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Schrift, heilige.
1) Das Alte Testament. Weil durch das Werk Moses eine Gemeinde entstand, die im Bekenntnis zu ihrem Gott verbunden und durch sein Gesetz zu seinem Dienst verpflichtet war, kam es in Israel zur Bildung einer heiligen Schrift, die Gottes Werk und Willen allen kundtat und dadurch mit einer für alle gültigen Autorität ihre Gemeinschaft miteinander herstellte. Zunächst entstanden aus dem gemeinsamen Erlebnis die gemeinsamen Erinnerungen und die gemeinsame Sitte, die das geistige Erbgut Israels bildeten. Die Erinnerung erhält aber Sicherheit durch die Schrift und die Sitte Festigkeit durch ihre Auszeichnung als Gesetz, und da hier die Überlieferung aus der göttlichen Offenbarung entsteht, so wird die Schrift heilig und kanonisch, für die Gemeinde gültig. Nun ist sie das Mittel, durch das jeder Einzelne seinen Anteil an der Erkenntnis Gottes erlangt. Die Anfänge der heiligen Schrift fallen mit den ersten Aufzeichnungen über Moses Werk und Gesetz zusammen, an die sich als ihre Fortsetzung die Berichte über die Richter- und Königszeit anschlossen.
Im Zusammenhang damit wird es auch zum Beruf der Propheten, das von ihnen im Geist empfangene Wort nicht nur ihren Zeitgenossen zu sagen, sondern auch für die Späteren aufzuschreiben. Diesen Vorgang haben wir bei Jeremia mit besonderer Deutlichkeit vor uns, da er im Blick aus das kommende Exil seine Weissagungen als Buch der Gemeinde übergab. Die Wichtigkeit der heiligen Schriften wuchs für Israel teils dadurch, dass sich die Fähigkeit zu lesen verbreitete und daher immer größere Teile des Volks nicht nur an der Überlieferung und Sitte Anteil hatten, sondern auch zu ihren Quellen, zu den sie bewahrenden Schriften, den Zugang fanden, teils dadurch, dass sich die Entfernung des Volks von seinen Anfängen beständig vergrößerte, somit die Notwendigkeit sich verstärkte, mit Absicht und Fleiß auf diese Anfänge zurückzusehen und das dort Empfangene zu bewahren. Darum hat die Verpflanzung der Judenschaft nach Babylonien für die Geschichte der heiligen Schrift eine große Wichtigkeit bekommen. Für die Weggeführten und Zerstreuten war die Schrift das einzige Band, das sie mit ihrem Gott und miteinander verband; nur durch sie bewahrten sie sich eine stetige Überlieferung; und da die Rückwanderung nach Jerusalem in der Absicht geschah, nun endlich dem göttlichen Gesetz zu gehorchen, so war damit gegeben, dass nun die Schrift zum Fundament der Gemeinde wurde, nach dem sie ihr ganzes Verhalten ordnete. Darin besteht die Bedeutung Esras und der Männer, die mit ihm gleichartig arbeiteten.
Das Hauptstück der heiligen Schriften war das Gesetz; neben ihm steht eine geschlossene Sammlung prophetischer Schriften, zu denen außer den prophetischen Reden auch die Berichte über die Zeit von Josua bis zum Exil gerechnet wurden. Daran schloss sich aber von Anfang an noch eine dritte Sammlung von Büchern, die man im engeren Sinn „Schriften“ nannte und deren Umfang nicht so deutlich abgegrenzt war wie der der beiden ersten Teile. Ihr Hauptstück war der Psalter, der durch seinen Gebrauch im Tempel zum Gebetbuch der Gemeinde wurde und kanonische Bedeutung erhielt. Mit ihm wurden noch andere Bücher zusammengestellt, in denen die Gemeinde Belehrung aus göttlicher Weisheit schöpfte. Auch das jüngste prophetische Buch, Daniel, fand nicht mehr in der geschlossenen Sammlung der prophetischen Bücher, sondern in dieser Gruppe der heiligen Bücher seinen Platz.
