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Passah oder Pascha, das erste der drei großen Hauptfeste der Juden (siehe dazu den Artikel Feste), hat diesen Namen (= Überschritt, Vorübergehen) von dem schonenden Vorübergehen des Racheengels an den Wohnungen der Israeliten in Ägypten (2Mos. 12, 13. 2Mos. 12, 23f). Daher wird Passah genannt:
1) das Lamm, durch dessen Blut jenes Vorübergehen veranlasst wurde („das Passah schlachten, essen, 2Mos. 12, 21. 2Mos. 12, 43); 2) der Abend, wo jene Opfermahlzeit stattfand (4Mos. 28, 16); 3) das ganze achttägige Fest, das mit jenem Abend begann, 5Mos. 16, 1; 2Mos. 34, 25 (Luther: Osterfest), das sonst auch Fest der ungesäuerten Brote heißt, 2Mos. 23, 15.
Über die Entstehung des Passahfestes und die Art, wie es begangen werden sollte, siehe 2Mos. 12, 1ff; 2Mos. 13, 3ff; 3Mos. 23, 5ff; 4Mos. 9, 10ff; 4Mos. 28, 16ff; 5Mos. 16, 1ff. Demnach fällt dieses Fest in den Monat des Auszugs, der um dieses Ereignisses willen der erste sein sollte (Abib, später Nisan geheißen), und zwar beginnt er am Abend des 14. Tages dieses Monats mit der Schlachtung des schon am 10. Tage von jedem Hausvater für seine Familie auserwählten Lammes, eines fehlerfreien, einjährigen, männlichen Tieres (Schaf oder Ziege). Diese Schlachtung fand nach 2Mos. 12, 6 „zwischen beiden Abenden“ (Luther: „zwischen abends“) statt, das wohl gemeint war: zwischen Sonnenuntergang und Eintreten der Nacht, aber später verstanden wurde: zwischen Nachmittag und Sonnenuntergang. Das Blut wurde in Ägypten an die Türpfosten gestrichen, was die Juden später unterließen, die es an den Altar brachten, das Lamm gebraten und mit ungesäuerten Broten und bitteren Kräutern (wildem Lattich, Endivien und anderen) in den einzelnen Häusern verzehrt. Kein Bein durfte dem Lamm gebrochen und nichts davon aus dem Hause getragen werden, auch nichts bis auf den Morgen übrigbleiben. Jedes Glied der Haushaltung, das nicht unbeschnitten (2Mos. 12, 43ff) oder unrein war, hatte bei schwerer Androhung daran teilzunehmen; wer durch zeitweilige Unreinigkeit daran verhindert war, hatte es im folgenden Monat nachzuholen (4Mos. 9, 9ff). Das Essen sollte in der Nacht des Auszugs in hastiger Eile geschehen mit gegürteten Lenden und beschuhten Füßen, den Stab in der Hand (2Mos. 12, 11).
Die Bedeutung des Ganzen ergibt sich aus dem oben erklärten Namen des Festes. Es gehört das Passahmahl zu den Opfermahlzeiten (siehe Artikel Opfer), welche stets eine Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen, aber auch zwischen den Menschen untereinander (vergleiche 1Kor. 10, 17f) ausdrücken. Aber die Gemeinschaft gilt hier speziell der Bewahrung vor der göttlichen Ungnade; daher der tiefe Ernst, der in dieser Mahlzeit liegt. Das Lamm sühnt durch sein Blut die Glieder des Hauses, und wie es selbst ein ungebrochenes Ganzes darstellt, so vereinigt es auch die, welche von ihm essen, zu einer kleinen Gemeinde, die durch das Heil verbunden ist. Die ungesäuerten Brote waren überhaupt bei Opfern üblich, erinnerten aber hier neben den bitteren Kräutern speziell an die Trübsal Ägyptens und den schleunigen Auszug (5Mos. 16, 3; 2Mos. 12, 39), an die Eile desselben auch das hastige Essen des Lammes, welche Gewohnheit die Samaritaner bis heute beibehalten haben. So ist das Passahfest unter der Bangigkeit der letzten ägyptischen Bedrückung und dem Herzklopfen vor der Nähe des furchtbaren Richters und Rächers der Sünden jenes Landes erwachsen – ein Ausdruck davon, dass der Herr denen, die zerschlagenen Herzens sind, seine Gnade zuwendet, neben seinen Gnadenerweisungen aber seine Gerichte ergehen lässt, damit auch die Geretteten und Beseligten wissen, es sei lauter Gnade, dass der heilige Gott seinen Strafernst an ihnen vorübergehen lasse.
