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Kapitel 1
Die Briefe des Petrus sind an die auserwählten Juden seiner Tage gerichtet, welche natürlich an den Herrn Jesus glaubten und die in einem großen Teil von Kleinasien verstreut lebten. Der Apostel verwendet besondere Sorgfalt, sie in die Bedeutung vieler der Sinnbilder einzuweisen, welche in den levitischen Zeremonien enthalten sind, mit denen sie vertraut waren. Auf der einen Seite stellt er die christliche Stellung in einen Gegensatz zu ihrer früheren jüdischen, um sie auf ihrem jetzigen Platz und in ihrer Berufung in und durch Christus zu stärken. Auf der anderen achtet er sorgsam darauf, jede gemeinsame Wahrheit zwischen den Christen und den Erlösten des Alten Testaments völlig anzuerkennen. Denn es ist wohl kaum notwendig, einen verständigen Gläubigen darauf hinzuweisen – wie immer die neuen Vorrechte und folglich auch die neuen Verpflichtungen sind, die aus jenen Vorrechten hervorgehen –, daß es gewisse unwandelbare sittliche Grundsätze gibt, welche Gott in allen Zeitaltern festhält. Darauf bestand Gott im Alten Testament – vor allem in den Psalmen und in den Prophetenbüchern; und der Apostel warnt vor der falschen Schlußfolgerung, daß es keine gemeinsamen Grundlagen gibt, nachdem wir in gewissen Beziehungen in einem Gegensatz zu den alt-testamentlichen Gläubigen stehen.
Mögen wir gut bedenken, daß Gott das festhält, was Er für alle die Seinen hinsichtlich Seiner sittlichen Regierung niedergelegt hat. Diese Regierung mag in ihrem Wesen und in ihrer Tiefe unterschiedlich sein; es mag bei passenden Gelegenheiten eine weit eingehendere Beschäftigung mit Seelen geschehen (was seit der Erlösung zweifellos der Fall ist). Gleichzeitig schwächt das Christentum in keinster Weise die allgemeinen Grundsätze Gottes, sondern stärkt und klärt dieselben beträchtlich. Nehmen wir zum Beispiel die Pflicht des Gehorsams! Den Wert eines gnade- und friedevollen Wandels auf der Erde! Das Maß des Vertrauens auf Gott! Es war immer richtig, daß die Liebe zu anderen hinausging – sei es in allgemeiner Freundlichkeit zur gesamten Menschheit, sei es in besonderer Zuneigung zur Familie Gottes. Diese Verpflichtungen galten als Grundsatz immer und dürfen niemals angetastet werden, solange der Mensch auf der Erde lebt.
Ebenso gilt, daß Petrus vom Anfang seines ersten Briefes an den Gegensatz zwischen der christlichen Stellung zu der alten jüdischen herausstellt. Selbstverständlich waren die Juden als Nation auserwählt; doch gerade darin standen sie im Gegensatz zu einem Christen. Was immer wir auch in geistlichen Liedern und Predigten oder in der Theologie finden – die Heilige Schrift kennt keine auserwählte Kirche.1 … Ein Hauptpunkt des Christentums besteht darin, daß die Auserwählung persönlich ist – es geht um einzelne Menschen. Dieses Problem wird von jenen, die gegen die Wahrheit von der Auserwählung kämpfen, stets am meisten gefühlt. Sie stimmen zu, daß eine Körperschaft in einer allgemeinen Weise auserwählt ist; und danach werden die Einzelpersonen, welche diese Körperschaft bilden, sozusagen hineingeführt, und zwar unter gewissen Voraussetzungen in Bezug auf ihr gutes Verhalten. Ein solcher Gedanke ist im Wort Gottes nicht aufspürbar. Gott hat Einzelpersonen auserwählt. Das wird im Epheserbrief gesagt. Er hat uns auserwählt, nicht die Kirche, sondern uns als Individuen. Die Kirche als solche wird erst am Ende des ersten Kapitels erwähnt. Zuerst werden Einzelpersonen gezeigt, die von Gott vor Grundlegung der Welt auserwählt wurden.
