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Apokryphen = geheime Schriften, bedeutete in der alten Kirche teils solche Schriften, die nicht im öffentlichen Gottesdienst gebraucht wurden, teils solche, deren Ursprung unbekannt war.
In der protestantischen Kirche versteht man darunter die der hebräischen Bibel fremden Stücke des Alten Testaments, die in der griechischen Übersetzung der Septuaginta demselben beigegeben sind, ohne dass übrigens nachzuweisen wäre, dass diese „Apokryphen“ auch nur bei den Juden in Alexandrien und dergleichen gleiche Geltung mit den kanonischen Büchern gehabt hätten.
Im Neuen Testament werden sie zwar nirgends bestimmt angeführt, aber doch wird in einigen Stellen stillschweigend auf sie Rücksicht genommen (zum Beispiel Röm. 1, 19ff, vergleiche Weish. 11–14). Bei den Kirchenvätern kamen aber von den ältesten Zeiten an mit der griechischen Übersetzung des Alten Testaments auch die Apokryphen in Gebrauch, während gleichzeitig die Juden sich immer mehr von ihnen abwandten. Auch diejenigen Männer, welche wie Athanasius, Cyrillus und andere die Apokryphen vom Kanon ausschlossen, machten doch von denselben ganz unbefangen, wie von kanonischen Schriften, Gebrauch.
Namentlich das Ansehen des Augustinus entschied für die ganze mittelalterliche Kirche die Gleichberechtigung der Apokryphen; und das Konzil von Trient hat dieselbe zum römischen Dogma erhoben. Luther dagegen hat die Apokryphen gesondert als Anhang zum Alten Testament in seine Übersetzung aufgenommen mit der Überschrift: „Apokrypha, das sind Bücher, so nicht der Heiligen Schrift gleichgehalten, und doch nützlich und gut zu lesen sind.“ Ebenso wurden sie auch in der reformierten Kirche betrachtet. Luther hat übrigens manche Apokryphen, zum Beispiel Sirach, sehr frei übersetzt.
In neuerer Zeit hat sich ein lebhafter Streit für und gegen Beibehaltung der Apokryphen erhoben; es wird aber dabei bleiben, dass Luther die richtige Mitte in ihrer Beurteilung getroffen hat. Die Apokryphen sind der „Heiligen Schrift nicht gleich gehalten“, denn sie stammen aus einer Zeit, da das Walten des Offenbarungsgeistes in Israel aufgehört hatte, da keine Propheten mehr zeugten. Ihre Verfasser waren zwar fromme Männer, die sich in den Geist der alten Zeit hineinzuleben suchten und an den alten Schriften erbauten (vergleiche zum Beispiel Judit 16 und die Parallelen dazu aus den Psalmen; viele Stellen aus Sirach und die Parallelen dazu aus den Sprüchen). Aber es fehlt die alte Kraft und Reinheit in Gedanken und Ausdruck: die Erzählungen, namentlich die Wunder, streifen oft ans Märchenhafte, zum Beispiel in den Zusätzen zu Daniel, oder leiden sonst an Übertreibungen, zum Beispiel im 2. Makkabäerbuch; auch die Behandlung anstößiger Dinge ist nicht so keusch wie im Alten Testament; die Sprüche Sirachs verlieren sich manchmal ins Platte. Vor allem aber fehlt der prophetische Ausblick und die glaubensstarke Hoffnung auf die Zukunft Israels.
Dafür finden sich schon Spuren der späteren jüdischen Werkheiligkeit und des hochmütigen, andere verachtenden Judenstolzes (Tob. 4, 11; 2Makk. 12, 40–44; Sir. 50, 27f; Spr. 8). Und im Buch der Weisheit hat sich hebräischer Glaube mit griechischer Philosophie vermählt. Gleichwohl sind diese Bücher „gut und nützlich zu lesen“. Schon wegen ihres Unterschieds von den Offenbarungsurkunden. Denn sie sind der deutlichste Beweis für den Abstand der offenbarungslosen Zeit von den Zeiten, da die Männer Gottes redeten, „getrieben vom Heiligen Geist“. Ferner bildeten diese Bücher die Brücke vom Alten zum Neuen Testament, erzählen uns die Geschicke des Volkes Israel, namentlich in der merkwürdigen Makkabäerzeit, und lassen uns hineinblicken, wie das Judentum sich bildete, das Jesus antraf.
