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Prophet, Prophetentum. Vergl. dazu als Ergänzung den Art. Weissagung. I. Im Alten Testament.
1) Allgemeines Wesen und Aufgabe. Das griechische Wort Prophet, wie das hebräische nabi, bezeichnet einen Sprecher, nämlich, was zu ergänzen ist, einen Sprecher oder Verkündiger göttlicher Offenbarung. Nach der Grundstelle für Wesen und Bedeutung des Prophetentums 5Mos. 18, 15–22 (vergleiche darüber Art. Messias 4) wird einer zum Propheten dadurch, dass Gott ihm Seine Worte in den Mund legt und ihn mit dem Reden dieser Gottesworte in Gottes Namen beauftragt, vergleiche Jer. 1, 9: „ich lege meine Worte in deinen Mund“; Jer. 15, 19: „du sollst mein Mund sein“. Das Verhältnis Aarons, des Wortführers, zu Mose, der ihm sagt, was er reden soll, bildet daher das des Propheten zu Gott ab, 2Mos. 4, 15f: „er soll dein Mund sein und du sollst sein Gott sein“, vergleiche 2Mos. 7, 1.
Der Zusammenhang der Grundstelle mit dem V. 2Mos. 7, 9–14 vorangehenden Verbot heidnischer Wahrsagerei zeigt, dass Gott mit seinen Reden durch der Propheten Mund dem Bedürfnis genügen will, welches die Heiden durch Wahrsagerei zu befriedigen suchten, dem Bedürfnis nach Aufklärung über die Gedanken und Absichten der Gottheit. Das Licht, welches die Heiden suchten aber nicht fanden, hat Gott seinem Volk durch die Propheten geschenkt; darum ist Israel an Gottes Offenbarungswort gewiesen (Jer. 8, 19). Die V.en sind nichts anderes als die Werkzeuge der göttlichen Offenbarung an das Volk. Aber eben deswegen ist ihre Aufgabe nicht nur die Vorherverkündigung.
Vielmehr vertraut Gott alles, was er seinem Volk zu sagen hat, dem Mund der Propheten, und so mannigfaltig der Inhalt der göttlichen Offenbarung ist, so mannigfaltig auch der des prophetischen Zeugnisses. Die Geltendmachung des heiligen Willens Gottes gegenüber der Sünde Einzelner wie des Volkes (vergleiche zum Beispiel 1Sam. 13, 13f; 1Sam. 15, 10–35; 2Sam. 12, 1–14 und die Bußreden in den prophetischen Büchern) besonders auch mit Betonung des zwischen äußerlichem Gottesdienst und wahrer Gottesfurcht bestehenden Gegensatzes (vergleiche Art. Gesetz I. B. 2), die Ankündigung nahe bevorstehender Gerichts- und Rettungstaten Gottes, die Aufgabe des Wächters oder Spähers, der ausschaut nach dem, was im Anzug begriffen ist, und zur Bereitschaft dafür mahnt, warnt oder tröstet (Amos 3, 7; Jer. 6, 17; Jes. 8, 1–4; Hab. 2, 1–3), die Enthüllung der noch fern liegenden Ziele, denen Gott die Geschichte des Volkes Gottes wie der Menschheit zuführt (vergleiche die messianischen Weissagungen und Stellen wie Jes. 65, 17): das alles gehört in den Bereich der Propheten als der Sprecher Gottes, der Dolmetscher seiner Ratschlüsse und seines Willens. Das Prophetenwort gilt daher nicht bloß dem jeweiligen Bedürfnis derer, denen es zuerst gesagt wurde, sondern auch den späteren und spätesten Geschlechtern, 1Petr. 1, 12, wie es überhaupt als Verkündigung ewiger göttlicher Wahrheit der Menschheit einen bleibenden Wahrheitsbesitz vermittelt, Matth. 5, 17; 2Petr. 1, 19.
— 2) Berufung und Ausrüstung der Propheten. a. Zum Propheten Gottes wird ein Mensch weder durch eigene Wahl und Vorbildung noch durch natürliche Anlage. Anlage und Kenntnisse werden allerdings auch in den Dienst des prophetischen Berufes gestellt; denn nicht nur der Mund des Propheten, sondern der ganze Mensch wird von Gott in seinen Dienst genommen und die individuelle Verschiedenheit der Propheten prägt sich in ihrem prophetischen Wirken aus; auch können sie sich zum Empfang der göttlichen Offenbarung vorbereiten und in die richtige Stimmung versetzen, etwa durch Musik wie Elisa, 2Kön. 3, 15, oder durch Gebet und innere Sammlung, vergleiche Hab. 2, 1f im Zusammenhang mit Hab. 1, 12–17; Jer. 42, 4; aber sich selbst zum Propheten machen und die Weissagung selbst erzeugen können sie nicht; Habakuk muss nach Hab. 2, 1 warten auf die göttliche Stimme und Jeremia erhält nach Jer. 42, 7 erst nach zehn Tagen eine erbetene Antwort von Gott.
b. Vielmehr ist zum Prophetentum nötig eine göttliche Berufung; die Propheten werden, wie es 5Mos. 18, 15. 5Mos. 18, 18 heißt, von Gott „erweckt“ oder „gesendet“, Jer. 7, 25; Jer. 25, 4; Hes. 2, 3; vergleiche die Berufung des Mose, 2Mos. 3, des Samuel, 1Sam. 3, das Zeugnis des Amos 7, 14f, Jesaja (Kapitel Jes. 6), Jeremia (Kapitel Jer. 1), Hes. 1–3, 21 über ihre Berufung. Von einem eigenen Verlangen oder Versuch, Prophet zu werden, ist da nirgends eine Andeutung. Samuel erkannte die Stimme des berufenden Gottes nicht einmal; so wenig war er auf seinen Ruf gefasst. Amos war ein den prophetischen Kreisen ganz fern stehender Mann, aber die überwältigende Macht des göttlichen Rufes (vergleiche Hes. 3, 8) ließ ihn seine Herde verlassen. Mose und Jeremia weigern sich zuerst, der Aufforderung Gottes zu folgen, beide mit Berufung auf ihre Untüchtigkeit, und Jesaja gewinnt erst durch eine besondere Erfahrung der sündentilgenden Gnade Gottes die Freudigkeit, Gottes Bote an sein Volk zu werden. Jona will sich dem ihm gewordenen Auftrag durch die Flucht entziehen (Kapitel Jer. 1). Dabei verfährt Gott in seiner Wahl der Propheten ganz frei; nur dass er sich auf Israel („aus deinen Brüdern“, 5Mos. 18, 15. 5Mos. 18, 18) beschränkt, aber an einen bestimmten Stamm oder bestimmte Geschlechter gleich dem Priestertum ist das Prophetentum nicht gebunden. Darum finden wir neben Männern aus angesehenem Priestergeschlecht, wie Jeremia und Hesekiel, und von hoher Lebensstellung und Bildung wie Jesaja, unter den Propheten auch einen armen Rinderhirten, den Amos. Selbst das vom Priestertum ausgeschlossene weibliche Geschlecht ist vertreten. Mag auch Jes. 8, 3 „Prophetin“ die Gattin des Propheten bezeichnen, so heißen doch Mirjam 2Mos. 15, 20, vergleiche 4Mos. 12, 2, Debora Richt. 4, 4, Hulda 2Kön. 22, 14, Hanna Luk. 2, 36, so wegen der ihnen verliehenen Gabe der Weissagung.
