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Mit dem Abschluss der Schriftensammlung des AT verlassen wir Israel als ein zweigeteiltes Volk. Der größte Teil der Nation war über das persische Reich zerstreut; die Juden waren dort mehr Kolonisten als Gefangene. Ein Überrest, die meisten aus dem Stamm Juda, war mit Serubbabel, einem Fürsten aus der Familie Davids, und den Überlebenden von den Priestern und Leviten in das Land zurückgekehrt. Dies wurde durch die wohlwollenden Erlasse des Kyrus und seiner Nachfolger ermöglicht (Dan 5,18 und 9,24, Fußnoten); die Zurückgekehrten hatten die Gottesdienste im Tempel wieder eingerichtet. Auf diesen Überrest konzentriert sich natürlich das Interesse aller, die die Heilige Schrift studieren, denn zweifellos ist die politische und religiöse Geschichte dieses Überrestes von besonderem Interesse.
I. Politisch ist das Geschick der Juden mit der Geschichte der heidnischen Weltmächte verbunden, wie sie von Daniel vorausgesehen wurde (Dan 2 und 7).
(1) Die persische Regierung dauerte nach dem Abschluss des Kanons des AT noch etwa hundert Jahre fort: Diese Herrschaft scheint milde und tolerant gewesen zu sein; man erlaubte dem Hohen Priester, dass er neben seinen religiösen Diensten eine gewisse zivile Macht ausübte, wenn auch den persischen Statthaltern in Syrien unterstellt. In dieser Zeit entwickelte sich der Gottesdienst in Samarien, der im Gegensatz zu Jerusalem stand und schon während der Monarchie Israels begann; dort wurde ein eigener Tempel errichtet.
(2) Im Jahre 333 v.Chr. kam Syrien unter die Herrschaft der dritten Weltmacht, des griechisch-mazedonischen Reiches Alexanders. Dieser Eroberer wurde dazu bewegt, die Juden mit viel Gunst zu behandeln, aber nach der Teilung seines Reiches geriet Judäa zwischen Amboss und Hammer, nämlich zwischen die Nachfolgestaaten Syrien und Ägypten, und zwar zuerst unter die Macht Ägyptens, das von den ptolemäischen Königen beherrscht wurde. In dieser Zeit (323–198 v.Chr.) wurden viele Juden in Ägypten angesiedelt, und die Septuaginta (LXX), die Übersetzung des AT ins Griechische, wurde begonnen (ca. 252 v.Chr.).
Im Jahre 198 v.Chr. wurde Judäa von Antiochus III. dem Großen erobert und Syrien einverleibt. In dieser Zeit wurde das Land in fünf Provinzen eingeteilt, die dem Leser der Evangelien vertraut sind – Galiläa, Samarien, Judäa (diese drei zusammen werden oft Judäa genannt), Trachonitis und Peräa. Den Juden wurde zunächst erlaubt, ihr Leben durch ihre eigenen Gesetze selbst zu ordnen, unter einem Hohen Priester und einem Rat. Im Jahre 171 v.Chr. hat Antiochus IV. Epiphanes (»das kleine Horn« von Dan 8,9) nach einem Eingriff in den Tempelbetrieb Jerusalem geplündert, den Tempel geschändet und viele Einwohner ermordet. Im Jahre 168 v.Chr. opferte Antiochus eine Sau auf dem großen Altar und errichtete einen Altar für Jupiter. Das ist die »Verwüstung« von Dan 8,13. Der Gottesdienst im Tempel wurde verboten; das Volk wurde dazu verurteilt, Schweinefleisch zu essen.
Diese Taten des Antiochus riefen den Aufstand der Makkabäer hervor, einer der heldenhaftesten Abschnitte der zwischentestamentlichen jüdischen Geschichte. Mattathias, der erste der Makkabäer, ein Priester von großer Frömmigkeit und Energie, gelobte, seine Nation zu befreien und den alten Gottesdienst wiederherzustellen. Ihm folgte sein Sohn Judas, in der Geschichte besonders bekannt als »der Makkabäer«, abgeleitet von dem hebräischen Wort »Hammer«. Er wurde von seinen vier Brüdern unterstützt, von denen Simon am besten bekannt ist.
Im Jahre 165 v.Chr. kam Judas in den Besitz von Jerusalem; er reinigte den Tempel und weihte ihn neu – ein Ereignis, das bis heute durch das Fest der Tempelweihe gefeiert wird. Judas fiel in der Schlacht. Ihm folgte sein Bruder Jonatan. In ihm vereinigte sich die zivile und religiöse Autorität ⟨143 v.Chr.⟩. Unter Jonatan, seinem Bruder Simon und seinem Neffen, Johannes Hyrkanus I., wurde durch einen Vertrag mit Rom die hasmonäische Linie der Priester–Regenten festgelegt. Ein Bericht über die Geschichte des Antiochus Epiphanes und der Makkabäer befindet sich in einem apokryphischen Buch, dem 1. Makkabäerbuch.