Es war in diesem Sinn ein Gedächtnisfest, das den Nachkommen Zeugnis ablegte von der wunderbaren Erlösungstat des Herrn, 2Mos. 12, 26f; 2Mos. 13, 8. Der häusliche Charakter des Passahmahls, bei welchem noch das Priestertum aller Hausväter hervortritt, erhöhte dessen eigentümlichen Wert. Das Essen der ungesäuerten Brote wurde vom 15. bis zum 21. Tage fortgesetzt: während dieser ganzen Zeit war das Essen von Gesäuertem bei Strafe der „Ausrottung“ verboten. Der 15. und 21. Tag, also der erste und siebente der eigentlichen Festwoche, zu der sich jener 14. wie ein Vorabend verhielt, waren Hochfeiertage, wo die Gemeinde sich versammelte und von jeder Arbeit ruhte, 2Mos. 12, 14ff; 3Mos. 23, 6ff. Auch war die ganze Festzeit durch besondere Opfer ausgezeichnet, 3Mos. 23, 8; 4Mos. 28, 16ff – Neben seiner geschichtlichen Bedeutung hatte aber das Passahfest wie die übrigen drei Hauptfeste auch seine Beziehung auf den Landbau als Weihung und Eröffnung der Ernte (5Mos. 16, 9). Die Erstlingsgarbe von der zuerst reifen Gerste wurde während der Tage der ungesäuerten Brote dem Herrn dargebracht und damit die ganze Ernte geweiht (3Mos. 23, 10ff). Nach der Tradition geschah dieses „Weben“ (so Luther für das weihende Hinundherbewegen) der Garbe späterhin am 16. Nisan, das heißt am Tage nach dem ersten großen Festtag; doch ist wohl 3Mos. 23, 11, welche Stelle man so verstand, ursprünglich gemeint der Tag nach dem in die Festzeit fallenden Wochensabbath. Nicht unmöglich ist, dass ein solches Frühlingsfest zu Danksagung und Sühnung bei den Hebräern schon vor ihrem ägyptischen Aufenthalt üblich war und die Israeliten, 2Mos. 5, 3, ein solches zu feiern wünschten. Jedenfalls aber ist seit Mose der Charakter des ganzen Passahfestes vorwiegend durch die großen geschichtlichen Ereignisse bestimmt gewesen, die sich in dieser Jahreszeit zugetragen haben.
In den geschichtlichen Büchern der Bibel werden freilich nur wenige Passahfeste ausdrücklich erwähnt: Jos. 5, 10 das erste nach dem Einzug ins Land; 2Chr. 30 das unter Hiskia mit besonderem Aufwand gefeierte (vergleiche Vers 2Chr. 30, 5. 2Chr. 30, 26); das von Josia veranstaltete, 2Chr. 35, 18; 2Kön. 23, 21ff, von welchem angemerkt wird, es habe seit Samuel kein solches stattgefunden, das heißt kein so vollkommen dem Gesetz entsprechendes. Dass dagegen die Passahfeier, wenn auch die Art derselben vor dem Exil nicht immer oder nur selten völlig die gesetzliche war, seit Mose stets in Übung blieb, ist nicht zu bezweifeln. Zur Zeit Jesu war das Fest ungemein stark besucht. Die Lämmer durften gleich anderen Opfern nur in Jerusalem, im Vorhofe des Tempels geschlachtet werden. Deswegen kam eine ungeheure Volksmenge alljährlich auf diese Zeit in die Hauptstadt, sodass leicht ein Aufstand möglich war (Matth. 26, 5). Die römischen Landpfleger liebten es, an solchen jüdischen Festen Hinrichtungen zur Abschreckung der Masse vollziehen zu lassen, aber auch auf das Fest einen Gefangenen freizugeben, um die Juden günstig zu stimmen (Matth. 27, 15). Da die Menge der Festgäste in der Stadt nicht Raum fand, verteilte sie sich in die umliegenden Dörfer und wohnte auch in Hütten und Zelten. Die Mahlzeit hielt man in der Stadt selbst im Hause eines Gastfreundes, dem man dafür das Fell des Osterlamms überließ.