Bei und infolge der Berufung werden die Propheten c. von Gott für ihren Beruf ausgerüstet. aa. Sie bekommen den Geist des Herrn, 4Mos. 11, 1. 4Mos. 11, 25; 1Sam. 10, 6. 1Sam. 10, 10; 1Sam. 19, 20–24; vergleiche Joe. 3, 17; Micha 3, 8: „ich aber bin voll Kraft und Geistes des Herrn, voll Rechts und Stärke, dass ich Jakob sein Übertreten und Israel seine Sünden anzeigen darf“, Jes. 61, 1; Sach. 7, 12. Ein gründlicher Forscher auf dem Gebiet des alttestamentlichen Prophetentums*) glaubt, dass die Geistesbegabung, welche für die Propheten wesentlich gewesen sei, doch nicht dazu gedient habe, ihnen die göttliche Offenbarung zu vermitteln, dass sie die Enthüllung göttlicher Wahrheit nicht diesem Geiste verdankt haben; derselbe habe sie nur zum Offenbarungsempfang fähig gemacht.
Er habe eine allgemeine Anregung, Belebung, Steigerung der geistigen Tätigkeit, Erhellung der Begriffswelt, Steigerung des Gedächtnisses, Schärfung der Urteilsfähigkeit, Erwärmung des Gefühls, Anspannung des Willens bewirkt, auch eine heiligende Kraft ausgeübt. Diese Wirkungen sind nicht zu bestreiten, vergleiche besonders außer Micha 3, 8 das Wort Samuels an Saul, 1Sam. 10, 6: „da wirst du ein anderer Mann werden“. Aber diesem Geist des Herrn die Vermittlung des höheren Wissens der Propheten abzusprechen, scheint doch schon angesichts der angeführten Stellen gewagt und stimmt jedenfalls nicht mit der Aussage des Neuen Testaments überein, derzufolge „der Geist Christi, der in den Propheten war, bezeuget hat die Leiden, die Christo sind, und die Herrlichkeit darnach“, 1Petr. 1, 11, vergleiche 2Petr. 1, 21. Die Entscheidung hängt wesentlich davon ab, wie man das Reden Gottes zu den Propheten auffasst (siehe unten).
bb. Auch die Wunderkraft finden wir öfters bei Propheten; Mose, Elia und Elisa besitzen sie in reichem Maß. Samuels Geschichte berichtet wunderbare Gebetserhörungen, 1Sam. 7, 9f; 1Sam. 12, 16–18; und Jesaja weiß, dass ihn sein Gott nicht wird zuschanden werden lassen, wenn er dem Ahas „ein Zeichen unten in der Hölle oder droben in der Höhe“ anbietet, Jes. 7, 11, siehe auch Jes. 38, 8. Doch ist das Wundertun dem prophetischen Beruf nicht wesentlich, und es ist bezeichnend für die geistige Höhe des Alten Testaments, dass es die Zeichen und Wunder nur in Verbindung mit einer durch ihren Inhalt als göttliche Wahrheit sich erweisenden Verkündigung als Beglaubigung wahren Prophetentums anerkennt. Propheten, die Widergöttliches reden, können auch durch Zeichen und Wunder ihren göttlichen Beruf nicht erweisen, 5Mos. 13, 1–3. Das Wesentlichste beim Propheten ist, dass er Gottes Wort hat und in Gottes Auftrag verkündigt.
Aber cc. wie empfängt er das Wort Gottes, in welcher Form ergeht die göttliche Offenbarung an ihn? 4Mos. 12, 6–8 erscheinen drei Formen des Offenbarungsverkehrs zwischen Gott und dem Propheten: Gesicht, Traum, mündliches Reden Gottes mit sichtbarer Selbstdarstellung. Die letzte, höchste Form (wörtlich „Reden von Mund zu Mund“) macht nach dieser Stelle den eigentümlichen Vorzug des Mose aus, vergleiche 5Mos. 34, 10. Beispiele dafür siehe 2Mos. 3, 3ff; 2Mos. 19, 19; 2Mos. 20, 21f. Für die Form des Traumes findet sich bei eigentlichen Propheten außer Dan. 7, 1 kein ganz sicheres Beispiel; umso häufiger beriefen sich die falschen Propheten auf Träume, Jer. 23, 32, vergleiche 5Mos. 13, 1–5. Doch dienen die Träume häufig zu Mitteilungen an solche, die, ohne eigentliche Werkzeuge der Offenbarung zu sein, außerordentlich einen Aufschluss von Gott bekommen sollen (vergleiche Artikel Traum). Dagegen ist die Form des „Gesichtes“ bei den Propheten sehr häufig, weshalb sie auch öfters als „Seher“ oder „Schauer“ bezeichnet werden, 1Sam. 9, 9; 1Chr. 21, 9; 1Chr. 25, 5; 1Chr. 29, 29. Wir finden in den prophetischen Büchern zahlreiche Beschreibungen solcher Gesichte von den einfachsten bis zu den kompliziertesten, zum Beispiel Amos 7–9; Jer. 1, 11ff; Jes. 6; Hes. 1, 4ff; Hes. 37, 1–14; Sach. 1–6. Es hat sich sogar infolge davon, dass die Offenbarung häufig durch ein Gesicht empfangen wurde, für die Weissagung die Bezeichnung „Gesicht“ gebildet, zum Beispiel Jes. 1, 1; Jes. 2, 1; Oba. 1; Nah. 1, 1 (wo Luther geradezu „Weissagung“ übersetzt); oder sagt der Prophet, dass er das Wort, das er verkündigt „geschaut“ oder „gesehen“ hat, Micha 1, 1; Jes. 13, 1; Jer. 38, 21 („Wort, welches mich Jahveh hat sehen lassen“, Luther: „mir gezeigt hat“). Die Ansicht*), es handle sich bei den Gesichten um Erscheinungen, welche Gott aus der gewöhnlich unsichtbaren Welt den Propheten habe entgegentreten lassen und welche dann von diesen in wachem Zustand wirklich mit den geöffneten äußeren Augen gesehen worden seien; der unsichtbare Welthintergrund habe sich für das äußere Auge des Propheten geöffnet, so dass sich zum Beispiel für Hesekiel wirklich der Thronwagen Gottes gezeigt habe: diese Ansicht wäre an sich zulässig bei solchen Gesichten, in denen sich dem Propheten wirklich Existierendes zu schauen gab, in Jes. 6 und 2Kön. 6, 17, und, wenn man sich entschließen kann, einen Thronwagen Gottes für wirklich vorhanden zu halten, Hes. 1. Doch wäre damit der dem Mose 4Mos. 12, 6–8 zugeteilte Vorzug zugunsten anderer Propheten wieder aufgehoben.