(3) Nach einigen Jahren kam es zum Bürgerkrieg in Judäa, der im Jahre 63 v.Chr. durch die römische Eroberung von Judäa und Jerusalem unter Pompejus beendet wurde. Pompejus ließ Hyrkanus II., dem letzten der Hasmonäer, eine scheinbare Herrschaft, aber die eigentliche Macht hielt Antipater, ein Idumäer, in Händen. Im Jahre 47 v.Chr. wurde Antipater durch Julius Cäsar zum Statthalter von Judäa gemacht. Antipater ernannte seinen Sohn Herodes zum Statthalter von Galiläa. Nach der Ermordung Cäsars brachen in Judäa Unruhen aus, und Herodes floh nach Rom. Dort wurde er im Jahre 40 v.Chr. zum König der Juden ernannt; nach seiner Rückkehr versöhnte er das Volk durch seine Heirat mit Mariamne (38 v.Chr.), der Enkelin von Hyrkanus II., und ernannte ihren Bruder, den Makkabäer Aristobulus III., zum Hohen Priester. Als Jesus Christus geboren wurde, war Herodes König.
II. Die religiöse Geschichte der Juden während der langen Zeit von Maleachi (ca. 400 v.Chr.) bis zu Christus folgt dem Lauf der verworrenen, politischen Geschichte in Bezug auf die äußeren, religiösen Formen, den Dienst des Hohen Priesters und den Gottesdienst im Tempel. Aber von größerer Bedeutung sind die Bemühungen und Anstrengungen, durch die der Glaube Israels in dieser Zeit bewahrt und lebendig erhalten wurde.
(1) Die Erfahrung der Gefangenschaft hatte scheinbar jegliches Verlangen der Juden nach Götzendienst ausgelöscht. Ihr Problem während der Gefangenschaft, als sie keinen Tempel und keinen Priester hatten, war vielmehr, die hohen geistlichen und moralischen Werte zu bewahren, die sie von den früheren Propheten übernommen hatten. Später, in der Zeit zwischen den beiden Testamenten, standen sie immer wieder vor demselben Problem. Trotz der Wiederherstellung von Tempel und Priestertum dauerte der Kampf um das Bewahren des prophetischen Glaubens bei den Juden an, sowohl bei äußerer Verfolgung als auch bei unrühmlichen Spaltungen im Inneren.
(2) Das äußere Mittel dieser Bewahrung war die Synagoge, eine Einrichtung, die nicht in die biblische Ordnung des nationalen Lebens eingeschlossen war und die sich als besonderer Faktor erst nach der Zeit Maleachis entwickelte. Der Ursprung der Synagoge ist unklar, aber ihre Wurzeln mögen bis in die Zeit der Gefangenschaft zurückgehen, als die Juden, die ohne Tempel und ohne religiöse Ordnungen waren, sich am Sabbat zum Gebet trafen. Solche Versammlungen, die Gelegenheit gaben, die heiligen Schriften zu lesen, brauchten eine gewisse Ordnung im Programm und auch eine gewisse Autorität, um Unordnung zu vermeiden. Wie die genaue Entstehungsgeschichte der Synagoge auch sein mag, sie entsprach zweifellos einem Bedürfnis, das durch die Lage der Juden während der letzten Jahrhunderte der vorchristlichen Zeit aufgekommen war. Die Synagoge diente wesentlich dem Zweck, die Vertrautheit mit den inspirierten Schriften zu erhalten. Aus diesen Schriften nährte sich das geistliche Leben des wahren Israel (Röm 9,6, Fußnote).
(3) In derselben Zeit entstand auch die Tradition in Kommentaren und Auslegungen, die das Gesetz schließlich so überwucherten, dass der Gehorsam gegenüber dem Gesetz auf den Gehorsam gegenüber den Auslegungen der Tradition übertragen wurde.
(4) In dieser Zeit entstanden ebenso die beiden großen Sekten, die aus den Berichten der Evangelien als die Pharisäer und die Sadduzäer bekannt sind (siehe Mt 3,7 mit Fußnoten). Die Herodianer waren mehr eine politische Partei als eine religiöse Sekte.
In diesem Volk, den Juden, beherrscht von den Römern durch einen unrechtmäßigen idumäischen Machthaber, zerrissen durch bittere, religiöse Streitfragen, gebunden an kleinliche religiöse Vorschriften, erschien Jesus, der Sohn Gottes, der Christus, der Heiland der Welt.
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