Die Zeit der Festfeier war mitbeeinflusst durch den Stand der Ernte. War nämlich, wie es bei der Rechnung nach Mondjahren mit der Zeit eintreten musste, der Stand der Feldfrüchte im 12. Monat nicht weit genug vorgerückt, um die Ernte in einigen Wochen zu beginnen, so wurde ein 13. Monat eingeschaltet. Am 14. Nisan entfernte der Hausvater mit peinlicher Sorgfalt alles Gesäuerte aus dem Hause. Am Nachmittag (von halb 3 Uhr an) wurden die Lämmer im Tempelvorhof geschlachtet unter dem Lobgesang der Leviten; die in Reihen aufgestellten Priester reichten einander das Blut in goldenen und silbernen Schalen; wenn diese so zum Altar gelangt waren, wurden sie ausgegossen. Bei der Mahlzeit, das heißt nachdem der erste Becher getrunken war, fragte der erstgeborene Sohn (nach 2Mos. 12, 26f; 2Mos. 13, 8) den Vater nach der Bedeutung dieses Gebrauchs, worauf dieser (später ein Vorleser) die Geschichte des Auszugs mit Anknüpfung an die verschiedenen Gebräuche der Mahlzeit erzählte. Die Gesellschaft stimmte darauf Psa. 113. Psa. 114 an; dann folgte der zweite Becher, darauf die eigentliche Mahlzeit. Dann wurde der dritte Becher getrunken, welcher wohl Luk. 22, 20 gemeint ist als derjenige, den der Herr zur Stiftung des Abendmahls benutzte. Es folgte noch ein vierter Becher, nach dessen Einschenken Psa. 115–118 gesungen wurden. Auf diesen Lobgesang geht wohl Matth. 26, 30; Mark. 14, 26.
Durch die Abendmahlsstiftung hat Christus sich als das wahre Passahlamm zu erkennen gegeben, dessen Blut die Seinigen versöhnt, das heißt ihnen Verschonung vom Zorne Gottes erwirkt und dessen Leib sie mit göttlichem Leben speist (vergleiche auch Joh. 6), sodass sie zu Einem Leibe verbunden werden. Jenes Mahl des Herrn war übrigens ein vorausgefeiertes Passahmahl, da, wie sich aus dem Johannesevangelium ergibt (Joh. 18, 28; Joh. 19, 14), der 14. Nisan damals erst auf den Freitag, den Todestag des Herrn, fiel, was nicht zufällig war, da er auch durch diesen Zeitpunkt seines Sterbens sich als das rechte Osterlamm darstellen sollte. Er starb am Kreuz, während im Tempel die Passahlämmer bluteten, die sein unvollkommenes Vorbild waren, vergleiche Joh. 19, 36; 1Kor. 5, 7. [Das Wort Passah ist jetzt auch auf einem aramäisch-jüdischen Papyrus von Elephantine aus dem Jahr 419 vor Christus und ebenso auf einer dort gefundenen Scheibe (einem sogenannten Ostrakon) bezeugt, welchen man einige Jahrzehnte früher ansetzt; an der letzteren Stelle ist vom Passahfest als von einer längst üblichen Feier die Rede.]
v. Orelli.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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