Aber wie soll diese Erklärung möglich sein bei solchen Gesichten, deren Gegenstand der Natur der Sache nach in äußerer Wirklichkeit nicht vorhanden gewesen sein kann, sondern nur ein Sinnbild ist, wie in Amos 7 und Amos 8 der Bildner der Heuschrecken, das die Tiefe verzehrende Feuer, der Mann mit der Bleischnur, in Amos 8 der Korb mit reifem Obst, Jer. 1 der Stab und der siedende Topf, Hes. 37, 1ff das Feld mit den Totengebeinen? Ohne Zweifel hatten die Propheten, wenn sie ein Gesicht sahen, dieselbe Empfindung, wie wenn sich ein äußerer Gegenstand dem Gesichtssinn darbietet, aber die Tatsachen des Traumes beweisen, dass der Mensch solche Empfindungen haben kann, auch ohne die entsprechenden äußeren Sinneseindrücke.
Man wird daher annehmen haben, dass durch ein Einwirken Gottes auf die Seele für dieselbe solche Empfindungen hervorgerufen wurden, wie sie sonst durch Einwirkung eines äußeren Gegenstandes auf den Gesichtssinn entstehen. Der Unterschied des Gesichts von der Gottes- (oder Engels-)erscheinung ist der, dass bei letzterer dem Menschen ein Gegenstand der Anschauung in äußerer Wirklichkeit entgegentritt und auf die Sinne wirkt, während derselbe im Gesicht nicht in der äußeren Wirklichkeit vorhanden, sondern nur der Seele als Bild vorgestellt ist. Im Traum widerfährt letzteres dem schlafenden Menschen, im Gesicht dem wachenden. — Noch häufiger als auf Gesichte berufen sich die Propheten auf das, was Gott zu ihnen gesprochen hat, und führen ihre Rede mit einem „so spricht“ oder „hat gesprochen der Herr“ ein. An sich ist das Vorkommen von durch den Gehörsinn vernehmbaren Stimmen Gottes so wenig zu leugnen wie das von Gotteserscheinungen, vergleiche Joh. 12, 28–30, andererseits aber lassen sich Fälle wie 1Sam. 3, wo Samuel, als Gott ruft, Elis Stimme zu hören glaubt, auch so erklären, dass Gott durch eine Einwirkung auf die Seele die Gehörsempfindung hervorrief.
Vielfach aber hat man sich das Reden Gottes wohl einfach als innere Einsprache zu denken, dergestalt, dass Gott die Gedanken, die er dem Propheten mitteilen wollte, in seinem Geiste aufleuchten ließ.
Das Erlebnis des Propheten mag dabei Ähnlichkeit gehabt haben mit jenen bekannten Erfahrungen, wenn einem, wie man sagt, ein Licht aufgeht, oder wenn einem Forscher oder Dichter ein genialer Gedanke kommt, nur dass der Prophet dieses Licht dem Einfluss Gottes auf seinen Geist verdankte und dabei das sichere Bewusstsein hatte, dass es von Gott stammte. Übrigens liegt es in der Natur der Sache, dass man das Wesen von Vorgängen, welche dem allgemein menschlichen Erfahrungsgebiet nicht angehören, eben weil uns die Erfahrungen fehlen, nicht vollständig zu erkennen vermag.
dd. Die Frage, ob sich die Propheten beim Empfang der Offenbarung in einem Zustand der Entzückung (Ekstase) befanden, lässt sich weder unbedingt bejahen, noch verneinen. Wenn Petrus (Apg. 10, 10; Apg. 11, 5) und Paulus (2Kor. 12) entzückt werden, so können solche Zustände auch der Propheten nicht unwürdig sein. Allein die Entzückung des Paulus, bei welcher er „unaussprechliche Worte“ hörte, scheint nicht der Mitteilung einer göttlichen Offenbarung gedient zu haben, bei Petrus aber war offenbar das gewöhnliche, wache Bewusstsein nicht aufgehoben. Bei den Propheten ist jedenfalls deutlich, dass sie einer das klare Bewusstsein aufhebenden Entzückung bei Vernehmung der göttlichen Mitteilung nicht unterworfen waren; man vergleiche das Verhalten Jesajas bei seiner Berufung, Kapitel Jes. 6, der sich seiner sündhaften Unreinigkeit Gott gegenüber vollständig bewusst bleibt, oder des Jeremias Kapitel Jer. 1, der durchaus nüchtern seine Jugend geltend macht. Wo aber Zustände der Unterdrücktheit des Selbstbewusstseins, der Betäubung vorkommen, wie Hes. 1, 28–2, 2; Hes. 3, 23f: Dan. 8, 18; Dan. 10, 9–11, sind sie nur begleitende Umstände. Zur Vernehmung des Gotteswortes werden die Propheten wieder in den normalen Geisteszustand hergestellt.