In der persischen und griechischen Zeit hat sich die Gemeinde mit brennendem Eifer und starkem Glauben an die Schrift gehalten. Dies zeigt sich in der äußeren Verfassung des Volks durch die Begründung der Synagoge und des Rabbinats, die der Schrift wegen entstanden sind, und in der Übersetzung der Schrift ins Griechische, in der Lehrgeschichte, darin, dass sich der Inspirationsgedanke mit der Schrift verbindet und nun zum befestigten Dogma wird, das die Gemeinde beherrscht. Dieselbe Formel, durch die Gottes Wirken im Propheten beschrieben wird, wird nun auch auf die Schrift übertragen; sie ist ihren Verfassern durch den göttlichen Geist gegeben worden. Dadurch wird ausgesprochen, dass sie uns Gottes Wort zutrage und ihre Leser mit Gott in Verkehr bringe. Nur dieser Gedanke hat damals die Auslegung und den Gebrauch der Bibel geleitet, während der Geschichte, aus der die Bibel entstand, noch keine Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Dem Eifer, mit dem sich die Judenschaft an die Schrift hält, verdankt sie ihren Schutz gegen das Griechentum und das reiche religiöse Leben, das wir in der neutestamentlichen Zeit überall bei ihr finden. Es kam aber auch deutlich ans Licht, dass wir mit der Schrift allein noch nicht alles empfangen haben, was wir zur Gemeinschaft mit Gott bedürfen. Die Gemeinde sah nur rückwärts auf die Zeit der Väter, mit denen Gott geredet habe, und hatte keine ihre Gegenwart erfüllende Bezeugung Gottes. Darum wurde es ihr auch schwer, wirklich auf die Schrift zu hören. Die Auslegung passte das Gesetz den Bedürfnissen der Gegenwart an und schuf eine Menge von kasuistischen Regeln und von Legenden, die Gottes Regierung nach dem jüdischen Sinn und Begehren darstellten. So legte sich über die Schrift eine Überlieferung, die der Gemeinde den Zugang zur Schrift verschloss und eine Decke bildete, die sie nicht wegheben konnte, 2Kor. 3, 14.
Der Unterschied zwischen Jerusalem und den griechischen Gemeinden der Judenschaft wird auch in ihrem Verkehr mit der Bibel sichtbar. Die Grenze, die die heiligen Schriften von den übrigen Büchern schied, war bei den griechischen Gemeinden weniger deutlich*). Sie haben daher in der Auslegung der Schrift fremden Gedanken noch mehr Einfluss verstattet und dies durch den Satz gerechtfertigt, die Schrift lehre nicht bloß das, was sie ausdrücklich sage, sondern sei als eine unermesslich reiche Allegorie zu betrachten. Es fanden dort auch jüngere Schriften leichter den Anschluss an den Kanon (sogenannte Apokryphen). Doch wissen wir über die gottesdienstliche Sitte der jüdisch-griechischen Gemeinden wenig. Diejenige Sammlung von Schriften, die wir Apokryphen heißen, entstand erst in der Kirche durch die Ausgleichung des gottesdienstlichen Gebrauchs, der früher in den verschiedenen Ländern mancherlei Abweichungen aufweist.
In Palästina erstrebten die Lehrer die völlige Einheitlichkeit des Kanons für die ganze Gemeinde. Sie machten darum den Schwankungen der Abschriften dadurch ein Ende, dass die völlig gleiche Kopie einer einzigen Musterhandschrift samt allen ihren Fehlern zum unverbrüchlichen Gesetz erhoben und brachten auch das Verzeichnis der als heilig zu ehrenden Schriften zu einem unveränderlichen Abschluss. Jüngere Schriften wie Jesus Sirach wurden ausgeschlossen, dagegen die mit Salomos Namen versehenen, der Prediger und das Hohelied, aufgenommen. Die jüdischen Synoden, die diese Beschlüsse fassten, tagten in den letzten Jahrzehnten des ersten Jahrhunderts.