Auch hier spricht der Apostel nicht einfach in einem abstrakten Sinn von der Auserwählung. Das ist nirgendwo die Weise der Heiligen Schrift. Die Erlösten wurden auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters [V. 2], denn es geht jetzt nicht mehr um einen Herrscher, der eine Nation besitzt, in welcher Er Seine Weisheit, Macht und gerechten Wege entfalten wollte. Daran und an noch mehr waren die Menschen im Judentum gewöhnt. Doch nun war alles vorbei. Die Juden hatten Gottes Regiment durch ihre Rebellion gegen Seinen Namen verächtlich gemacht; und Jahwe hatte es sittlich für notwendig gehalten, Sein Volk der Macht seiner Feinde auszuhändigen. Folglich war jene Nation als Entfaltung Seiner Herrschaft ein Gegenstand der Vergangenheit. Natürlich, ein Überrest wurde aus Babylon herausgeführt zu dem Zweck, durch die Darbietung des Messias an ihn auf eine neue Probe gestellt zu werden. Aber ach!, sie geschah in Hinsicht auf ihre Verantwortlichkeit und nicht nach ihrem Glauben; und – sei es die Verantwortlichkeit bezüglich des Gesetzes, sei es der Glaube an den Messias – alles blieb in seinem Ergebnis eins, soweit der Mensch betroffen war. Das Geschöpf ist vollständig und in jeder Weise verdorben; und je geistlicher die Erprobung, um so schneller zeigt sich die Verderbnis.
Wie bekannt, war somit die Verwerfung des Messias in ihren Folgen unvergleichlich verhängnisvoller für die Juden, als sogar der Bruch des göttlichen Gesetzes in alten Zeiten. Damit erhielt Gott die Gelegenheit, eine neue Art der Auserwählung zu verwirklichen. Zweifellos gab es immer seit dem Sündenfall und lange vor Abraham und seinem Samen eine geheime Erwählung von Heiligen. Jetzt hingegen wurde die Erwählung der Erlösten offen sichtbar, ein Zeugnis vor den Menschen, obwohl letzteres natürlich vor dem Erscheinen der Herrlichkeit nicht vollkommen sein kann. Gott erwählt gegenwärtig nicht nur aus den Menschen, sondern sogar aus den Juden. Diesen Gesichtspunkt stellt Petrus seinen Lesern vor. Das war für einen Juden überraschend. Aber wenn er nur ein wenig darüber nachdachte, mußte er erkennen, wie wahr dieser Gedanke ist. Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters. Er bildet jetzt eine Familie und regiert nicht länger ein einziges auserwähltes Volk. Diese Angesprochenen aus den Juden gehörten zu den Auserwählten. Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters.
Doch darin liegt noch mehr. Es ging jetzt nicht mehr um Verordnungen, die die Betroffenen vom Rest der Welt sichtbar absonderten. Es handelt sich um ein wirkliches inneres Beiseitesetzen und nicht um ein nur äußerliches. Es geschieht durch Heiligung des Geistes. Gott sondert Menschen für Sich selbst ab durch die wirksame Tätigkeit des Heiligen Geistes. Wir hören hier nicht von der Gabe des Geistes. Heiligung des Geistes ist etwas anderes als Seine Gabe. Seine Heiligung ist das wirkungsvolle Werk der göttlichen Gnade, welches zunächst eine Person von der Welt für Gott absondert – sei sie Jude oder Nichtjude. Wenn ein Mensch sich zum Beispiel zu Gott umwendet, wenn er an Jesus glaubt und wenn er vor Gott Buße tut – das sind die Zeichen der Heiligung durch den Geist Gottes. Das gilt sogar, wenn der Glaube wenig entwickelt und geübt ist und die Buße verhältnismäßig oberflächlich erscheint. Dabei setze ich natürlich wirklichen Glauben voraus und eine Buße durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes.
Es gibt Menschen, die ständig an die Heiligung denken und von ihr sprechen, als handle es sich um praktisches Geheiligtsein – und zwar ausschließlich. Wir müssen zugeben: In der Schrift finden wir Heiligung, die von unserem Verhalten abhängt. Darum geht es hier indessen nicht, sondern um einen tieferen Gesichtspunkt. Der einfache Grund dafür liegt in der Tatsache, daß praktische Heiligung immer nur bedingt oder eine Frage des Maßstabs sein kann. Die Heiligung des Geistes, von der an dieser Stelle gesprochen wird, ist unumschränkt. Es geht nicht darum, inwieweit sie im Herzen eines Gläubigen verwirklicht wird; denn sie umfaßt wirklich und in gleicher Weise alle Gläubigen. Sie ist ein wirkungsvolles Werk des Geistes Gottes vom Anfangspunkt unseres Glaubensweges an. Natürlich waren diese Juden in Gottes Herzen von aller Ewigkeit her auserwählt; sie wurden indessen geheiligt von dem ersten Augenblick an, in dem der Heilige Geist ihre Augen für das Licht der Wahrheit in Christus öffnete. Der Geist erweckt die Gewissen durch das Wort (denn ich spreche jetzt nicht von irgend etwas Natürlichem, von sittlichen Bedürfnissen oder Gefühlen des Herzens). Wo immer ein echtes Werk des Geistes Gottes stattfindet – nicht einfach ein Zeugnis an das Gewissen, sondern ein wirkungsvolles Erwecken desselben vor Gott – wird die Heiligung des Geistes verwirklicht.