ee. Noch besonders hervorzuheben ist, wie nicht nur die Propheten ein ganz klares Bewusstsein haben, dass sie nicht einen selbsterzeugten, sondern einen gegebenen Inhalt verkündigen, sondern auch dieser Inhalt selbst sich oft ganz deutlich von den eigenen Gedanken der Propheten unterscheidet. Schon das ist bemerkenswert, dass sich die Propheten öfters selber von ihrer Weissagung wie von einer erschütternden Kunde, die sie vernommen haben, ergriffen zeigen, zum Beispiel Jes. 16, 9–11; Jer. 4, 19–21. Noch wichtiger aber ist der Gegensatz, in welchem öfters das Wort Gottes, das der Prophet verkündigt, zu seinem eigenen Meinen und Wünschen steht. So muss Samuel, 1Sam. 3, dem Eli eine ihm selbst schmerzliche Kunde bringen, 1Sam. 8, 6–9, gegen seinen Sinn einen König einsetzen und, Kapitel 1Sam. 15, dem Saul seine Verwerfung, die er gerne (vergleiche 1Sam. 9, 11 und 1Sam. 16, 1) abgewendet hätte, ankündigen. Nathan muss seine gegen David ausgesprochene Ansicht über den Tempelbau zurücknehmen, 2Sam. 7, 1–7. Den Habakuk veranlasst die ihm, Hab. 1, 5–11, gewordene Kunde zu einem ringenden Gebete zu Gott, Vers Hab. 1, 12–17. Vornehmlich bietet Jeremia das Bild eines Mannes, der mit Verkündigung einer ihm selber schrecklichen Wahrheit beauftragt, angesichts der Leiden, die ihm sein Prophetenberuf bereitete, am liebsten geschwiegen hätte, aber dem Drang des Geistes, das in ihn gelegte Gotteswort zu reden, nicht zu widerstehen vermag, vergleiche als Hauptstelle Jer. 20, 7ff und siehe den Artikel Jeremia.
— 3) Falsche Propheten. Durch den ihnen von Gott gewordenen Auftrag, unter dessen Inhalt sie selber sich beugen, unterscheiden sich die wahren Propheten von den falschen, die zuzeiten zahlreich unter dem Volk auftraten. 1Kön. 22, 20–23 erscheinen Propheten, die im Dienst Jahwes stehen wollen, Vers 1Kön. 22, 5. 1Kön. 22, 24, von einem falschen Geiste irregeführt. Von einer ähnlichen vom Herrn ausgehenden Betörung ist Hes. 14, 9 die Rede. Gewöhnlich aber erscheinen die falschen Propheten als im Dienst heidnischer Götter stehend, somit heidnischer Wahrsagerei ergeben, 1Kön. 18, 19; Jer. 23, 13; vergleiche 5Mos. 13, 1ff, oder als dem Namen nach Jahwe ergeben, aber ohne göttlichen Beruf und Offenbarung „ihres Herzens Gesichte“ verkündigend und „nicht aus des Herrn Mund“ predigend, Jer. 23, 16. Sie sind von dem Herrn nicht gesandt, Vers Jer. 23, 21, vergleiche 5Mos. 18, 20, folgen ihrem eigenen Geist und haben keine Gesichte, Hes. 13, 3, reden Lügen und berufen sich fälschlich darauf, dass der Herr zu ihnen geredet habe.
Gerne berufen sie sich auf Träume, Jer. 23, 25. Jer. 23, 32. Was sie aus ihrem eigenen Geist heraus sagen, entspricht dann auch dem Sinn und den Wünschen des Volkes; sie sind falsche Friedensprediger, welche predigen: „Friede, Friede!“ und ist doch kein Friede, Jer. 6, 14; Jer. 8, 11; Jer. 14, 13, vergleiche Jer. 28, 8f; Hes. 13, 10. Damit bestärkten sie das Volk in seiner falschen Sicherheit und seiner Sünde, Jer. 23, 14; Jer. 27, 14; Hes. 13, 22, und so zeugt der Inhalt ihrer eigenen Rede wider ihre angebliche Berufung, Jer. 23, 22; wie sie auch selber schändlich lebten, Jer. 23, 14; Jer. 29, 20–23, auch um Geld weissagten, Micha 3, 5. Micha 3, 11. Während daher der wahre Prophet dessen gewiss ist, dass das von ihm verkündigte Gotteswort sich als wahr bewährt, Jes. 55, 11, und sich kräftig erweist, Jer. 23, 29, wird das, was der falsche Prophet geredet hat, durch das Ausbleiben seiner Erfüllung in seiner Nichtigkeit offenbar, 5Mos. 18, 22.
— 4) Das prophetische Schrifttum. Bezüglich der Bücher der einzelnen Propheten vergleiche die betreffenden Artikel; hier ist Folgendes zu bemerken. Abgesehen von der schriftstellerischen Tätigkeit des Moses, welche dazu diente, die durch ihn gegebenen Grundlagen für das religiöse Leben des Volkes späteren Geschlechtern zu erhalten und der ähnlichen des Josua und Samuel (Jos. 24, 26; 1Sam. 10, 25), finden wir eine schriftstellerische Tätigkeit von Propheten in der älteren Zeit nur in der Form prophetischer Geschichtsschreibung. Die Geschichtsbücher tragen mehr oder weniger den Charakter dieser prophetischen Darstellung der Geschichte (die Bücher Josua, Richter, Samuels und der Könige heißen in der hebräischen Bibel „die früheren Propheten“). Um der bleibenden Bedeutung der israelitischen Geschichte für das Reich Gottes willen musste sie aufgezeichnet werden.
Doch liegt die Aufgabe der prophetischen Geschichtsschreibung nicht einfach im Berichten der Tatsachen, sondern in dem Nachweis des gerechten und gnädigen Waltens Gottes in der Geschichte seines Volkes, in der Beleuchtung dieser Geschichte durch das dem Einblick in Gottes Wesen, Regierungsgrundsätze und Plane entstammende Licht.
Indem die Propheten Gottes Gedanken in der Führung seines Volkes enthüllen, lehren sie dessen Geschichte als eine Offenbarung Gottes verstehen, und darin liegt der eigentümliche Wert und der heilige Charakter ihrer Geschichtsschreibung, dadurch sie selber ein mitwirkender Faktor in der Geschichte des göttlichen Reiches wird. Dabei hat man Anzeichen genug, dass die Propheten die berichteten geschichtlichen Tatsachen nicht auf andere Weise erfahren haben als andere Menschen, aber das höhere Verständnis derselben verdanken sie ihrer prophetischen Erleuchtung. Als den Anfänger dieser Geschichtsschreibung kann man Mose betrachten, 2Mos. 17, 14. Die Chronik erwähnt als geschichtsschreibende Propheten den Samuel, Nathan, Gad 1Chr. 29, 29, Ahia und Jeddi 2Chr. 9, 29, Semaja und Iddo 2Chr. 12, 15; 2Chr. 13, 22, Jehu 2Chr. 20, 34, Jesaja 2Chr. 26, 22; 2Chr. 32, 32, vergleiche den geschichtlichen Abschnitt Jes. 36–39 und Jer. 36–45.