— 2) Das Alte Testament im Neuen. Jesus bewährt seine Gemeinschaft mit Israel dadurch, dass er die ihm überlieferten Schriften als das göttliche Wort ehrt und gebraucht wie jeder fromme Jude. In dem, was er über Mose und die Propheten sagt, und in der Zuversicht, mit der er sie sich in jedem Ausdruck als das unwandelbare Zeugnis des göttlichen Willens aneignet, unterscheidet er sich von der übrigen Gemeinde nicht. Er erkennt seinen Beruf vielmehr darin, die Schrift gegen die Gemeinde und ihren Lehrstand zu verteidigen, weil sie von ihnen gebrochen wird, Matth. 5, 18; Matth. 15, 3; Matth. 19, 4. Seine Anklage gegen die Judenschaft lautet, dass sie die Schrift breche, während er seine Sohnschaft Gottes dadurch offenbart, dass er ihr gehorcht.
Ebenso war die Berufung auf die Schrift von Anfang an ein Hauptstück der apostolischen Predigt. Sie war von der Gewissheit getragen, dass in Jesu Werk und in der Begründung der von ihm regierten Gemeinde alles zur Erfüllung gelange, was die Schrift verheißt und gebietet. Darum haben auch die griechischen Gemeinden mit dem Wort der Apostel sofort die Schrift erhalten und die Briefe machen sichtbar, mit welchem Eifer und Ernst die Verlesung der Schrift als ein Hauptstück des urchristlichen Gottesdienstes geübt worden ist. Dennoch war durch das Evangelium das Verhältnis der Christenheit zur Schrift völlig neu geworden. Die Schrift war für sie nicht mehr das einzige Zeugnis Gottes, nicht mehr das einzige Band, das sie mit Gott in Gemeinschaft brachte, sondern sie war durch das neue Wort Gottes zum Christus berufen, der ihr seine lebendige Gegenwart gewährt und sie von innen her durch seinen Geist regiert. Diesen Unterschied hat Paulus kraftvoll dadurch ausgesprochen, dass er „dem alten Wesen der Schrift“ „das neue Wesen des Geistes“ gegenüberstellt, Röm. 7, 6; 2Kor. 3, 6. Für die Auslegung hatte das zur Folge, dass die Aussage der Schrift sofort und vollständig mit dem verbunden wird, was ihr jetzt durch die Erkenntnis des Christus als Gottes Werk offenbar geworden ist. Deshalb wird auch der Beweis für die christliche Botschaft nie einzig durch die Anführung eines Schriftworts geführt, sondern immer so, dass das Schriftwort mit dem zusammengestellt wird, was die Gemeinde in ihrem gegenwärtigen Verkehr mit Christus erlebt. Das gab ihr auch die Kraft, mit der über die Schrift gelegten Überlieferung vollständig zu brechen. Es trat weder die jüdische Kasuistik noch die Legende in die neutestamentliche Gemeinde hinein. Erst die folgenden Generationen haben sich ihnen wieder geöffnet und dadurch die Kirche schwach gemacht.
Aus der Freiheit der ersten Zeit ergab sich auch, dass wir im Neuen Testament nirgends eine Angabe über den alttestamentlichen Kanon finden, die aufzählte, welche Bücher zu ihm gehören. Man stellte in Übereinstimmung mit der Synagoge „das Gesetz und die Propheten“ im Kreis der heiligen Schriften an die erste Stelle. Reichlich benützt wird auch der Psalter. Der Kreis der zur dritten Gruppe gehörenden Schriften hat dagegen keine deutliche Abgrenzung. Im Judasbrief kommen auch junge, pseudonyme Bücher zur Verwendung, die angebliche Weissagung Henochs und der Bericht über Moses Himmelfahrt.
Für die Gestaltung des Texts hielt man sich an die in den jüdischen Gemeinden gebrauchte griechische Bibel (Septuaginta). Doch ist bei denjenigen Aposteln, die aus Palästina stammten, Matthäus, Johannes, gelegentlich auch Paulus, der Einfluss des hebräischen Texts auf ihren Schriftgebrauch deutlich sichtbar. Eine Störung für den Glaubensstand der Gemeinden fürchtete man von dieser Freiheit in der Gestaltung des Texts nicht.