Falls jemand fragt, warum dieses als die Bedeutung des Ausdrucks angenommen werden müsse, gestehe ich die Verpflichtung ein, eine Begründung für das zu geben, was zweifellos von der Ansicht vieler Menschen abweicht. Daher antworte ich, daß nach meinem Urteil die richtige und einzige Bedeutung des Begriffs erwiesen wird durch die Tatsache, daß von den Erlösten gesagt ist, sie seien auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi.
Die Reihenfolge hier ist genau und lehrreich; denn die praktische Heiligung folgt der Besprengung mit dem Blut Jesu Christi, während die Heiligung des Geistes, von der Petrus spricht, ihr vorausgeht. Die Erlösten sind auserwählt durch Heiligung des Geistes zum Gehorsam. Diese Wahrheit bietet der Theologie einige Schwierigkeiten, weil im allgemeinen sogar verständige und gottesfürchtige Seelen von den vorherrschenden Gemeinplätzen der Menschen gebunden sind. Fern sei es von mir, ihre Festigkeit zu tadeln, mit der sie an der Wahrheit und täglichen Pflicht festhalten, in der praktischen Heiligkeit oder dem, was sie Heiligung nennen, zu wachsen! Beides ist an seinem Platz wahr und wichtig. Der Fehler besteht darin, die andere und noch grundlegendere Bedeutung des Wortes Heiligung zu leugnen, welche Petrus hier in ihrer richtigen Verbindung zum Gehorsam aufweist. Eine Wahrheit ist nicht die Wahrheit. Wahres Wachstum im praktischen Leben geschieht zugegebenermaßen erst nach der Rechtfertigung, die Heiligung in 1. Petrus 1,2 indessen vor der Rechtfertigung. Offensichtlich befindet sich ein Mensch nach der Rechtfertigung unter der Wirksamkeit des Blutes Christi. Er wartet nicht länger auf die Aussprengung jenes kostbaren Blutes; denn er ist damit schon vor Gott besprengt. Die Heiligung des Geistes jedoch, welche hier aufgezeigt wird, ist die Voraussetzung für die Besprengung mit dem Blut Jesu. Falls du nicht die Gnade Gottes zunichte machen und eine Fülle von Bibelstellen bezüglich der Rechtfertigung durch den Glauben verdrehen willst, kann diese Heiligung sich nicht auf unser praktisches Verhalten Tag für Tag beziehen.
Vermische das eine mit dem anderen und du stellst das Evangelium auf den Kopf! Unterscheide die grundsätzliche Heiligung für alle von den Urzeiten an von der praktischen Heiligung der Gläubigen in ihren verschiedenen Ausmaßen, so erkennst du die Wahrheit, welche Petrus hier lehrt und welche von dem größten Teil der Christenheit vergessen worden ist! Falls jemand sagt: Die praktische Heiligung geht dem Gestelltwerden unter das Blut Jesu voraus, dann frage ich: Wie wird jemand heilig? Woher kommt die Kraft und das Wachstum in der Heiligkeit? Sicherlich entspricht diese Voraussetzung nicht der Belehrung des Wortes Gottes an irgendeiner Stelle, noch weniger besteht der Apostel Petrus hier darauf. In der von ihm vorgestellten Wahrheit liegt ein ausgedehnterer und, falls möglich, tiefgehenderer Gedanke als den an das Maß unseres Wandels. Letzterer unterscheidet sich auf jeden Fall in den Kindern Gottes – keine zwei stimmen überein; und wir alle sind abhängig von Selbstgericht sowie dem Wachstum in der Erkenntnis des Herrn und Seiner Gnade. Das Wort Gottes, Gebete, der Gebrauch, den wir von den Gelegenheiten machen, welche Seine Güte uns sowohl öffentlich als auch im persönlichen Leben schenkt – alle Mittel, welche uns über den Willen Gottes belehren und uns diesbezüglich üben, tragen zweifellos zu dieser praktischen Heiligkeit bei.