In demselben Maße aber, in dem die prophetische Wirksamkeit aufhörte, sich auf die Gegenwart zu beschränken, und das Wort der Propheten eine Bedeutung für die Zukunft gewann, entstand die Notwendigkeit einer Aufzeichnung der prophetischen Reden. Dadurch wurde das Wort der Propheten, das in der Gegenwart vielfach taube Ohren fand (vergleiche zum Beispiel Jes. 6, 9f und die Wirksamkeit des Jeremia), späteren Geschlechtern aufbewahrt zu ihrer Belehrung, Warnung und Tröstung, indem es ihnen nicht nur allgemeine ewig gültige sittlich-religiöse Wahrheiten mitteilte, sondern ihnen auch die Ziele den Wege Gottes enthüllte, wie es ihnen andererseits den Beweis lieferte von der Wirklichkeit und Wahrheit der Offenbarung des lebendigen Gottes, der den Gang der Dinge und die Verwirklichung seiner Gedanken durch denselben zum voraus angekündigt hatte; vergleiche Jes. 8, 1–4; Hab. 2, 1–3 und zahlreiche Stellen in Jes. 40, zum Beispiel Jes. 41, 21–29; Jes. 42, 9; Jes. 43, 9–13; Jes. 44, 25f; Jes. 45, 18–21. Diesen prophetischen Reden fühlt man vermöge der Lebhaftigkeit und dem hohen Schwung, ja der Erregtheit ihrer Sprache häufig die innere Ergriffenheit des Propheten an, sodass man sieht, sie sind in derselben Gemütsverfassung niedergeschrieben, in der der Prophet sie vor dem Volk verkündigt hatte, sei es, dass sie alsbald aufgezeichnet wurden, oder dass bei späterer Aufzeichnung die lebhafte Erinnerung die frühere Gemütsstimmung wieder wachrief. Andere hingegen zeigen in ruhigerer Sprache und breiterer Ausführung den nicht mehr unmittelbar im Kampf stehenden, sondern mehr in Ruhe den Hauptinhalt seiner Reden zusammenfassenden und darstellenden Propheten. Ein ausdrückliches Zeugnis für solche Entstehung einer Sammlung prophetischer Reden findet sich Jer. 36, 1–4; Jer. 27–32.
— 5) Geschichte des Prophetentums. Sofern sie göttlicher Offenbarungen gewürdigt wurden, können Männer wie Noah und Abraham Propheten im weiteren Sinn des Wortes heißen 1Mos. 20, 7; Psa. 105, 15. Aber Sprecher Gottes, mit göttlichen Aufgaben betraut, waren sie doch nicht, sondern empfingen die göttlichen Weisungen mehr für sich selbst (denn in Stellen wie 1Mos. 12, 8, wo es in der deutschen Bibel heißt: „Abram predigte von dem Namen des Herrn“ ist vielmehr zu übersetzen „rief an den Namen des Herrn“). Der erste eigentliche Prophet und Dolmetscher des göttlichen Willens an das Volk Gottes ist vielmehr Mose, freilich um seines besonders nahen Verhältnisses zu Gott (4Mos. 12, 1ff) und um seiner einzigartigen Stellung als Führer und Gesetzgeber des Volkes willen mehr als ein Prophet, aber doch auch wieder nach 5Mos. 18, 15 („einen Propheten wie mich“) das Ur- und Vorbild des Propheten, wie sich denn auch schon in seinen Reden die Grundgedanken der späteren Propheten, Sünde des Volkes, Gericht, Wiederbegnadigung des Volkes, finden, vergleiche 3Mos. 26; 5Mos. 28, 32. Neben ihm finden wir 2Mos. 15, 20 Mirjam als Prophetin bezeichnet, und 4Mos. 12, 1ff nimmt sie und Aaron die Ehre in Anspruch, dass Gott durch sie rede; 4Mos. 11, 16ff erscheinen 70 Männer, die an Moses Geist der Weissagung Anteil bekommen.
Entsprechend der 5Mos. 18, 15ff verheißenen Fortsetzung des zuerst durch Mose vermittelten Offenbarungsverkehrs zwischen Gott und seinem Volk, treten fortan immer von Zeit zu Zeit Propheten auf, freilich in der Richterzeit nur vereinzelt, vergleiche Richt. 4, 4 die prophetische Richterin Debora, Richt. 6, 7ff. (vielleicht auch schon Richt. 2, 1ff, wenn man dort statt „Engel“ „Bote des Herrn“ übersetzen darf) und 1Sam. 2, 27 einen ungenannten Propheten.
Was von der Zeit Elis gesagt ist, „des Herrn Wort war teuer und war wenig Weissagung“, 1Sam. 3, 1, scheint von der ganzen Richterzeit zu gelten, bis am Schluss dieses Zeitabschnittes die gewaltige Prophetengestalt Samuels auftritt, der die religiöse und auf Grund davon die nationale Erneuerung des Volkes anbahnt und mit einer Entschiedenheit, welche auch alles eigene Wünschen und Wohlmeinen unter den Gehorsam gegen Gott gefangen gibt, den heiligen Willen Gottes vornehmlich auch gegen Saul vertritt, hierin das Vorbild für die ganze Stellung des Prophetentums dem Königtum gegenüber, und in dem Wort 1Sam. 15, 22 das Programm aufstellt für die prophetische Beurteilung der gottesdienstlichen Werke.
In Samuels Zeit treten Prophetenvereine auf, sogenannte Prophetenschulen. Die 1Sam. 10, 5. 1Sam. 10, 10f erwähnte Vereinigung von Propheten kann dieselbe gewesen sein wie die 1Sam. 19, 18ff erwähnte zu Najoth (das heißt Wohnungen) bei Rama (siehe Artikel Najoth). Diese Vereinigung erkannte den Samuel als ihr Haupt an (vergleiche Vers 1Sam. 19, 20). Auch zu Elisas Zeit treffen wir Prophetenvereine zu Bethel, Jericho und Gilgal, 2Kön. 2, 3. 2Kön. 2, 5; 2Kön. 4, 38, deren Glieder „Söhne (Luther: Kinder) der Propheten“ heißen, was gleich dem Ausdruck „wohnen oder sitzen vor Elisa“, 2Kön. 4, 38; 2Kön. 6, 1, auf ein Jüngerverhältnis hinweist. Dass sie beisammen wohnten oder wenigstens ein Lokal zur Versammlung hatten, zeigt 2Kön. 6, 1ff; eine gemeinsame Mahlzeit ist 2Kön. 4, 38ff erwähnt; hinwiederum ergibt sich aus 2Kön. 4, 1–7, dass sie verheiratet sein und eigene Wirtschaft führen konnten.
