Pascals
Gedanken über die Religion
und
einige andere Gegenstände
Aus dem französischen übersetzt
von
Karl Adolf Blech
Berlin, bei Wilhelm Besser
1840
Erster Theil.
Gedanken, die sich auf Philosophie,
Moral und schöne Wissenschaften beziehn.
Von der Autorität in Betreff der Philosophie.
Die Achtung vor dem Alterthum ist heut zu Tage, in den Gegenständen, bei welchen sie am Wenigsten gelten sollte, auf dem Punkt, daß man aus allen seinen Gedanken Orakel macht und selbst aus seinen Dunkelheiten Geheimnisse, daß man nicht mehr ohne Gefahr etwas Neues vorbringen kann und daß die Worte eines (alten) Autors hinreichen die stärksten Gründe zu zerstören.
Meine Absicht ist nicht einen Fehler durch den andern zu bessern und den Alten gar keine Achtung zu beweisen, weil man ihnen zu viel beweist und ich will nicht ihre Autorität verbannen um ganz allein das Selbstdenken zu erheben, obgleich man ihre Autorität allein zum Nachtheil des eignen Vernunftgebrauchs aufrichten will. Aber man muß erwägen, daß unter den Dingen, die wir zu kennen streben, einige allein vom Gedächtniß abhängen und rein historisch sind, indem dann nur unser Zweck ist wissen zu wollen was die Autoren geschrieben haben; die andern aber hängen allein von dem Forschen der Vernunft ab und sind gänzlich dogmatisch, indem wir dann zum Zweck haben die verborgnen Wahrheiten zu entdecken. Nach dieser Unterscheidung muß man abmessen, wie weit die Achtung vor den Alten gehen darf.
In den Gegenständen, wo man allein erforschen will was die Autoren geschrieben haben, wie z.B. in der Geschichte, Geographie, Sprachen, Theologie, endlich in alle denen, die entweder die einfache Thatsache oder eine göttliche oder menschliche Anordnung zur Grundlage haben, muß man nothwendiger Weise auf ihre Bücher zurückgehen, weil alles, was man darüber wissen kann, in diesen enthalten ist, und es leuchtet ein, daß man nur da die vollkommne Erkenntniß von diesen Dingen finden kann und daß es nicht möglich ist noch etwas hinzu zu setzen. Also wenn die Frage ist, wer der erste König der Franzosen war, auf welchen Ort die Geographen dem ersten Meridian verlegen, welche Worte in einer todten Sprache vorkommen u. d. m. welche andre Mittel giebt es das zu erfahren als die Bücher? Und wer könnte irgend etwas Neues zu dem, was sie uns darüber lehren, hinzufügen, da man ja eben nur wissen will, was sie enthalten? Die Autorität allein kann uns darüber aufklären.
Wo aber diese Autorität die größte Stärke hat, das ist in der Theologie, weil sie da unzertrennlich von der Wahrheit ist und wir diese nur durch jene kennen, so daß es, um den Dingen, die für die Vernunft die unbegreiflichsten sind, die volle Gewißheit zu geben, hinreicht in der heiligen Schrift nach zu weisen, wie man auch, um die Ungewißheit der wahrscheinlichen Dinge zu zeigen, nur nach zu weisen braucht, daß sie nicht darin enthalten sind. Denn die Prinzipien der Theologie sind über der Natur und Vernunft und der Geist des Menschen, zu schwach und dazu ...
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About Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände„Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände“ (Pensées) von Blaise Pascal ist ein posthum veröffentlichtes Werk, das zu den bedeutendsten Texten der christlichen Apologetik zählt. Pascal, ein herausragender Mathematiker, Physiker und Philosoph des 17. Jahrhunderts, versammelt in diesem Buch seine tiefgründigen Reflexionen über den Glauben, die menschliche Existenz und die Beziehung zwischen Gott und Mensch. Es ist ein zeitloses Werk, das die Komplexität des Glaubens und der menschlichen Existenz ergründet. Pascals brillante Einsichten und seine Fähigkeit, philosophische Tiefe mit religiöser Überzeugung zu verbinden, machen dieses Buch zu einem unverzichtbaren Text für Theologen, Philosophen und alle, die sich mit den großen Fragen des Lebens auseinandersetzen möchten. |
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