Der Apostel spricht jedoch in diesem Vers nicht davon. Statt dessen erfahren wir, wie der Geist die Erlösten absondert, um so zu gehorchen, wie Christus gehorcht hat, und um mit Seinem Blut besprengt zu sein. So geschieht es im wirklichen Leben; und so steht es in der Heiligen Schrift. Saulus von Tarsus, zum Beispiel, empfing diese Heiligung des Geistes in dem Augenblick, als er, auf die Erde niedergeworfen, das Zeugnis des Herrn vom Himmel erhielt. Danach durchlebte er ein tiefgehendes Werk in seinem Gewissen. Drei Tage und Nächte aß und trank er nichts, wie wir alle wissen. Das war durchaus zeitgemäß; und danach wurde, wie uns gesagt wird, die Blindheit weggenommen und er mit Heiligem Geist erfüllt. Letzteres ist nicht die Heiligung des Geistes. Die Erfüllung mit Heiligem Geist war sicherlich eine Folge davon, daß ihm der Geist gegeben worden war. Aber die Gabe des Geistes ist nicht die Heiligung des Geistes. Die Heiligung des Geistes war jene Anfangshandlung, welche Paulus erfuhr, bevor er Frieden mit Gott erlangte. Wenn ein Mensch durch das Zeugnis Gottes erreicht und dazu erweckt wird, seine Sünden zu hassen, sowie vor Gott und nicht vor sich selbst überführt wird – wenn ein Mensch sich alles dessen schämt, was er in Gegenwart der Gnade Gottes gewesen ist, so wenig er letztere auch kennt und versteht – wo immer ein echtes Werk in der Seele abläuft, geschieht die Heiligung des Geistes. Das sollte für das schwächste Kind Gottes nicht ein Grund zur Beunruhigung, sondern zu großem Trost sein. Keinem von ihnen fehlt diese Heiligung des Geistes. Es mag bedrückt sein in Hinsicht auf praktische Heiligung; aber die grundlegende und unbedingt notwendige Heiligung des Geistes haben alle Kinder Gottes in gleicher Weise empfangen. Ich spreche nicht von einer besonderen Lehre. Darum geht es nicht. Ich spreche von einer Seele, die von dem Heiligen Geist zum Leben erweckt worden ist durch die Annahme der Wahrheit, auch wenn dieses in einer äußerst einfachen und eingeschränkten Weise geschah; denn es ist eine Wirklichkeit. Von dieser Zeit an wird die Heiligung des Geistes zu einer Tatsache.
Aber wozu sind sie auf diese Weise vom Heiligen Geist geheiligt worden? – Zum Gehorsam Jesu Christi und zur Blutbesprengung Jesu Christi! Die Beifügung Jesu Christi gehört zu beiden Ausdrücken. Auch das stellt für manche eine Schwierigkeit dar. Sie würden die Besprengung mit Blut eher an die erste Stelle rücken, gefolgt vom Gehorsam. Ich kann sie verstehen, stimme ihnen aber in keinster Weise zu. Tatsächlich zeigen solche Schwierigkeiten, wo sich die Menschen wirklich befinden. Die Wurzel von diesem allen liegt darin, daß sie zuerst mit sich selbst beschäftigt sind, anstatt sich auf den Herrn zu stützen. Zweifellos, wenn eine Person plötzlich durch die Besprengung des Blutes Jesu den Trost eines vollen Friedens mit Gott empfangen hat, genügt dieses den Empfindungen ihres Herzens hinsichtlich ihrer Not. Das entspricht indessen nicht dem, was das Wort Gottes über jene bekehrten Seelen zeigt, auf die ich mich beziehe. Was sagt Saulus von Tarsus infolge der Wirkung jenes Lichts Gottes, das über ihm aufleuchtete? – Was soll ich tun, Herr? [Apostelgeschichte 22,10]. Geschah das nicht, bevor er den ganzen Trost und die Segnung der Blutbesprengung Jesu erfahren hatte?