Das mächtige Ergriffenwerden vom Geiste Gottes wie bei dem älteren Prophetenverein finden wir bei diesen Propheten Schülern nicht berichtet (doch beachte den Ausdruck „dieser Rasende“, den die Kameraden Jehus von einem Propheten Schüler brauchen, 2Kön. 9, 11 vergleiche mit 2Kön. 9, 1.); vielleicht war sie den Anfängen der neuen, mächtigen Geistesbewegung, welcher diese Prophetenvereine entstammen, in höherem Grade eigentümlich (wie manche der im Neuen Testament erwähnten Geistesgaben den Anfängen des Christentums). Die Genossen dieser Prophetenvereinigungen sind schwerlich für unmittelbar von Gott berufene und ausgerüstete Propheten zu halten; sie scheinen eine Unterscheidung zwischen unmittelbaren (eigentlichen) Propheten und mittelbaren nötig zu machen, „welche die von den unmittelbaren Propheten ausgesprochenen Gedanken verarbeiteten, in Poesie und Musik pflegten, unter dem Volk in Erinnerung hielten“; vielleicht wurde auch in ihren Kreisen die prophetische Geschichtsschreibung gepflegt.
Diese oft sehr zahlreichen Propheten mögen viel zur Förderung des echten Jahvehdienstes im Volk beigetragen haben und nach 1Kön. 18, 4 haben viele ihre Treue gegen Jahveh mit dem Märtyrertod besiegelt.
Andererseits konnte dieses ursprünglich der Begeisterung für Jahveh entsprungene Prophetentum auch ausarten zu einem ungeistlichen, berufsmäßigen Prophetentum, das um die Gunst des Hofes oder des Volkes buhlte, vergleiche die 400 Propheten 1Kön. 22 und Amos 7, 12ff, wo die verächtliche Rede des Amazja und der Protest von Amos dagegen, dass er ein Prophet von der Zunft sei, auf einen wenig ehrenwerten Charakter der berufsmäßigen Propheten hinweist. Dass Gott sich unter diesen Propheten einzelne zu seinen Werkzeugen erwählte, also ein mittelbarer Prophet ein unmittelbarer werden konnte, erhellt aus 1Kön. 20, 35, dass er sich aber nicht an sie gebunden hat, aus Amos 7, 12ff — Nachdem der Ungehorsam Sauls ein Auftreten des durch Samuel vertretenen Prophetentums gegen den König hervorgerufen hatte, machte die Gott wohlgefällige Regierung Davids ein einträchtiges Zusammenwirken des Königs und der Propheten möglich.
Nathan stand dem König als Ratgeber zur Seite und durfte ihm eine göttliche Verheißung überbringen, 2Sam. 7, 1, wurde auch der Erzieher Salomos, 2Sam. 12, 25; auf das nahe Verhältnis des Propheten Gad zu David weist die Bezeichnung „Seher Davids“, 2Sam. 24, 11, hin. Aber das schloss nicht aus, dass sie als Boten Gottes dem David seine Versündigungen vorhielten und die göttliche Strafe ankündigten, 2Sam. 12, 1ff; 2Sam. 24, 11ff.
Als hernach Salomo sich der Abgötterei schuldig machte, kündigte Ahia dem Jerobeam an, dass er der Herrscher über zehn Stämme werden solle, 1Kön. 11, 29ff, aber dem infolge der Reichsspaltung drohenden Bruderkrieg wehrte das Wort Semajas, 1Kön. 12, 22–24. Jerobeams Abgötterei rief die Verfluchung des Altars zu Bethel durch einen ungenannten Propheten aus Juda, Kap. 1Kön. 13, und die Ankündigung des Untergangs von Jerobeams Haus durch denselben Ahia, der ihm seine Erhebung auf den Thron verkündigt hatte, hervor.
Unter Ahab entfaltete Elia in der Prophetenverfolgung, der Isebel von Gott errettet und wunderbar erhalten, seine bedeutende Wirksamkeit. Das Gottesgericht auf dem Karmel gab dem Baalsdienst einen bedeutenden Stoß, Kap. 1Kön. 18, und Ahas selber demütigte sich infolge einer Gerichtsdrohung, 1Kön. 21, 17–29. Gleichzeitig mit ihm vertrat Micha, Sohn des Jemla, dem Ahab gegenüber das echte, durch keine Rücksicht auf die königliche Gunst beeinflusste Prophetentum, Kap. 1Kön. 22.
Nach Elia aber setzte Elisa, der Erbe seines Berufes, 1Kön. 19, 16. 1Kön. 19, 19, und seines Geistes, 2Kön. 2, 9ff, sein Werk fort, den Sturz des Hauses Omri durch Jehu veranlassend und seinen Einfluss selbst über die Grenzen Israels hinaus auf Syrien ausdehnend, vergleiche 1Kön. 19, 15f mit 2Kön. 9, 1ff; 2Kön. 8, 7ff. Durch seine Wunder für viele ein Wohltäter, stand er auch dem Hause Jehus im Ganzen als Freund zur Seite; sein Tod wurde von dem König Joas als schwerer Verlust für König und Reich empfunden, 2Kön. 13, 14.
Aber doch vermochten diese Propheten nicht den religiösen und sittlichen Niedergang und damit den Untergang des Reiches abzuwenden. Nachdem dasselbe, gemäß der Weissagung des Jona, Sohn Amithais, 2Kön. 14, 25, durch Jerobeam II. noch einmal eine Blütezeit erlebt hatte, musste Amos aus dem Reich Juda dem „sündigen Königreich“ das Vertilgungsgericht ankündigen, Amos 9, 8, und sein etwas jüngerer Zeitgenosse Hosea, der die dem Untergang dieses Reiches vorausgehenden Wirren mit seinem Zeugnis begleitete, bezeichnete Hos. 8, 9f; Hos. 10, 6 Assur als Werkzeug des göttlichen Gerichtes über Israel.
