Cyrenius und die Schatzung. Lu. 2, 1 ff. wird berichtet, daß, während Cyrenius (lat.Quirinius) Statthalter in Syrien war, auf Befehl des Augustus eine das ganze Reich umfassende Vermögenseinschätzung vorgenommen worden sei. Aus diesem Anlaß haben sich Joseph und Maria nach Bethlehem, ihrem Stammsitz, begeben, um sich dort schätzen zu lassen. Wenn auch von einer gleichzeitig im ganzen römischen Reich stattfindenden Schatzung nichts bekannt ist, so steht das fest, daß unter Augustus viele Provinzen des röm. Reichs einer Steuereinschätzung unterworfen wurden. Auch ist anderweitig bezeugt, daß Quirinius im Jahre 6 oder 7 n. Chr. eine Schatzung in Judäa gehalten hat. Eine große Schwierigkeit liegt aber darin, daß Jesus nach dem übereinstimmenden Bericht des Matthäus und Lukas noch in der Regierungszeit Herodes des Gr. geboren wurde. Es ist allerdings wahrscheinlich, daß Quirinius schon früher einmal (vielleicht ca. 3 bis 2 v. Chr. nach unserer Zeitrechnung) Statthalter in Syrien war. Aber einmal ist gewiß, daß er nicht zu Lebzeiten des Herodes dieses Amt bekleidet hat, und sodann ist nicht wohl anzunehmen, daß die Römer, solange Herodes regierte, in seinem Land eine Schatzung gehalten hätten. Herodes stand als Bundesgenosse wohl unter römischer Oberhoheit, aber tributpflichtig wurde das Land erst, nachdem seine Söhne abgesetzt, bezw. gestorben waren. Die Landschaft Judäa insbesondere kam erst etwa 10 Jahre nach dem Tode Herodes des Gr. unter römische Verwaltung, und nun fand allerdings eine Schatzung statt, welche Lukas Ap. 5, 37 erwähnt. Josephus berichtet aber ausdrücklich, was auch Lukas andeutet, daß diese Schatzung sogar einen Aufstandsversuch hervorgerufen habe, woraus man sieht, wie ungewohnt die Einrichtung gewesen sein muß. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, daß nicht abzusehen ist, warum Joseph und gar Maria nach Bethlehem hätte gehen müssen. Die Römer pflegten das Vermögen der Steuerpflichtigen an deren Wohnort oder am Hauptort des Steuerdistriktes auszunehmen, wobei der Hausvater für die ganze Familie vernommen wurde. Da also — soweit wenigstens gegenwärtig unser wissen reicht — die von Lukas berichtete Schatzung keinenfalls dieselbe sein kann wie die von Quirinius 6 oder 7 n. Chr. vorgenommene, so bliebe nur die Möglichkeit eines weiter nicht bekannten für jüdische Zwecke und in jüdischer Form geschlechterweiser Zählung vorgenommenen Zensus, welcher Anlaß zur Reise des Joseph und der Maria nach Bethlehem gegeben hätte.