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Antichrist, der Widersacher des Christus, der ihn bekämpft und zu verdrängen sucht. Der Name entstand durch die Prophetie der urchristlichen Gemeinde; Johannes erwähnt ihn als der Christenheit bekannt, 1 Joh. 2, 18. 22; 4, 3; 2 Joh. 7. Die alttestamentlichen Propheten weissagten wiederholt, daß dem letzten göttlichen Werk, durch das Gottes Herrlichkeit an Jerusalem offenbar werde, ein Kampf der Völker gegen die heilige Stadt und Gemeinde vorangehe, der sie in die höchste Not bringe und ihr die letzte, schwere Erprobung auflege. Dieser Not werde Gott dadurch ein Ende machen, daß er mit seinem allmächtigen Gericht die gegen ihn Streitenden vernichte und sein Volk errette. Wie Gottes richtendes und rettendes Werk durch den König geschieht, den er seiner Gemeinde geben wird, so werden auch die Völker in ihrem Kampf gegen Gottes Werk durch einen Herrscher geführt, der die Macht für sich selbst gegen Gott begehrt und seine Verherrlichung dadurch bewirken will, daß er Gottes Volk zerstört. Im Blick auf den Kampf des Königs von Syrien, Antiochus Epiphanes, gegen Jerusalem und das Judentum erhielt diese Weissagung in Da. 7 eine besonders eindrückliche Fassung. Darum hat die jüdische Auslegung der Schrift auch bei dem Gottlosen, den der Christus nach Jes. 11, 4 mit seinem Wort tötet, und bei den Völkern, die sich nach Ps. 2 gegen den Gesalbten erheben, an den Antichrist gedacht. Durch das Kreuz Jesu und durch den schweren Kampf, den seine Boten und seine Gemeinde sowohl mit Israel als mit dem Heidentum zu führen hatten, wurde es vollends deutlich, bis zu welcher Größe die menschliche Sünde heranwachse und wie vollständig sich der Wille Jesu, der im Gehorsam auf dem Kreuzesweg im Dienst der göttlichen Gnade seine Herrschaft aufrichtet, vom Willen des Menschen unterscheidet, der deshalb nach der Macht begehrt, weil er sich selbst erhöhen und sich von Gott frei machen will. Die christliche Weissagung hat die Größe dieses Kampfs der Kirche dadurch eingeprägt, daß sie vor die Bezeugung der neuen Offenbarung Jesu, mit der sich Gottes herrliche Gnade an der Gemeinde und an der ganzen Schöpfung sichtbar macht, die Verkündigung des Antichrists stellte, damit die Kirche keine träumerischen Hoffnungen an ihre Arbeit und ihr Wachstum hefte, als könnte sie die Sünde der Menschheit beseitigen, sondern sich zum schweren Kampf, ja zum Unterliegen und Sterben bereit mache und ihre Hoffnung einzig auf den Herrn stelle, der allein durch seine Erscheinung die Welt Gott unterwerfen und sie durch sein gerechtes und gnädiges Gericht vollenden wird. Da das N. T. nicht nur auf das sieht, was in der sichtbaren Welt die Gottlosigkeit begünstigt und die Sünde stärkt, sondern auch an die unsichtbaren Mächte der Bosheit denkt, so verband die Weissagung auch den letzten Kampf zwischen der Welt und der für Gott geheiligten Gemeinde mit dem Streit des Satans gegen Gott. Dadurch wird der gegen Gott auftretende Herrscher vollends das Gegenbild Jesu. Wie Jesus deshalb zur Herrschaft berufen ist, weil er der Sohn Gottes ist und alles, was er hat, vom Vater empfängt, so dient der Antichrist dem Satan zum Werkzeug und macht offenbar, wie groß die satanische Macht und Bosheit ist. Da die erste Christenheit an drei Stellen im schweren Kampf mit der Sünde stand, bekommt die Weissagung vom Widerchrist im N. T. eine dreifache Gestalt. Israel hat sich Jesus widersetzt und seine Gemeinde ausgestoßen, weil es seine eigne Größe, Gerechtigkeit und Macht gegen Gott verteidigte. Wird die Sünde Israels reif, so gibt das denjenigen Antichrist, der sich selbst in den Tempel setzt, nachdem er mit mächtigen Zeichen die Völker für sich gewonnen hat. So steht die Weissagung bei Paulus 2 Thess. 2. Bei der hindernden Macht, von der Paulus sagt, daß sie dem Ausbruch der gottlosen Selbstverherrlichung Israels noch widerstehe, dürfen wir an die starke Hand des römischen Kaisers und Reichs denken, vor der sich der jüdische Trotz noch fürchtete. Ein zweiter mächtiger Gegner, der das Wort Jesu unterdrückte und seine Gemeinde bedrohte, war der römische Staat und sein kaiserliches Haupt, auch ein Gegenbild des Christus, ein Herrscher der Menschheit, aber nicht zu Gottes Verherrlichung, sondern ein Beschirmer des Götzendiensts, selbst göttlich verehrt, und mit Rom verbündet, der großen Dirne, die die Keuschheit und Sittlichkeit aller Völker verdarb. Den Kampf, der hier auf die Christenheit wartete, stellt