Der letzte im nördlichen Reiche wirkende Prophet ist Oded, 2Chr. 28, 9–15. — Im Reiche Juda hatte der Jahvehdienst, für welchen die Propheten im Nordreich gegenüber den abgöttischen Neigungen der Könige schwere Kämpfe kämpften, eine Stütze sowohl an dem Tempel und der Priesterschaft, als an dem davidischen Königshaus, aus dem eine Reihe gottesfürchtiger Herrscher hervorging. Das Prophetentum hat daher in diesem Reiche in den zwei ersten Jahrhunderten nicht die hohen Aufgaben und darum auch nicht die Bedeutung wie im Nordreich. — Freilich wenn ein König dem Herrn untreu wurde, so fehlte es auch hier nicht an Propheten, die ihm gegenüber das Wächteramt übten und den König daran mahnten, was er seiner Stellung als König über das Volk Gottes schuldig sei, vergleiche außer dem schon oben erwähnten Auftreten Semajas das des Asarja 2Chr. 15, 1ff, des Hanani 2Chr. 16, 7ff, seines Sohnes Jehu 2Chr. 19, 2f und des Elieser 2Chr. 20, 37. Unter Joas büßte Sacharja, der Sohn des Jojada, sein Zeugnis wider die Abgötterei des Volkes und des Königs mit dem Märtyrertod, 2Chr. 24, 20f. In diese Reihe Propheten gehören auch die beiden 2Chr. 25, 7 und 2Chr. 25, 15 erwähnten, aber nicht genannten.
In diesem Reiche vornehmlich finden wir die Propheten, welche ihre Weissagungen niederschreiben und damit der Zukunft als Vermächtnis hinterlassen. Den Anfang damit machen vielleicht Obadja und Joel; durch sie wird die wichtige Idee des Tages des Herrn in die Weissagung eingeführt, Oba. 15; Joe. 1, 15; Joe. 2, 1; Kla. 4. Ihre Weissagung richtet sich noch nicht gegen Juda, das damals noch nicht auf der Bahn des Abfalls von Gott war, sondern die Obadjas gegen Edom, und die Joels, nachdem er Juda mit Erfolg zur Buße gerufen hatte, gegen andere heidnische Nachbarvölker. Assur ist nicht in ihrem prophetischen Gesichtskreis.
An sie schließen sich die beiden im nördlichen Reich wirkenden Propheten Amos und Hosea an, von denen der erste, der das nachher durch Assur über Israel und die umliegenden Länder vollzogene Gericht schaut, ohne noch das Gerichtswerkzeug Gottes zu nennen, den Übergang zu den Propheten der assyrischen Periode bildet, der neben Hosea noch Micha, Jesaja und Nahum angehören. Micha und Jesaja hatten eine bedeutende Wirksamkeit im Reiche Juda, wo sie den Kampf führten gegen den toten Gottesdienst bei Herzensabfall von Gott und bösem Leben und insbesondere das Sittenverderben der höheren Stände straften. Was Michas Rede vermochte, zeigt Jer. 26, 18f; und wie Jesaja in schweren Zeiten, da dem Reiche durch Pekah und Rezin, und dann, da ihm durch Sanherib der Untergang drohte, durch das ihm gewordene Gotteswort den Unglauben des Ahas strafte und den Glauben des Hiskia stärkte und – selber der Mittelpunkt für die Gläubigen – der Staatsklugheit gegenüber die Politik des Glaubens und Harrens vertrat, ist aus seinem Buche zu sehen.
Aber von der Bahn der Gottlosigkeit das Volk Juda zurückzuführen vermochten sie nicht, und wie dem Jesaja schon bei seiner Berufung angekündigt worden war, dass seine Predigt nicht bekehrend, sondern verstockend wirken werde, so mussten diese beiden Propheten selber das Gericht über Juda verkündigen, als dessen Werkzeug sie, obwohl damals Assur die herrschende Weltmacht war, schon Babel bezeichneten, Micha 4, 10; Jes. 39, 5–7, vergleiche K. Jes. 13.
Aber je düsterer sich die nächste Zukunft ihrem Blick darstellte, desto herrlichere Weissagungen wurden ihnen auch über die hinter der Gerichtszeit liegende Heilszeit und den Messias gegeben.
Die dem Ende der assyrischen Periode angehörige Weissagung Nahums greift nicht so weit hinaus in die Zukunft wie die des Micha und Jesajas; sie verkündigt die bevorstehende Zerstörung Ninives und die Befreiung Judas von dem assyrischen Druck.
Den Übergang zur chaldäischen Periode bildet Zephanja, der zur Zeit Josias Juda das Gericht und Assur den Untergang weissagt und mit einer trostreichen messianischen Weissagung schließt.
In die Regierung Josias fällt die Berufung Jeremias, die Wirksamkeit der 2Kön. 22, 14ff erwähnten Prophetin Hulda, wahrscheinlich auch die des Habakuk.
Sie alle verkündigen das unabwendbare Gericht über Jerusalem, aber Habakuk und Jeremia auch den Untergang Babels, nachdem es dem Herrn zum Gerichtswerkzeug über Juda und viele heidnische Völker gedient hat.
Ebenso der mit Jojachin nach Babel geführte Hesekiel.
Aber Jeremia von Jerusalem aus und Hesekiel in der Verbannung dürfen auch dem weggeführten Volk den Trost einstiger Wiederbringung in das gelobte Land geben und tiefe Weissagungen über die bevorstehende messianische Zeit verkündigen.
Es ist nicht zu zweifeln, dass die Wirksamkeit dieser beiden Männer, die sich mit ausharrender Treue ganz ihrem schweren Beruf hingegeben und dafür gelitten haben, viel dazu beigetragen hat, dass durch alle Gerichte und alle Versuchungen der Gefangenschaft hindurch ein getreuer Rest des Volkes, der Grundstock für das Israel der Zukunft, erhalten worden ist.
Mag man das Buch Jes. 40–66 dem alten Jesaja oder einem späteren großen Propheten zuschreiben, jedenfalls ist es ein Trostbuch zunächst für das in der Gefangenschaft schmachtende Israel; ehe sie eintrat, hat es die Erlösung des gefangenen Volkes als unzweifelhaft gewiß, weil in einem unwandelbaren Ratschluss Gottes begründet, verheißen.
In der starken Hervorhebung des Gedankens, dass sich Gott durch seine zuvor verkündigten großen Heils- und Gerichtstaten als den wahren Gott der ganzen Welt erweist, dem gegenüber die Götzen und die Götzendiener zuschanden werden, berührt es sich mit dem Buch Daniel, welches zeigt, wie Gott auch den heidnischen Weltherrschern die Anerkennung seiner Alleinherrschaft abnötigt, wie Gott der Gott der Weltgeschichte ist und seinem Reiche zuletzt den Sieg über alle Weltreiche verleiht.