Der erste Antrieb eines Bekehrten besteht darin, den Willen Gottes zu tun. Es mag noch kein Gefühl von Freiheit, nicht einmal Freude im Herrn vorliegen – kein gefestigter Friede irgendwelcher Art. Das wird alles zu gelegener Zeit folgen – sogar sehr schnell, möglicherweise noch in derselben Stunde. Doch das Allererste ist der Wunsch einer aus Gott geborenen Seele, um jeden Preis Seinen Willen zu tun. Genau das erfüllte auch Jesus in vollkommener Weise. Es ging nicht darum, was Er erwerben oder vermeiden sollte. Statt dessen stand geschrieben: Siehe, ich komme …, um deinen Willen, o Gott zu tun. [Hebräer 10,7]. Für mich gibt es nichts Wunderbareres in unserem gepriesenen Herrn hier auf der Erde als diese Hingabe an Seinen Vater. Sie zeigte sich nicht hin und wieder, sondern war der eine Beweggrund, der Ihn vom Anfang bis zum Ende Seines Laufes hienieden bewegte. Er kam, um den Willen Gottes zu tun, und zwar nicht, wie es das Gesetz versprach, damit es Ihm gut ginge und Er lange auf der Erde leben mochte. Diesen Beweggrund besaß Er nie, obwohl Er das Gesetz vollkommen erfüllte. Im Gegenteil wußte Er sehr gut, bevor Er in die Welt kam, daß Er nicht ein langes Leben, sondern den Tod am Kreuz finden würde. Er sollte das Opfer für die Sünde werden und sich selbst aufgeben trotz Seiner Leiden von seiten der Menschen und von Gott. Um jeden Preis mußte Gottes Wille ausgeführt werden. Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für allemal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. [Hebräer 10,10]. Derselbe Grundsatz gilt auch für den Gläubigen, obwohl er natürlich auf reiner Gnade ihm gegenüber beruht. Bei Jesus hingegen war es sittliche Vollkommenheit. Bei uns geschieht alles durch Jesus – zweifellos bewirkt durch den Heiligen Geist. Das ist der Instinkt der neuen Natur – des Lebens in dem Gläubigen, der, aus Gott geboren, notwendigerweise diese Gefühle der neuen Natur besitzt, nämlich den Willen Gottes zu tun. Tatsächlich ist Christus das Leben des Gläubigen. Daher können wir gut verstehen, daß das Leben Christi, sei es in seiner ganzen Vollkommenheit in Ihm, sei es in abgewandelter Form in uns, nichtsdestoweniger dasselbe Leben ist. In unserem Fall wird es allerdings, ach!, durch alle Arten von Umständen behindert und vor allem durch das Übel unserer alten Natur, welche uns umgibt. In Ihm ist dieses Leben, wie wir wissen, uneingeschränkt vollkommen und ohne Vermischung.
In diesem Fall erscheint mir die Reihenfolge göttlich vollkommen, und zwar ganz offensichtlich. Nachdem wir durch den Geist geheiligt sind, werden wir berufen, so zu gehorchen, wie Christus gehorcht hat. Das ist ein anderer Charakter und ein weiteres Maß der Verantwortlichkeit. Der Jude als solcher war gebunden, dem Gesetz zu gehorchen. Für ihn ging es darum, nicht das zu tun, wozu ihn seine Natur antrieb. Das galt aber niemals für Jesus. Unter keinen Umständen verlangte Er das Geringste, das nicht dem Willen Gottes entsprach. Auch die neue Natur im Gläubigen hat niemals einen anderen Gedanken oder andere Empfindungen; nur befindet sich bei uns außerdem noch die alte Natur, welche, ach!, dafür kämpft, ihren eigenen Weg durchzusetzen. Darum hat Gott Sein besonderes weises, heiliges und gnädiges Verfahren, damit umzugehen. Wir werden es später in unserem Brief sehen. Daher brauche ich jetzt nichts weiter dazu zu sagen.
Hier finden wir als erste grundlegende Tatsache, daß der christliche Jude nicht mehr zur auserwählten Nation gehört. Aus dieser früheren Stellung ist er herausgenommen worden und in einer ganz neuen Form auserwählt. In diesem Fall gilt, daß diejenigen, welche ausdrücklich im Brief angeschrieben wurden, früher zwar zum auserwählten Volk gehört hatten, jetzt aber auserwählt waren nach der Vorkenntnis Gottes des Vaters. Das war kein nachträglicher Beschluß, sondern Sein festgelegter Plan. Es war die Vorkenntnis Gottes des Vaters kraft (ἐν) der Heiligung des Geistes zum Gehorsam Jesu Christi (jene Art des Gehorsams) und der Besprengung des Blutes. Diese beiden Punkte müssen sorgfältig erwogen werden – christlicher Gehorsam und Christi Blutbesprengung. Ich denke, daß beide in einem offensichtlichen Gegensatz zu denselben beiden Elementen unter dem Gesetz in 2. Mose 24 stehen, die hier anscheinend vor Augen treten. In jenem Kapitel sehen wir Israel, wie es allem zustimmt, was das Gesetz fordert. Darum wird das Blut gewisser Opfer genommen und auf das Volk gesprengt sowie auch auf das Buch, welches sie verpflichtete.
