. o.). Die innerliche Seite, wonach in Gottes R. wahre Heiligkeit und Gerechtigkeit zu finden ist, trat dagegen ganz zurück. Diese Seite ist es, welche dagegen Jesus in erster Linie betont, wenn auch er die Botschaft: das R. Gottes ist nahe herbeigekommen, in den Mittelpunkt seiner Predigt stellt. Wir bemerken zur Ergänzung des im Artikel Jesus Christus 5 b Gesagten noch Folgendes: Bei den Bedingungen der Aufnahme und Teilnahme am R. Gottes sieht Jesus ganz ab von der äußeren Zugehörigkeit zum Volk Israel und betont nur die rechte Gesinnung. So z. B. in den Seligpreisungen (Mt. 5, 3–10). Allerdings nennt er gelegentlich die Israeliten „Kinder des Reichs“ (Mt. 8, 12), aber nur um hinzuzufügen, daß gerade sie diesen geschichtlich ihnen zu teil gewordenen Vorzug verlieren werden, wenn sie im Glauben zurückbleiben hinter den später berufenen Heidenvölkern. Und Mt. 13, 38 dient der Ausdruck ganz allgemein als Erklärung des auf dem Weltacker vorhandenen „guten Samens“. Weil ferner der Anteil am R. Gottes nur von den inneren Bedingungen abhängt, so sind es zunächst einzelne, die, losgerissen von ihrer Familie und von ihrer Heimat, sich in ihm zusammenfinden zu einem neuen hl. Bunde (Mk. 10, 22. 35 ff. — Joh. 10, 16; 11, 52). Aber das R. Gottes hat auch die Kraft, alle Lebensverhältnisse eines Volkes allmählich mit seinem Geist zu durchdringen (Mt. 13, 33); und darum sollen einst ganze Völker unter seinem Schatten wohnen (Mt. 13, 31 f.). — Merkwürdig ist, daß im Matthäus-Evangelium und nur in ihm an die Stelle des Ausdrucks „Reich Gottes“ sehr oft der andere tritt: „Himmelreich“, genauer: „Reich der Himmel“. (R. Gottes nur an folgenden Stellen: 6, 33; 12, 28; 19, 24; 21, 31. 43; Himmelreich 28mal.) Der Sinn ist übrigens ganz derselbe: es ist ein R., das vom Himmel her, d. h. von Gott regiert wird. Es ist nicht unmöglich, daß gerade Jesus selbst den Ausdruck Himmelreich mit Vorliebe gebrauchte (ebenso wie den auch nur bei Matthäus erhaltenen Ausdruck „Vater im Himmel“ oder „himmlischer Vater“) und daß die andern Evangelisten den Ausdruck „R. Gottes“ als den deutlicheren vorgezogen haben. — Im Johannes-Evangelium kommt der Ausdruck „R. Gottes“ nur einmal vor, 3, 3.5; aber diese eine Stelle zeigt, daß es auch hier als eine rein geistig-innerliche Sache gefaßt ist, für die man, um sie nur zu sehen, die rechten Augen haben muß (V. 3), und sodann, daß der Eingang ganz unabhängig ist von der Zugehörigkeit zum Volk Israel, vielmehr ganz abhängig von der innerlichgeistigen Wiedergeburt (V. 5). In demselben Sinn redet Jesus vor Pilatus von „seinem Reich“, das natürlich von dem R. Gottes nicht verschieden ist (Joh. 18, 36). In der Apostelgeschichte wird öfters das R. Gottes als Hauptinhalt der apostolischen Predigt genannt, wie es in den Evangelien als Hauptinhalt der Predigt Jesu erscheint (Ap. 8, 12; 19, 8; 28, 23). In den apostolischen Briefen tritt die Tatsache in den Vordergrund, die Jesus selbst namentlich anfangs nur durch Andeutungen erraten ließ, daß er der von Gott eingesetzte König des R. Gottes, der Messias, sei (vgl. Jesus Christus). Gerne wird nun das R. Gottes das R. Christi genannt, obwohl auch der erstere Ausdruck fortgebraucht wird. Anfangs wurde es den Aposteln schwer, die Hoffnung ganz fahren zu lassen, daß Christus bald wiederkommen und dann in seinem R. das äußerliche R. Israel wieder aufrichten werde (Ap. 1, 6). Aber diese Befangenheit wurde vom h. Geist völlig in ihnen überwunden (Ap. 10, 34 f.; 1 Kor. 12, 13; Ga. 3, 28; Kol. 3, 11). Gerade wie vom Herrn selbst wird auch von Paulus bezeugt, daß das Wesen des R. Gottes nicht in der Aufrichtung äußerer Satzungen in Beziehung auf Essen, Trinken usw. besteht, sondern in der durch den h. Geist vermittelten Einpflanzung der rechten Gesinnung in die Herzen seiner Genossen (Rö. 14, 17). Darum sind auch die rechten Mittel seiner Ausbreitung und Aufrechterhaltung nicht leere Worte, sondern Erweisungen von Geisteskraft (1 Kor. 4, 20). Übrigens richtet sich der Blick der Apostel, auch wo sie vom R. Gottes reden, überwiegend auf die einstige, mit der Wiederkunft Christi verbundene herrliche Vollendung dieses R., nicht auf seine gegenwärtige Gestalt (dies nur noch Kol. 1, 13; 4, 11), Denn dieses R. der Herrlichkeit ist das verheißene Erbteil der Christen, an dem kein Unreiner Anteil hat (1 Kor. 6, 9. 10; Ga. 5, 21; Eph. 5, 5; 2 Th. 1, 5; 2 Pe. 1, 11; Jak. 2, 5). Was sie von diesem Reiche reden, hat eine doppelte Seite: einerseits besteht es in einer Unterwerfung aller irdischen Gewalt und Herrlichkeit unter Christus (1 Kor. 15, 25–27; Off. 11, 15; 12, 10); andererseits bringt es eine über alles Irdische hinausgehende Herrlichkeit und ist seiner ganzen Natur nach überirdisch, ewig (1 Kor. 15, 24; 2 Tim. 4, 18; Hbr. 12, 28). Ob man aus manchen Andeutungen der Schrift schließen darf, daß diesen zwei Seiten auch zwei Stufen der Vollendung entsprechen, eine, deren Schauplatz auf Erden, und eine, deren Schauplatz im Himmel ist, darüber s. Tausendjähriges Reich. Weiteres s. Kirchenlexikon II, 535 ff.
Th. Hermann.
About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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