Endlich ist auch vieles darin wirklich „nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit“ – für denjenigen, der zu prüfen und zu unterscheiden versteht. In dieser Beziehung erheben sich 1. Makkabäer, Tobias, Sirach und Weisheit wesentlich über die anderen Apokryphen. Es sind dieser in unseren deutschen Bibeln 14: 8 geschichtliche Bücher (Judith, Tobias, 1. und 2. Makk., Stücke zu Esther, Susanna, Bel zu Babel, Drache zu Babel); 6 Lehrbücher (Weisheit Salomos, Sirach, Baruch, Gebet Asarjas, Gesang der drei Männer, Gebet Manasses). Sie sind teils ursprünglich hebräisch, teils von Anfang an griechisch geschrieben worden. In der griechischen Bibel findet sich noch ein 3. und 4. Buch Esra, ein 3. und 4. Buch der Makkabäer. Außerdem gibt es noch einige jüdische Schriften aus der Zeit vor oder kurz nach Christi Geburt, die auch in der griechischen Bibel nicht stehen, zum Beispiel das Buch Henoch (aus dem Jud. 14 genommen ist), die Psalmen Salomos und so weiter. — Die sogenannten neutestamentlichen Apokryphen stehen an Wert und Gehalt noch weit hinter den alttestamentlichen zurück; hier haben wir es häufig geradezu mit absichtlicher Einmischung von Unwahrem, Sagenhaftem und zum Teil auch völlig Unwürdigem in die evangelische Geschichte zu tun, wobei der Schein angenommen wird, als wären das Erzeugnisse von Aposteln oder apostolischen Männern.
Es sind zunächst und hauptsächlich allerlei apokryphe Evangelien; man wollte über die Geschichte Jesu, auch der Maria und des Joseph, noch mehr wissen als die Evangelien berichten, und besonders auch recht viel Merkwürdiges und Wunderbares erzählen, und nahm es da mit der Wahrhastigkeit und Glaubwürdigkeit oft wenig genau. Es gibt also hier Geschichten der Maria, des Joseph, besonders auch der Geburt, Kindheit und Jugend Christi, wobei zum Teil höchst geschmacklose, unwürdige und lächerliche Dinge erzählt werden, dann besonders auch apokryphe Berichte über die Verurteilung Jesu, seinen Tod, über den Schächer am Kreuz, über das „Niedergefahren zur Hölle“ und so weiter.
Eine andere Klasse sind die zahlreichen „Apostelgeschichten“, die allerdings manches über die Schicksale der Apostel, von welchen die kanonische Apostelgeschichte so wenig enthält, berichten, was von Interesse sein muss, die aber eben nur mit der größten Vorsicht zu benützen sind.
Eine dritte und vierte Klasse dieser Schriften sind die apokryphen Briefe und die apokryphen Offenbarungen. Da gibt es sogar einen Briefwechsel Jesu mit dem Fürsten Abgar von Edessa, der Jesus um Hilfe und Heilung für seine Krankheit bittet und ihn auch zu sich einlädt, dass er bei ihm Schutz vor Verfolgung suchen solle. Jesus verheißt ihm in seiner Antwort die Sendung eines Engels, da er selbst keine Zeit zu kommen habe. Ferner sind da Briefe der Maria und vieler Apostel, zum Beispiel ein Briefwechsel des Apostels Paulus mit dem römischen Philosophen Seneca; endlich eine Anzahl von Offenbarungen des Petrus, Paulus etc. Alle diese Schriften sind natürlich für die Gelehrten zur Kenntnis der damaligen Zustände nicht ohne Wichtigkeit. Sie stammen vielfach von Verfassern, die einer ketzerischen Richtung angehörten, und geben dann über diese manchen Aufschluss; sie sind auch ein Beweis des früh beginnenden Marienkultus und groben Aberglaubens in der Christenheit.
Th. Hermann.
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About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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