Auch die aus der Gefangenschaft zurückgekehrte Gemeinde hat noch ihre Propheten, zuerst Sacharja und Haggai, welche für die Wiederaufnahme des unterbrochenen Tempelbaus eintreten und die Heilshoffnungen des Volkes neu beleben, und zuletzt Maleachi, mit dem die alttestamentliche Prophetie verstummt, bis sie noch einmal auflebt in dem von Maleachi vorherverkündigten zweiten Elia, Johannes dem Täufer, um das Morgenrot der neuen, messianischen Zeit anzukündigen.
— Auch das falsche Prophetentum hat seine Geschichte.
Schon 5Mos. 13, 2ff; 5Mos. 18, 20–22 in Aussicht genommen, hat es sich im Zehnstämmereich als Baalsprophetentum zu den Zeiten Ahabs und Isebels wie auch der anderen Könige dieser Herrscherfamilie üppig entfaltet und scheint auch durch Jehu, 2Kön. 10, 18–22, so wenig auf die Dauer ganz ausgerottet worden zu sein als vorher durch Elias Gericht über die Baalspropheten am Bache Kison, 1Kön. 18, 40; wenigstens scheint Jer. 23, 13 das Baalsprophetentum als überhaupt für das nördliche Reich charakteristisch zu bezeichnen.
Das falsche Jahve-Prophetentum aber, neben dem Baalsprophetentum im Zehnstämmereich vorhanden, 1Kön. 22, gewann hernach im Reich Juda großen Einfluss, wurde zwar von den wahren Propheten kräftig bekämpft (Micha 3; Jes. 9, 14; Jes. 28, 7; Jer. 23, 9ff; Jer. 23, 27; Jer. 23, 28; Hes. 13), trug aber doch viel dazu bei, das Reich dem Verderben entgegenzuführen.
Selbst unter den Verbannten in Babel setzten sie ihr Treiben fort und nährten falsche Hoffnungen des Volkes, Jer. 29, 15. Jer. 29, 20–22.
Noch die letzte Periode nach der babylonischen Gefangenschaft zeigt neben dem echten Prophetentum die Verkehrung desselben in falschen Propheten und der falschen Prophetin Noadja, Neh. 6, 6–14.
— II. Im Neuen Testament. Als mit Maleachi die Weissagung verstummt war, empfand man das Fehlen des unmittelbaren Gotteswortes (1Makk. 4, 46; 1Makk. 9, 27; 1Makk. 14, 41), aber weder das Bedürfnis danach, noch die Begeisterung der makkabäischen Heldenzeit vermochte zu erzeugen, was nicht menschlichen Ursprungs ist.
Aber mit dem Anbruch der neutestamentlichen Gnadenzeit wurde der Geist der Weissagung wieder lebendig, Luk. 1, 41. Luk. 1, 67; Luk. 2, 25ff. Luk. 2, 36–38, und als letzter großer Prophet des Alten Bundes, der den Anbruch des Neuen verkündigt, tritt Johannes der Täufer auf, Luk. 1, 17. Luk. 1, 76; Matth. 17, 11–13; Matth. 11, 13f, der freilich auch wieder mehr ist als ein Prophet, Matth. 11, 9. Joh. 1, 21 lehnt er nicht ab, dass er ein, sondern dass er „der“, nämlich der auf Grund von 5Mos. 18, 15ff erwartete sonderliche Prophet sei.
Der, in welchem das Prophetentum zur höchsten Vollendung, ja zur Vollkommenheit gelangt ist, ist vielmehr Jesus, der auch in seinem Auftreten und seiner Wirksamkeit den Eindruck eines großen Propheten machte, Matth. 16, 14; Matth. 21, 11; Luk. 24, 19, vergleiche Joh. 3, 2.
Auch die Gemeinde Christi hat Propheten. Zwar können Eph. 2, 20 auch die alttestamentlichen Propheten gemeint sein (vergleiche Röm. 1, 2; Röm. 16, 26); es könnten auch an dieser Stelle und Eph. 3, 5 dieselben Personen als Apostel und Propheten bezeichnet sein; aber in Eph. 4, 11 (vergleiche Matth. 23, 34; Apg. 13, 1) erscheinen unzweifelhaft neben den Aposteln neutestamentliche Propheten, die von den Evangelisten und Lehrern unterschieden werden. Ihre Aufgabe kann daher weder die Missionspredigt, noch einfache Belehrung der Gemeinde in Verbindung mit Schrifterklärung gewesen sein.
Vielmehr hatten sie nach 1Kor. 14, 30 Offenbarungen, ohne jedoch von dem Geist der Offenbarung so überwältigt zu werden, dass sie ihrer selbst nicht mehr mächtig gewesen wären, V. 1Kor. 14, 32, vergleiche auch den Gegensatz von 1Kor. 14, 24f zu 1Kor. 14, 23. Durch das, was ihnen durch Einwirkung des Geistes gegeben war, wussten sie mit einer zu Herzen dringenden und namentlich die Gedanken der Herzen aufdeckenden, überführenden Kraft zu reden, V. 1Kor. 14, 24f, weshalb die Gabe der Weissagung für die Gemeinde von hohem Werte war, V. 1Kor. 14, 1–5. Zukünftiges war es nicht notwendig, was ihnen zu reden verliehen wurde, was neben V. 1Kor. 14, 24f. V. 1Kor. 14, 3 beweist.
Diese Gabe der Weissagung erscheint 1Kor. 12, 10 als eine der bei den einzelnen verschiedenen Gnadenwirkungen des heiligen Geistes. Übrigens fehlt es auch, ganz abgesehen von dem prophetischen Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung, und den auf Zukünftiges gehenden Abschnitten der neutestamentlichen Briefe, nicht an Beispielen von Propheten, welche Zukünftiges voraussagten, vergleiche den Agabus und einige Unbekannte, Apg. 11, 27f; Apg. 21, 10f, vergleiche V. Apg. 21, 9 und Apg. 21, 4. Über zwei ausgezeichnete Propheten der Zukunft siehe Offb. 11.
Falsche Propheten sind erwähnt Matth. 7, 15, wohl von Menschen, die vorgeben, im Namen Gottes oder Jesu zu reden, es aber nicht in seinem Sinn tun, vergleiche V. Matth. 7, 22, ferner 1Joh. 4, 1. Für die Zeit der Zerstörung Jerusalems sind Matth. 24, 11 falsche Propheten vorausgesagt, die viele verführen werden. Endlich erscheint eine falsche Prophetin, Offb. 2, 20ff — Tit. 1, 12 wird auch einmal ein heidnischer Dichter ein Prophet genannt. Th. Öhler.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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