Es ist ein großer Fehler anzunehmen, daß das Blut dort als Zeichen von der Wegnahme der Sünden benutzt wird. Dieser Gesichtspunkt ist nicht die einzige Bedeutung des Blutes – selbst dort nicht, wo es im Zusammenhang mit einem Opfer verwandt wird. Ich denke, die Tragweite liegt darin: Das Volk verpflichtete sich förmlich einem gesetzlichen Gehorsam und versprach in dieser ernsten Weise zu gehorchen. So wie das gesprengte Blut von den geschlachteten Tieren stammte, die im Blick auf den alten Bund getötet worden waren, so schreckten sie nicht vor den schrecklichen und strengen Forderungen zurück, die im Fall ihres Versagens beim Gehorsam gegen Gottes Willen drohten. Sie legten damit den Fluch des Todes von seiten Gottes auf sich, falls sie Seine Gebote verletzen sollten. Aus diesem Grund stellen wir fest, daß gleichzeitig ein Besprengen des Buches erfolgte. Das hat überhaupt nichts mit Sühne zu tun – eine Annahme, die ausschließlich in jenen Menschen aufsteigt, welche ihre Augen vor anderen Wahrheiten der Bibel verschließen und welche damit zu ihrem eigenen Schaden selbst solche Wahrheiten verdunkeln, die sie festhalten. Wir müssen für die ganze Wahrheit offen sein. Die Sühne hat ihren eigenen unvergleichlichen Platz. Aber als die Israeliten sich zum Halten des Gesetzes verpflichteten, waren sie sicherlich so weit wie möglich von einem Bekenntnis der Sühne entfernt. Es ist ein unbedingter Trugschluß – entehrend für die Herrlichkeit Gottes und zum Schaden für unsere Seelen –, die Bibel in dieser Weise auszulegen. Damit wird nur Verwirrung hervorgerufen, indem Gesetz und Evangelium durcheinander geworfen werden zum Schaden für beide und in Wirklichkeit zum Verderben der Schönheit und Kraft der Wahrheit.
Bei den Christen ist alles anders; denn Christus teilte uns eine neue Natur mit, die es liebt, Gottes Willen zu gehorchen. Sie wurde uns folglich bei der Bekehrung gegeben, bevor wir (und es mag lange vorher gewesen sein) uns des Friedens erfreuten. Von dem Augenblick an, in dem wir diese neue Natur empfingen, möchte das Herz gehorchen. Das war – von keiner Unvollkommenheit behindert – der Gehorsam Christi.
Doch außerdem stellt das Evangelium den Gläubigen nicht unter das Blut der Bedrohung mit dem Tod oder des Fluches im Fall eines Versagens. Nicht das schreckliche Zeichen seines Untergangs, falls er nicht gehorsam ist, steht ihm vor Augen. Es versetzt ihn unter die Blutbesprengung Jesu, welche ihn einer vollständigen Vergebung versichert. Mit dieser Gewißheit soll er sein Christenleben anfangen. Er beginnt seinen Lauf mit diesem gesegneten Schutz, welcher ihm sagt, daß er in den Augen Gottes ein gerechtfertigter Mensch ist, dem seine Sünden vergeben sind, bevor er den Pfad christlichen Gehorsams betreten hat. Das ist die angemessene und eindrucksvolle Vorrede, mit der unser Apostel beginnt, indem er das Teil des Gläubigen in Christus dem der Juden gegenüberstellt, wie es in ihren eigenen geheiligten Büchern steht, deren göttliche Autorität nicht nur sie, sondern auch wir anerkennen.
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About Einführende Vorträge zum Neuen TestamentDie einführenden Vorträge geben eine Übersicht über die jeweiligen Kapitel des Buches. Ähnlich der Synopsis von John Nelson Darby werden Grundsätze und Kernaussagen gut dargestellt. |
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