die Weissagung des Johannes Off. 13 und 17 mit erleuchteter Deutlichkeit dar. Dann wird dieser Kampf auf seiner letzten Stufe zum Ausbruch kommen, wenn es dem Satan gestattet wird, nicht nur mit menschlichen und staatlichen Mittel die Zeugen Jesu zu bestreiten, sondern dem von ihm bestellten Herrscher den Sieg über den Tod zu verleihen, so daß er auch darin als das Gegenbild des Christus erscheint, der durch die Überwindung des Todes in die Herrlichkeit einging. Es ist möglich, daß Johannes bei der einzelnen Zeugen der Weissagung, bei der Beschränkung der Häupter des Tiers auf sieben, so daß der Widerchrist zur Zahl der sieben gehört und als der achte aus dem Tode wiederkehrt, und bei der auf seinen Namen deutenden Zahl 666 an Nero dachte, der in maßlosem Übermut sich selbst als Gott darstellte, die Gemeinde Jesu in Rom vernichtete und dann plötzlich unterging. Wenn ihm der Satan gliche, den Tod zu überwinden, dann wäre der letzte Kampf und die große Entscheidung da; denn nun würden sich die Völker ihm ergeben und die Herrschaft Jesu über die Menschheit schiene ersetzt durch die Macht dessen, der nicht Gott dient, sondern sein eigenes Bild anbeten läßt. Aber noch an einer dritten Stelle kam es in der ersten Gemeinde zu Versündigungen, die von der Prophetie mit der Weissagung vom Widerchrist verbunden werden, in ihrem eigenen Kreise, bei solchen, die sich des göttlichen Geistes und der Erkenntnis Gottes rühmten, aber nicht mit dem Erfolg, daß sie dem Willen Gottes gehorsam wurden, sondern so, daß sie sich selber erhöhten, die Gemeinschaft mit den Aposteln und der Kirche zerrissen und Jesus geringschätzten, dessen irdisches Werk, das er im Fleisch vollbrachte, ihnen nichts helfen könne. Im Blick auf solche Versündigungen redet Johannes in den Briefen vom Widerchrist und darum hat er auch in der Offenbarung neben dasjenige Tier, das den Weltherrscher darstellt, noch ein zweites gestellt, das einem Lamm gleicht und doch wie der Drache redet, womit er einen falschen Propheten weissagt, durch dessen Unterstützung erst der Weltherrscher zur Macht über die Völker gelangt und von ihnen die Anbetung erhält. Nicht einzig die Macht, sondern die Macht verbunden mit der Religion, vereint mit einem verdorbenen Christentum, das sich von Jesus abwendet und die Sünde des Menschen rechtfertigt, bringt die große Versuchung über die Völker, in der die glaubende Gemeinde ihrem Herrn die vollständige Treue bewahren muß. In allen drei Formen zeigt die Weissagung auf eine Versuchung hin, die die Kirche durch alle Zeiten begleitet; sie stärkt sie dadurch im ernsten Gehorsam, der beim Kreuzesweg Jesu bleibt, vom Glanz der Macht sich nicht blenden läßt und nicht in ihrer eigenen Größe, sondern einzig im Dienst Gottes ihren Beruf erkennt. Wenn ihr damit auch vorgehalten ist, daß sie nicht mit ihrer Kraft die Sünde überwindet und Gottes Reich herbeiführt, vielmehr nach dem menschlichen Urteil ohnmächtig bleibt und unterliegt, so ist doch diese Weissagung keine Verdunklung der vollkommenen Freude, mit der wir auf Gottes Reich warten und in ihm das Ziel der göttlichen Wege erkennen. Denn nicht der Antichrist, sondern der Christus ist der Letzte, der mit seiner Offenbarung über die widerchristliche Sünde das Gericht und seiner Gemeinde die Vollendung bringen wird.
Ad. Schlatter.
About Calwer Bibellexikon: Biblisches Handwörterbuch illustriertDas Calwer Bibellexikon ist einer der bekanntesten Namen unter den deutschsprachigen Bibellexika. Laut Vorwort ist es als ein Handbuch für den nachdenkenden Bibelleser, Geistlichen oder Religionslehrer gedacht. Das Nachschlagewerk soll es dem Leser ermöglichen, ein „eben gelesenes Bibelwort als ein Glied in das ganze Gebäude seiner biblischen Anschauungs- und Gedankenwelt“ einzufügen. Der Herausgeber Paul Zeller merkt zudem an, das Werk sei „in dem einen Geist demütiger Ehrfurcht vor dem Worte Gottes und herzlicher Liebe zu der heiligen Schrift“ entstanden (Vorwort 2. Aufl.). Das Calwer Bibellexikon erschien zum ersten Mal im Jahr 1884, die zweite Auflage 1893, beide erfreuten sich großer Nachfrage. Die hier verfügbare dritte Auflage (1912) ist das Ergebnis einer umfassenderen Umarbeitung und teils auch Verkürzung. Der Herausgeber und die Mitwirkenden stammten zumeist aus der Württembergischen Landeskirche und der Schweiz. Bekannt war es auch unter dem alternativen Titel „Biblisches Handwörterbuch, illustriert“. |
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