— 3) Das Neue Testament. Die königliche Sendung Jesu machte ihn nicht zum Schriftsteller, sondern zum Wirker der göttlichen Werke, zum Schöpfer der neuen Gemeinde, in der Gott im Geist und in der Wahrheit angebetet wird. Weil aber die Erinnerung an seinen Wandel und seine Worte das Fundament seiner Gemeinde ist, entstanden von früh an Aufzeichnungen, die ihr das Bild ihres Herrn vorhielten, Luk. 1, 1. Ebenso entsteht am apostolischen Wort die Erkenntnis, dass es, obwohl es sich zunächst vollständig an seine ersten Hörer wendet und ausschließlich ihrem Bedürfnis dient, für die Kirche unvergängliche Unentbehrlichkeit habe und das Mittel bilde, durch das sie die sie schaffende göttliche Gnade immer wieder empfange. Mit besonderer Stärke und zuerst ist diese Erkenntnis an den Briefen des Paulus entstanden.
Der Prozess, der dem Neuen Testament seine jetzige Gestalt gegeben hat, vollzog sich langsam in den auf die Apostel folgenden Generationen. Verlangsamt hat ihn der fertige Bestand des Alten Testaments. Die Kirche besaß ja bereits eine Schrift, deren Heiligkeit ihr gewiss war; sie gewöhnte sich daher erst allmählich daran, die neutestamentlichen Zeugnisse neben und über sie zu setzen. Sodann stand die auf die Apostel folgende Generation stark unter dem Eindruck, das lebendige Wort sei reicher und wirksamer als die Schrift; nicht durch ein Buch, sondern durch das lebendig forttönende Zeugnis werde das Evangelium zur Menschheit gebracht. Daneben stand aber nicht weniger deutlich die Erkenntnis, dass die Kirche für immer an das Wort der Boten Jesu gebunden sei und sich nur durch dieses die Verbindung mit ihrem Anfang erhalte und die Vermengung ihrer Lehre mit fremden Stoffen verhüte. Die Gliederung des Neuen Testaments kam in ähnlicher Weise zustande wie die des Alten Testaments. Dem „Gesetz und den Propheten“ entsprachen hier „Die gute Botschaft und der Apostel“; jene wurde der Kirche durch die vier Evangelisten, dieser durch die paulinische Briefsammlung vermittelt. Daran schloss sich aber auch hier noch eine dritte Sammlung von kanonischen Schriften mit unbestimmter Abgrenzung. Sie war in den einen Gemeinden kleiner, in den anderen größer als unser Neues Testament, je nach dem gottesdienstlichen Gebrauch. Die Abgrenzung geschah nach dem Grundsatz, dass das Neue Testament der Kirche das Wort der Apostel vorlege. Daher kam kein Spruch eines neutestamentlichen Propheten in den Kanon neben derjenigen Weissagung, die zugleich Apostelwort ist, ebenso wenig ein urchristliches Liederbuch. Die Briefe der Brüder Jesu sind deshalb bewahrt worden, weil die Brüder Jesu von Anfang an neben den Aposteln mit ähnlicher Autorität die Kirche leiteten. Der Hebräerbrief ist deshalb erhalten worden, weil er für paulinisch galt, die Apostelgeschichte deshalb, weil sie die Fortsetzung zum dritten Evangelium ist. Das Urteil der Kirche über die Herkunft der von ihr bewahrten Dokumente hat sich als nüchtern und richtig bewährt; nur in der erst spät erfolgten Aufnahme des zweiten Petrusbriefes ging sie zu weit. Unter denjenigen Schriften, die eine Zeitlang mit dem Neuen Testament mehr oder weniger eng verbunden wurden, befindet sich keine, deren Entfernung vom Neuen Testament nicht ein Gewinn für die Kirche gewesen wäre.
Ad. Schlatter.
Abb. 319. Ein Stück aus dem Septuaginta-Psalter (Psa. 11, 7–15, 4).
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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